Gummersbacher KünstlerKunstkabinett Hespert zeigt neue Arbeiten von Dieter Otten
Hespert – Dieter Otten versteht sich als Maler. Er arbeitet aber nicht mit dem Pinsel, sondern mit Kamera und Computermaus. Und das ist nicht der einzige Unterschied in seiner Herangehensweise an die Kunst.
Was dabei herauskommt, kann man im Kunstkabinett Hespert unter dem Titel „abend land“besichtigen. Derzeit sind es allerdings nur einzelne Besucher, die Franz Bodo Gerono, der Leiter der Reichshofer Galerie, durch die Räume des alten Schulhauses führen darf. Die Ausstellung, die er zusammen mit dem Gummersbacher Künstler Otten eingerichtet hat, der als Vizevorsitzender des Fördervereins zugleich ein Mitstreiter in Hespert ist, soll auch ein Hoffnungszeichen sein. Otten meint, er halte es da mit Luther, der ja noch einen Apfelbaum pflanzen würde, wenn der Weltuntergang bevorsteht.
Die religiöse Unterströmung ist eine der Besonderheiten, die Ottens „Fotografische Malerei“ ausmachen. Er schöpft oft aus dem reichen bildlichen und gedanklichen Fundus der Bibel. Er missioniert nicht, stellt aber nüchtern fest: „Der christliche Glaube ist eine Grundhaltung, aus der sich ein soziales Bewusstsein ergibt.“
Was Otten „Menschenliebe“ nennt, führt dazu, dass seine Bilder immer mit einem kräftigen Denkanstoß verbunden sind. Auf einem Werk von 2008 manövriert das Brandenburger Tor wie ein Ozeandampfer durch die Brandung des Berliner Holocaust-Mahnmals, und der Titel des Bild warnt auch noch: „Eisberg voraus“. Da sind die plakativen Ausrufezeichen von Vorgängern wie John Heartfield oder Klaus Staeck nicht mehr weit entfernt.
Zudem ergänzt Otten seine Bilder gern um kurze Gedichte. „Kunst muss mehr als Form sein“, ist seine Überzeugung. Die allgemeine Beliebigkeit in der Gesellschaft sei ein Problem, dem sich die Kunst entgegenstellen müsse. Seine Bilder sollen „die Zeit treffen“, sollen eine Begegnung ermöglichen. „Es geht doch darum, die Welt mit den Augen eines anderen zu sehen.“
Werke werden immer abstrakter
Dennoch: Otten will den Deutungsraum offen halten. „Natürlich gibt es die Gefahr, das Bild zu sehr zu verengen.“ In neueren Arbeiten werden seine Werke immer abstrakter, wirken geradezu wie gemalt. Ohnehin arbeitet er ganz anders als in der klassischen Collage üblich. So verwendet er nicht Vorgefundenes, sondern ausschließlich selbst aufgenommene Fotos. Diese werden am Rechner nachbearbeitet, arrangiert und geschichtet.
Manchmal folgt er einer Idee: „Man muss sich selbst zuhören können.“ Dann wieder leiten ihn die Motive. Ob Porréewurzel oder Gipsgebiss, Kölner Dom oder Hundert-Mark-Schein, alles erfährt eine Verfremdung, die zu einem ganz eigenen Surrealismus, manchmal bis zur Ungegenständlichkeit führt. „Mir geht es um die Lust am Bild, um die Freude am Gestalten. Aus Prosa wird Poesie.“
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Otten steht dabei die Virtuosität des Profis zur Verfügung, der noch immer gelegentlich als Werbefotograf arbeitet. Der gebürtige Essener hat als Kind viel vom fotografierenden Vater und der malenden Mutter gelernt. In den 1970ern begann er in Düsseldorf seine Laufbahn als Werbefotograf, später verantwortete er ganze Kampagnen.
Zwischen Kunst und Kommerz zu wechseln, ist für ihn kein Problem. Otten ist Konsumkritiker, aber kein Techniknostalgiker: „Die digitalen Möglichkeiten übertreffen die analoge Fotografie bei weitem. Die Effekte kann man alle am Rechner nachempfinden.“
Und obwohl seine Bilder vor allem im Großformat ihre Wirkung entfalten, nutzt Otten gerade in diesen Zeiten auch die Möglichkeiten des Internets. Auf seinem Portal www.art-otten.de lädt er die Besucher zum Blättern in einem digitalen Flipbook ein.