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JubilarinAn Heiligabend feiert Ursula Gräf aus Engelskirchen ihren 100. Geburtstag

Lesezeit 4 Minuten
19.12.2024
Ursula Gräf 100 Jahre

Die Jubilarin blickt zufrieden auf ihr Leben und sagt augenzwinkernd: „Ich hatte keinen Mann, der mich geärgert hat.“

In Kindheitstagen blieb zum Geburtstagfeiern keine Zeit. Heute kann Ursula Gräf aus Engelskirchen auf einhundert Lebensjahre zurückblicken.

„Wenn ich noch mal jung wäre, würde ich alles wieder ganz genauso machen.“ Ursula Gräfs Lächeln strahlt Zufriedenheit aus. Heute, am Heiligabend, feiert die Engelskirchenerin ihren einhundertsten Geburtstag. „Ich bin dankbar, dass ich so lange leben darf. Es war immer schön!“ , sagt sie.

Im Lebensmittelladen des Vaters fleißig geholfen

Dann erzählt die Seniorin von ihrer Kindheit in Bickenbach, wo die Eltern ein Lebensmittelgeschäft betrieben. Weil der Vater tagsüber in einer Textilfabrik arbeitete, half sie von klein an im Laden, wog Haferflocken und Griesmehl in Tüten ab und verkaufte Körnerfutter, „alle Familien hatten ja damals Hühner“. An Heiligabend gab es besonders viel Arbeit, der Vater buk Spritzgebäck und Makronen für die Weihnachtsteller der Kundschaft und ganz zuletzt einen Stollen für die eigene Familie, während die kleine Ursula zu Fuß bis nach Remshagen lief, um Zigaretten auszuliefern. Zum Geburtstagfeiern bleib da keine Zeit. Wenn dann am Abend ein bunter Kalender und ein Nachthemd unterm Weihnachtsbaum lagen, war die Freude groß. „Mit meinen beiden Schwestern Christel und Brunhilde und ich habe ich so laut gejubelt, dass die Nachbarn sich wunderten.“

Das Foto unten zeigt sie stehend mit ihren beiden Schwestern und einer Schwägerin.

Das Foto unten zeigt sie stehend mit ihren beiden Schwestern und einer Schwägerin.

Nach der Volksschule hieß es, ein Pflichtjahr in der Landwirtschaft zu absolvieren, „das machte ich bei einem Bauern, der nur eine einzige Kuh besaß. Die brachte ich jeden Tag nach Neuremscheid auf die Weide“, erinnert sich die Seniorin. Danach machte sie, ermutigt vom Vater, eine Ausbildung zur kaufmännischen Angestellten bei der Firma Dörrenberg in Ründeroth. „Mit Prüfung bei der IHK“, betont sie selbstbewusst. Keine Frage für sie, dass sie morgens eine Stunde zu Fuß über die Berge von Bickenbach nach Ründeroth zur Arbeit lief, und nach Feierabend wieder zurück. Sie arbeitete im Verkauf von Metallgussprodukten, später im Sekretariat. Da hielt im Lauf der Jahre die neue Technik Einzug: „Statt Steno und Eilschriftkürzeln bekam ich dann die Stimme des Chefs per Kopfhörer direkt auf die Ohren.“ Es sei schön gewesen, sinniert sie und schmunzelt verschmitzt: „Die Chefs gingen auf große Reisen ins Ausland und ich schrieb für sie die Reiseberichte. Ich selbst bin nur bis zum Bodensee gekommen.“

An Verehrern hat es nicht gemangelt

Einmal, als sie einige Wochen lang die Chefsekretärin vertrat, bekam sie von der Chefin als Anerkennung eine Porzellanschale, „sehr edel, in Blau und Gold“. „Du heiratest ja doch“, hatte ihre Mutter prophezeit – und damit Unrecht gehabt: 32 Jahre lang blieb Ursula Gräf ihrer Firma treu. Und auch ihrer elf Jahre jüngeren Schwester Brunhilde, um die sich innig kümmerte: „Ich habe von Anfang an auf sie aufgepasst, sie war fast wie ein Kind für mich.“

Als Kind schob sie ihre jüngere Schwester Christel mit dem Schlitten

Als Kind schob sie ihre jüngere Schwester Christel mit dem Schlitten

Als ihr Verlobter aus dem 2. Weltkrieg zurückkehrte und beschloss, nach Wien zu ziehen, entschied sich Ursula Gräf, die Verlobung zu lösen und bei ihrer Schwester, zu bleiben. „Meine Schwester brauchte mich. Die Entscheidung war nicht ganz einfach, ich hatte den jungen Mann ja auch gern.“ Aber dann gingen die Schwestern tanzen und ins Kino, sahen Wili Birgel und Zarah Leander, „das war schön“, erzählt die Jubilarin – und singt „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n.“ Aber Männer? Auch mit 100 Jahren ist Gräf immer noch eine schöne Frau. „Oh, es gab viele Verehrer! Auch noch als ich 40 wurde. Da hat ein Nachbar, der eine Schuhmacherwerkstatt hatte, um meine Hand angehalten. Dann dachte ich aber: Soll ich für all die Menschen kochen?“

Nachbarn unterstützt Lachend schüttelt sie den Kopf. Lieber begeisterte sie sich für die Gartenarbeit, auch noch, als sie 1974 mit ihrer Schwester von Bickenbach nach Engelskirchen zog. Als sie in den Ruhestand ging, unterstützte sie tatkräftig ihre Nachbarn, wusch und putzte für sie, bis 2013 ihre Schwester starb und Ursula Gräf 2015 ins Seniorenzentrum Sankt Josefhaus zog – und auch hier neue Freundschaften schloss. Hier feiert sie auch ihren Geburtstag.

100 Jahre – „manchmal denke ich darüber nach, ob alle Entscheidungen richtig waren. Ich hätte gern eigene Kinder gehabt“, sinniert die Jubilarin, für einen Moment mit einem Anflug von Wehmut. Aber dann lächelt sie schon wieder und fügt augenzwinkernd hinzu. „Andererseits hatte ich keinen Mann, der mich geärgert hat.“