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Inge HelmEngelskirchener Autorin bricht mit 86 Jahren noch Tabus

Lesezeit 3 Minuten
Autorin Inge Helm (86) in ihrem Wohnzimmer, wo sie am liebsten schreibt.

Die Autorin aus Engelskirchen-Ründeroth hat gerade ihr neustes Buch 'Herzflimmern' fertig geschrieben, im Herbst soll es erscheinen.

Inge Helm hat zahllose Bücher geschrieben, bald soll ein weiteres Werk erscheinen. Doch viele Verlage schreckten davor zurück.

Ründeroth 160 Zeichen passen in eine SMS. Inge Helm schreibt daraus einen Roman. Natürlich nicht aus einer einzigen Kurznachricht, sondern aus hunderten Nachrichten, die ihre Protagonistin über Jahre an einen mysteriösen Verehrer schickt.

So viel sei verraten: Der Verehrer tippt ungern zurück, sondern ruft lieber an und hat dafür gute Gründe. Im Herbst soll „Herzflimmern“ erscheinen. Ein Roman in Prosa und Kurznachrichten über die Liebe im hohen Alter, denn die handelnden Personen haben die 70 schon hinter sich gelassen.

Zweisamkeit im Alter als Tabuthema

Seit über 50 Jahren ist Inge Helm aus Engelskirchen-Ründeroth eine Größe im deutschsprachigen Bücherkosmos. Kaum ein namhafter Verlag, bei dem die heute 86-Jährige nicht veröffentlicht hat. Doch vor dem Thema Zweisamkeit im Alter schreckten viele ihrer Stammhäuser zurück.

„E-Books hätten mir alle sofort gegeben, aber ich wollte ein gedrucktes Buch“, sagt Helm. Das Thema späte Liebe, das sie in „Herzflimmern“ verarbeitet, ist in einer Lebenswelt zwischen Wartezimmer, Rehamaßnahme und Sprechstunde angesiedelt.

Authentisch Aber eben nicht „spicy“

Das ist authentisch. Aber eben nicht „spicy“, wie das Schlüsselwort der modernen Bestseller-Fabriken lautet und das beschreibt, wie gewagt ein Autor über handfeste Paarungsrituale fabuliert.

„Der Wunsch nach Zweisamkeit und die Erfüllung, die ein gutes Gespräch und Nähe bringen, das ist unglaublich intensiv im Alter“, hat Helm selbst festgestellt und lässt es auch ihre Protagonisten in „Herzflimmern“ erfahren.

Das sah wohl auch der inhabergeführte Isensee-Verlag in Oldenburg so, der sich das zu diesem Zeitpunkt noch unvollendete Manuskript sicherte und die Autorin mit einem Lektorat ausstattete. Verlagsverhandlungen sind für die 86-Jährige Routine: Seit einem halben Jahrhundert veröffentlicht sie Prosa- und Sachbücher, schreibt Manuskripte für Funk und Fernsehen.

Die von ihr ersonnenen Damen der Lavendel-Gang lösen Kriminalfälle in Frankreichs Provinz und haben eine treue Fangemeinde. Den eigenen Familienalltag verarbeitete sie über viele Jahre humoristisch in Titeln wie „Hilfe, ich werde Großmutter“.

Die eigene Familiengeschichte arbeitete die gebürtige Kölnerin in „Die rote Oma“ auf. Das Thema, das Helm nun beschäftigte, ist ohne Frage persönlich. „Menschen in meinem Alter haben eben andere Ansprüche an eine Beziehung“, sagt sie und lehnt sich in ihrem Schreib-Rollstuhl zurück.

Auf den Rollstuhl war sie nach einem Unfall zeitweilig für die Fortbewegung angewiesen. Das geht inzwischen wieder ohne, aber nicht das Schreiben: „Dafür ist der einfach zu bequem“, sagt sie und lacht. Beim Schreiben pflegt Helm viele, über die Jahre entstandenen Rituale: Es fängt mit Chansons von Michel Sardou an.

„Herzflimmern“ erscheint im Herbst im Isensee-Verlag

Wenn die Musik leise im Hintergrund läuft, erkundet Helm ihre eigenen Texte über die Tastatur: „Ich lebe in meinen Büchern“. Dass Helm die Geschichte von „Herzflimmern“ über SMS-Kurznachrichten im Wechsel mit Notizen, kurzen Beobachtungen und auch kleinen Gedichten erzählt, hat sich ebenfalls erst entwickelt.

Auch das Cover ist Teil dieses Gesamtkunstwerks, Tochter Viola Brüggentisch steuerte das Bild bei. Dass es dieses Mal rund viereinhalb Jahre dauerte, bis die routinierte Schreiberin ein neues Buch vorlegte, ist Corona und einem unglücklichen Unfall geschuldet. Doch brachte dieses Unglück eben auch die Inspiration für „Herzflimmern“. Lutz Blumberg


Zur Person: Die Autorin Inge Helm

Inge Helm lebt in Engelskirchen-Ründeroth. Die heute 86-Jährige wurde in Köln geboren und studierte an den Universitäten Köln und Mailand Literatur- und Publizistik.

Helm schrieb zahllose Beiträge in deutschsprachigen Tages- und Wochenzeitungen: Kolumnen, Reisebeschreibungen, sie veröffentliche Kochbücher, Drehbücher, Hörspiele, Übersetzungen und heitere Familiengeschichten.

Mit den Büchern über „die Lavendelgang“ erreichte sie eine große Leserschaft. In drei Bänden machen sich fünf Frauen aus vier europäischen Ländern auf, gemeinsam den Ruhestand in der französischen Provinz zu genießen, doch müssen sie auch einige Kriminalfälle lösen. Als nächstes Projekt geht Inge Helm nun ihre Autobiografie an.