In 20 Jahren als Schiedsmann hat Michael Ufer aus Engelskirchen zwischen vielen Streithähnen vermittelt. Die Arbeit wird immer mehr.
SchiedsmannMichael Ufer verhandelt in Engelskirchen seit 20 Jahren Streitigkeiten
Sorgfältig hatte der Besitzer des Nebenhauses alles Laub von seinem weitläufigen Grundstück zu einem großen Haufen zusammen geharkt, als der Nachbar seinen neuen Laubbläser ausprobieren wollte und einen Fehler bei der Bedienung machte: Die Blätter wirbelten im weiten Umkreis auf den frisch geharkten Rasen – und die beiden Nachbarn vor dem Schiedsmann. „Man muss die Menschen lieben“, verkündet Michael Ufer mit einem Lächeln in den Augen den Wahlspruch seines Vorgängers, den er sich zu eigen machte, als er vor 20 Jahren zum ersten Mal das Amt des Schiedsmanns in der Gemeinde Engelskirchen übernahm.
Seitdem hat er seine Liebe zahllose Male unter Beweis gestellt, wenn er versucht hat, Streit zu schlichten bei Beleidigungen, Rufmord, leichter Körperverletzung und vor allem bei Nachbarschaftsstreitigkeiten. „Da haben Leute 900 Quadratmeter Grundstück und streiten sich um 20 Zentimeter. Manchmal geht es um Dinge, das glaubt man nicht!“
Ehe in einem solchen Fall vor Gericht geklagt werden kann, ist ein Termin bei der zuständigen Schiedsperson zwingend vorgeschrieben mit dem Ziel, eine Einigung herbeizuführen. Ob das Gewächs nebenan ein Baum ist und damit mindestens vier Meter von der Grenze entfernt stehen muss oder eine Hecke, für die ein Zweimeter-Abstand gilt? Ufer schaut es sich nie vor Ort an. Er stützt sich auf Dokumente und Gutachten – „wegen der Objektivität“, sagt er.
Manchmal geht's im alten Ratssaal ziemlich hoch her
Aus Erfahrung weiß er, dass sich am verstümmelten Baum, der abgehackten Hecke oft Konflikte entzünden, die jahrelang schwelen und immer mehr eskalieren. „Wenn einer vor Gericht gewonnen hat, dann hat er trotzdem verloren, denn der Streit ist ja nicht aus der Welt. Der geht dann erst recht weiter.“ Zur Abschreckung schildert er uneinsichtigen Kontrahenten schon mal den Fall des Mannes, der vor einigen Jahren in Engelskirchen seinen Nachbarn mit der Schneeschaufel erschlug. „So weit darf es nicht kommen!“
Deshalb geht es ihm darum, eine echte Einigung zu erreichen, die von beiden Parteien akzeptiert wird. Manchmal reiche ein Brief, ein Telefonat. Wenn das nicht hilft, empfängt er die Streitenden im imposanten alten Ratssaal von Ründeroth. Das macht Eindruck, ebenso wie seine ebenso freundliche wie Respekt einflößende Ausstrahlung. „Man muss Selbstbewusstsein haben“, stellt er fest. Manchmal gehe es im alten Ratssaal ziemlich laut her, jeder mache sich Luft, das könne Stunden dauern. Einmal drängten sich dort 40 Personen, alle jungen Eltern einer Straße sollten von zwei älteren Damen wegen des Kinderlärms verklagt werden. Um Frieden zu schließen, wurde eine Einigung auf Ruhezeiten erreicht.
Um zu schlichten, braucht eine Schiedsperson vor allem Lebenserfahrung. Viele Jahre lang war der 75-Jährige in Ehrenämtern aktiv, etwa im Sport und als Senatspräsident im Karneval, „da lernt man soziales Verhalten“. Und Verständnis. „Aber die Konflikte mehren sich“, stellt er besorgt fest. „Die Menschen verlieren die Fähigkeit, miteinander auszukommen, die Unzufriedenheit wächst.“
Sorgen um die Arbeit, die Hausfinanzierung, das Geld, beengte Wohnverhältnisse, wo das Bobbycar, der Heimtrainer oder die Geburtstagsfeier zum Störfaktor werden, macht er dafür verantwortlich. Landeten vor 20 Jahren vier bis fünf Fälle bei ihm, so seien es inzwischen um die 25 im Jahr.
Mit Schikanen das Leben zur Hölle gemacht
Meist geht es um Lärm, dicht gefolgt von Klagen über Videokameras, die viele Leute aus Angst vor Einbrüchen installieren. Die dürfen aber nur aufs eigene Grundstück gerichtet sein und nicht auf das des Nachbarn.
Manchmal verfolgt ihn die Sorge über einen Konflikt bis nach Hause, gesteht Ufer. Immer dann, wenn er spürt, dass überhaupt keine Kompromissbereitschaft da ist, wie etwa im Fall zweier Besitzer eines Hauses, die sich mit Schikanen das Leben zur Hölle machen, um den anderen zum Verkauf zu drängen. „Da ist, fürchte ich, ein Gewaltausbruch vorprogrammiert.“ In 70 bis 80 Prozent der Fälle aber gelingt es ihm, eine Einigung zu erzielen.
Deshalb hat sich Michael Ufer für eine weitere Amtszeit als Schiedsmann beworben. Es sei ein gutes Gefühl, wenn Menschen wieder miteinander reden und er dazu beitragen könne, ihren Streit zu schlichten. „Deshalb ist für mich das Schiedsamt das schönste Ehrenamt!“
So wird man Schiedsperson
In jeder Stadt und Gemeinde müssen Schiedspersonen bestimmt werden. Sie werden vom Rat für fünf Jahre gewählt, die Wahl wird vom Gericht bestätigt, das auch alle zwei Jahre die dokumentierten Fälle überprüft. Das Schiedsamt ist ein Ehrenamt. Schiedsperson kann werden, wer das 30. Lebensjahr vollendet hat, einen guten Leumund hat und in der Stadt oder Gemeinde wohnt.
Schiedspersonen müssen von ihrer Persönlichkeit und ihren Fähigkeiten her für die Tätigkeit geeignet sein. Juristische Grundkenntnisse werden in regelmäßigen Fortbildungen vermittelt. Bei sogenannten Bagatelldelikten ist ein Einigungsversuch bei der Schiedsperson vorgeschrieben. Erst wenn dieser nachweislich gescheitert ist, kann vor Gericht geklagt werden. Auch wenn die Gegenpartei zum Termin nicht erscheint, gilt die Schlichtung als gescheitert.
In Engelskirchen endet die fünfjährige Amtszeit der beiden Schiedspersonen. „Früher war es schwierig, jemanden zu finden“, sagt der Ständige Vertreter des Bürgermeisters, Norbert Hamm. „Das hat sich geändert. Heute beobachten wir ein größeres Interesse engagierter Personen.“ Für die Nachfolge in Engelskirchen seien drei Bewerbungen eingegangen. Über die Besetzung entscheidet der Rat im April.