Wie reagiert die regionale Bildende Kunst auf die gesellschaftliche Unruhe? Unter anderem mit Humor. Das „Projekt a+“ ist wieder zu Gast in der Engelsvilla.
AusstellungEngelskirchener Villa ist Begegnungszentrum der regionalen Kunstszene
Klima, Krieg und sonstige Krisen prägen die Debatte, auch unter Literaten und in der Filmszene. Wie reagiert die regionale Bildende Kunst auf die gesellschaftliche Unruhe? Unter anderem mit Humor. Man muss schon genau hingucken, um die kleine Papierarbeit zu bemerken, die Gerlinde Liebing an eine Wand des langen Mittelgangs gehängt hat: Zwischen Defibrillator, Verbandskasten und Hinweisblättern zur Ersten Hilfe bietet sich das Werk als Mittel im Notfall an. Kunst als Lebensretter.
Die Malerin und Bildhauerin aus Wilnsdorf bei Siegen gehört zu den auswärtigen Künstlern, die Rike Stausberg und Peter Leidig im Rahmen der Ausstellungsreihe „Projekt a+“ (bis 29. Mai) eingeladen haben. Sie gastieren damit wieder in der „BAV-Galerie-Diele“ in der Engelsvilla, Braunswerth 1, dem Sitz des Bergischen Abfallwirtschaftsverbands.
Keine plakativen Kommentare in Engelskirchen
Stausberg und Leidig haben mit Hashem Alshater und Axel Müller zudem zwei weitere Oberberger dazugeholt. Margret Schopka aus Overath und Bruno Obermann aus Netphen komplettieren das wieder große stilistische Spektrum. Die beiden Gummersbacher Gastgeber möchte die Engelskirchener Villa noch stärker als Knotenpunkt eines Netzwerks etablieren, das auch die Nachbarkreise erreicht. Es geht ihnen dabei nicht nur um die größere Publikumsreichweite, sondern auch um die Begegnung der Künstler, auch wenn diese desto mehr Aufwand und Kosten einkalkulieren müssen, je weiter ihre Anreise ist. Und wie reagieren die Künstlerinnen und Künstler auf die vielfältigen Konflikte, die derzeit die Stimmung verdüstern? Jedenfalls nicht mit plakativen Kommentaren, das haben alle sechs Positionen gemein, auch wenn die wenigsten streng abstrakt sind.
Rike Stausberg, die sich auf ihren feingliedrig gestaltenen Bildtafeln durchaus auch mal eine kleine Figur gestattet, sagt: „Die Oberflächlichkeit ist Ursache aller Krisen. Es ist die Aufgabe der Kunst die Menschen an ihre Innerlichkeit zu binden, die Voraussetzung ist für Empathie.“ Peter Leidig als Kenner der Tradition verweist auf Modrians Kompositionen als Darstellungen einer vielfältigen Gesellschaft im Gleichgewicht. Darüber hinaus „Meinungen rauszuposaunen“ sei nicht Aufgabe der Kunst. Joseph Beuys und seine „soziale Plastik“ seien später oft missverstanden worden.
Der gebürtige Syrer Hashem Alshater, der Strukturen malt, zu denen ihn Moose und Flechten in oberbergischen Wäldern inspiriert haben, erinnert sich nur ungern daran, wie die Kunst in den Ländern seiner arabischen Herkunftsregion politisch instrumentalisiert wurde. Margret Schopka hingegen will die Naturnähe ihrer Kunst durchaus politisch verstanden wissen. Die Behutsamkeit, mit der sie in Island die Landschaft verändert, ist ein Gegenbild zur sonst allgegenwärtigen Naturzerstörung. Schopkas Fotografien dokumentieren Ornamente, die sie mit Spitzendecken und Vulkanasche auf Felsen anlegt und die schon bald für immer vom Winde verweht werden.
Bruno Obermanns Malerei rückt den Menschen in den Blick, was eine politische Auslegung unvermeidlich macht. Die Porträts sind stark verwischt, Masken einer widersprüchlichen Gefühlswelt. Der Wiehler Axel Müller hat im Eingangsbereich der Villa seine Papierobjekte zu einer Installation arrangiert, die sowohl als Waffenarsenal als auch als Schmucktableau interpretiert werden kann. Es kommt eben immer darauf an, in welcher Stimmung man auf die Welt blickt.