Die Landwirte Andreas und Arne Wirths aus der Engelskirchener Ortschaft Schnellenbach berichten von einem „Sterben auf Raten“.
ProtesteWas die Bauern auf die Barrikaden treibt – Ein Besuch auf einem oberbergischen Hof
Im Stall mümmeln die Kühe am Futter. Eine nach der anderen begibt sich gemächlich zur automatischen Melkanlage. Im Büro des Altenberger Hofs in Engelskirchen-Schnellenbach, getrennt durch eine große Glasscheibe von den behaglich schnaufenden Tieren, herrscht dagegen eine angespannte Stimmung, zwischen Resignation und Zorn, gepaart mit ein bisschen trotziger Hoffnung.
Noch stehen Andreas Wirths und sein Sohn Arne voll unter dem Eindruck der Ereignisse der vergangenen Tage: die Ankündigung der Ampel-Regierung, den Bauern von einem Tag auf den anderen Subventionen zu streichen, der schnelle Teil-Rückzieher und dann die große Demonstration der Landwirte am Montag. Arne Wirths war dabei, in Engelskirchen und in Gummersbach. Bis zum Ende dieser Woche haben die Wirths’ einen Schlepper mit einem riesigen Schild als stummen Protest am Ortseingang abgestellt.
Landwirt aus Engelskirchen-Schnellenbach rechnet Kosten vor
Sollten sie nicht erleichtert sein, dass es nun doch nicht hart kommt, wie im ersten Moment befürchtet? Immerhin ist die Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge vom Tisch ist und die Steuervergünstigung für Agrardiesel soll bis 2026 gestreckt werden. „Für uns bedeutet das am Ende um die 4000 Euro zusätzliche Kosten“, rechnet Arne Wirths vor.
„Dabei haben wir noch den Vorteil kurzer Wege. Andere müssen viermal so weit fahren, und die Biobauern trifft es noch härter, weil sie die Unkrautbekämpfung mechanisch machen und auch eine größere Zahl von Schnitten haben. Wir haben keine Alternative zum Diesel, können nicht auf Elektroenergie umswitchen. Es ist ein Sterben auf Raten.“ Harte Worte angesichts eines doch überschaubaren Einschnitts.
Landwirtschaft: Fassungslosigkeit über Kürzungen der Regierung
Doch das Problem, das zeigt sich im Gespräch, liegt tiefer. Der 57-jährige Andreas Wirths schildert seine Fassungslosigkeit, als die Nachricht von den Kürzungen wie eine Bombe einschlug. Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. „Wir haben bisher still gehalten. Dabei häufen sich seit Jahren die Probleme: der extreme Strukturwandel, der Kostendruck, der Wettbewerb in Europa, die Abhängigkeit von vier großen Lebensmitteleinzelhandelskonzernen, die Preise und Auflagen diktieren“, zählt Wirts auf. „Die Bürokratie ufert aus, dann die Düngerverordnung, es ist immer mehr, was auf uns einprasselt. Die Zuschüsse zur Sozialversicherung wurden gekürzt, ebenso wie 30 Prozent der Subventionen.“
Das Geld, das ihnen gezahlt wird, sei eine Entschädigung der Landwirte für Leistungen, die der Gesellschaft zugutekommen: etwa Landschaftspflege, Blühstreifen am Wiesenrand, Stilllegung von Flächen, Tierwohl. „Wir wollen ja naturnah wirtschaften, wir sind stolz und glücklich, dass unsere 80 Kühe so zufrieden sind“, ergänzt der 27-jährige Arne Wirths. „Jeder kann sich auf unserm Hof davon überzeugen. Wir sind regional, garantieren die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Aber wir brauchen Planungssicherheit. Die haben wir komplett verloren.“
Landwirt Andreas Wirths aus Schnellenbach ist verbittert
Andreas Wirths macht keinen Hehl aus seiner Verbitterung. „Als ich anfing, hatte ich die Sicherheit und konnte Fremdmittel aufnehmen und investieren. Aber jetzt? Es war ein Schock. Das Vertrauen ist weg. Wer weiß, was morgen kommt?“ Es ist auch die Art und Weise des Umgangs mit den Landwirten, die schmerzt. „Es ist ein Schlag ins Gesicht“, klagt der Sohn. „Ein kleiner Teil der Bevölkerung soll den großen Scherbenhaufen aufkehren. Warum redet man nicht vernünftig mit uns? Dann könnte man mit dieser Regierung einen echten Kompromiss finden.“ Das Geschwafel von Umsturz und Neuwahlen schade der Sache, zeige aber, wie verzweifelt einige seien.
Fette Gewinne? Andreas Wirths schüttelt den Kopf. Drei Generationen sollen auf dem Hof von der Milchwirtschaft leben können, eine landwirtschaftliche Alternative gebe es im kargen, regenreichen Oberberg nicht. Aber die Milchpreise schwanken, bleibe etwas übrig, werde investiert, etwa in Liegeboxenplätze für die Kühe, die viel Platz mit Wohlfühltemperaturen und Wellness-Rückenbürsten genießen.
Aber ein neuer Stall für 100 Kühe würde zwei Millionen Euro kosten, rechnet der 57-Jährige. Lohnt sich das in Zukunft noch? „Mein Bruder und ich brennen für die Tiere, wir haben richtig Spaß an der Landwirtschaft. Wenn man einen schlechten Tag hat, vergeht die miese Stimmung im Stall sofort.“ Arne Wirths und Bruder Gunnar würden später gern den Hof übernehmen, aber ihr Vater hat darauf bestanden, dass sie sich eine Alternative aufbauen, Arne studiert Maschinenbau, Gunnar Tiermedizin. „Wir müssen erst mal sehen, wie es mit der Landwirtschaft weiter geht.“ Ihr Vater ist skeptisch, ob es für den Hof eine Zukunft gibt.
Arne Wirths hat die Demonstration am Montag Mut gemacht, die Begegnung mit jungen Bauern, denen es genauso geht. Vor allem der Zuspruch von applaudierenden Menschen am Straßenrand. „Die Resonanz in der Bevölkerung war überwältigend. Das sind ja Menschen in unserer Nachbarschaft.“ Er hofft, dass sie sich auch als Verbraucher engagieren für gesunde Lebensmittel, für regionale Erzeugung, für den Erhalt der Familienbetriebe. „Sonst gehen wir den Weg der Industrialisierung, die Produktion der Lebensmittel verlagert sich ins Ausland, und die Moral endet am Regal.“