Im Interview spricht Marcus Dräger, Vorsitzender der Oberbergischen Abteilung des Bergischen Geschichtsvereins, über das aktuelle Jubiläumsjahr.
InterviewMarcus Dräger vom Geschichtsverein schaut auf die Jubiläen dreier Orte aus Oberberg
In diesem Jahr feiern gleich drei Orte im Oberbergischen Kreis den 850. Jahrestag ihrer Erstnennung, nämlich Ründeroth, Müllenbach und Gelpe (heute Ober- und Niedergelpe). Dazu kommt die Stadt Meinerzhagen, einen Steinwurf von der Kreisgrenze entfernt. Reiner Thies sprach mit Marcus Dräger, dem Vorsitzenden der Oberbergischen Abteilung des Bergischen Geschichtsvereins, über das aktuelle Jubiläumsjahr.
Warum wissen wir von den Erstnennungen?
Marcus Dräger: Der Geschichtsverein hat vor mehr als 25 in einer Arbeitsgemeinschaft die Erstnennungen aller oberbergischen Kommunen zusammengetragen und in einem Sonderband veröffentlicht. Das Buch ist immer noch zu haben. Der Sonderband sollte zur Pflichtlektüre aller oberbergischen Bürgermeister gehören, den diese am besten nach Weihnachten einmal durchgehen, damit niemand von einem runden Jubiläum im Folgejahr plötzlich überrascht ist.
Die gemeinsamen Wurzeln der aktuellen Jubilare reichen tief.
Für die Gemeinde Engelskirchen liegen 54 mittelalterliche Urkunden mit Ernennungen von Orten des Gemeindegebiets vor, die alle zwischen 1174 und 1535 ausgefertigt wurden. Ründeroth ist darunter der älteste. Für Gummersbach, das immerhin mehr als 70 Ortschaften im Stadtgebiet zählt, gibt es 78 Urkunden aus der Zeit zwischen 1033 und 1575.
Gelpe liegt dabei mit dem Jahr 1174 als drittältester Ort ganz vorne, nach Lieberhausen 1033 und Gummersbach 1109. Auch in der Gemeinde Marienheide ist Müllenbach der älteste genannte Ort, knapp vor Gimborn mit 1180. Der älteste genannte Ort im ganzen Oberbergischen Kreis ist übrigens Morsbach mit 895 und danach drei Lindlarer Orte, die 958 in einer Urkunde erwähnt werden: Hohkeppel, Tüschen und Vellingen.
Sie haben kürzlich in der Müllenbacher Kirche ein Treffen organisiert, bei dem sich Vereinsvorsitzende aus den Jubiläumsorten ausgetauscht haben. Was kam dabei heraus?
Die Jubiläen werden ganz unterschiedlich gefeiert. Meinerzhagen hatte schon im Juni ein großes Festwochenende mit Besuch des Ministerpräsidenten. In Ründeroth gibt es eine Festwoche Ende August. In Müllenbach planen die Vereine noch, ansonsten ist das Schützenfest ein gute Gelegenheit zu feiern. In Gelpe soll wenigstens ein schönes geschnitztes Ortsschild „Gelpe 850 Jahre – Drittältester Ort der Stadt Gummersbach“ rausspringen.
Was erfahren wir aus den Urkunden neben der nackten Zahl?
Für alle Orte ist schon eine Kirche genannt, so dass die Kirchen im Jahre 1174 also schon gestanden haben müssen. Für Gelpe steht die Frage im Raum, ob es sich um eine Holzkirche gehandelt hat, die nicht erhalten ist. Die Urkunde von 1174, die übrigens nur in einer Abschrift aus dem 17. Jahrhundert vorliegt, gewährt uns auch sonst einen Einblick in unsere Heimat im zwölften Jahrhundert. Für das Bergische Land war während der Christianisierung das Stift Werden für den Norden wichtig, in der Mitte, also im Agger- und Sülztal , das Kölner Stift St. Severin und für den Süden das Bonner St. Cassius Stift.
Was war Thema der Urkunden?
Meist geht es um eine Schenkung an das Kloster oder das Recht, Steuern einzutreiben. So auch im aktuellen Fall: Das Stift St. Severin verkauft an die Grafen von Berg für 23 kölnische Mark jährlich das Recht, die „Pfründe“ einzutreiben. Als Begründung ist übrigens angegeben, dass man viele Unbequemlichkeiten habe: „Einmal wegen der Schwierigkeit des Eintreibens, dann wegen der natürlichen Schroffheit jenes Menschenschlages.“ Das ist sicher nachvollziehbar, schließlich ist es heute noch üblich, dass eine gewisse Schroffheit an den Tag gelegt wird, wenn einem Geld abgeknöpft wird.
Wohin ging das Geld nun?
Die Urkunde ist Zeugnis einer Epoche, in der sich die bergische Landeshoheit in unserem Gebiet gerade erst entwickelt. Der Herr, der nun in den Genuss der Meinerzhagener, Müllenbacher, Gelper und Ründerother Steuergelder kam, war Graf Engelbert I. von Berg. Sein Vater gründete Schloss Burg, sein Sohn Engelbert II. wurde Erzbischof von Köln. Nach heutiger Diktion als Verkäufer genannt ist Konrad, Abt vom Stift St. Severin, in deren Kirche in Köln auch die Verhandlung stattfand.
Damals war es üblich, die Urkunden neben der Besiegelung auch durch die Unterschrift von „glaubwürdigen“ Zeugen rechtswirksam werden zu lassen. Darunter ist als erster ganz lapidar genannt: „Bruno, Vorsteher der Hauptkirche“. Das kann 1174 nur Bruno III. gewesen sein. Er war von 1168 an Dompropst und später auch Erzbischof von Köln, allemal ein Graf von Berg und der Bruder von Engelbert. Die Verteilung oberbergischer Steuergelder wurden in Köln richtiggehend ausgeklüngelt.