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Krawatten-ImportDer Oberberger kann auch mal auf den Schlips verzichten

Lesezeit 4 Minuten
Martin Ahmann steht vor einem Spiegel und bindet eine Krawatte.

Schwarz oder bunt? Bestatter Martin Ahmann aus Bergneustadt wechselt die Krawatte je nach Anlass.

Der Krawatten-Import sinkt. Auch in Oberberg ist das Kleidungsstück kein Muss mehr, wie vielerorts zu hören ist.

Geht es den Schlipsen an den Kragen? Das lassen jedenfalls Zahlen des Statistischen Bundesamts vermuten: demnach ist der Import von Krawatten nach Deutschland in den vergangenen zehn Jahren um zwei Drittel geschrumpft, der Export im selben Zeitraum um 60 Prozent. Sind die Krawatten, einst stolzes Symbol gepflegter Männlichkeit und tolerierter Farbtupfer im Anzugsgrau gar vom Aussterben bedroht?

Nein, nicht in Oberberg, widerspricht Torsten Müller, Inhaber des Herrenmodegeschäfts „Herr Müller“ in Gummersbach. Er beobachte vielmehr bei Kunden nach der Corona-Zeit mit Homeoffice, Jogginglook und Videokonferenzen das Bedürfnis , „sich wieder richtig schick zu machen“, und damit ziehe auch die Nachfrage nach Krawatten wieder an.

Krawatten-Trends: Schrilles geht gar nicht

„Selbstverständlich“ hält er ein vielfältiges Sortiment von Seidenkrawatten bereit, die er beim einzig verbliebenen deutschen Hersteller in Krefeld bezieht. Weder Saurier, Spiderman noch knallige Farben haben bei ihm eine Chance, sondern vor allem dezente Töne und Muster, rosa erscheint schon gewagt. „Schrilles geht gar nicht, ganz gleich wie die Mode gerade ist, die meisten Krawatten werden hier für festliche Anlässe gekauft.“ Etwa für Hochzeiten. Wenn als Dresscode „black tie“ gewünscht wird, da toppe die Krawatte den Smoking, während der elegante Herr bei „white tie“ eine weiße Fliege zum Smoking trägt, informiert die Wiehler Hochzeitsplanerin Gabriele Bunk.

Fliegen – oder Schleifen wie sie offiziell heißen – seien zur Zeit groß im Rennen, beim Bräutigam und bei den Gästen.   Gebe es für die Feier ein Farbkonzept, würden sie mit passendem Einstecktuch und Socken in der selben Farbe kombiniert. „Die Hochzeitsbranche ist jedenfalls nicht am Einbruch des Umsatzes der Krawattenindustrie schuld“, scherzt die Hochzeitsplanerin.

Sparkasse hat die Krawattenpflicht abgeschafft

Dann vielleicht die Banken? Für die Mitarbeiter der Sparkasse Gummersbach ist die Krawatte – im Sinne „einer positiven Atmosphäre und einem gesteigerten Wohlbefinden am Arbeitsplatz“ kein Muss mehr. „Auch wenn seit vielen Jahren keine Krawattenpflicht mehr besteht, erwarten wir von allen Mitarbeitenden, dass sie einen respektvollen Umgang mit der Kleiderordnung wahren“, heißt es dort.

Und in den Ämtern? „In Verbindung mit der Amtskette“ trage Gummersbachs Bürgermeister Helmenstein Krawatte, meint Stadtsprecher Siegfried Frank. Der Reichshofer Bürgermeister Rüdiger Gennies zieht „nicht jeden Tag eine an, sondern je nach Anlass“, zum Beispiel wenn er zu einer eisernen Hochzeit gratuliere. Über 30 Stück hat er im Schrank zur Auswahl, verrät er, „die haben sich über die Jahre angesammelt.“ In den Ämtern gebe es keinen Dresscode, da vertraue er auf die Mitarbeiter, „bisher ist noch keiner in kurzer Hose zur Arbeit gekommen.“

Heute posieren auch Führungskräfte ohne Schlips

„Selbst an den Messeständen sieht man immer weniger Krawatten“, hat Florian Pottrick, Sprecher der Marienheider Firma August Rüggeberg gerade auf der Eisenwarenmesse beobachtet. Vorbei die Zeiten, als Firmen-Jubilare noch eine Krawatte mit dem eingestickten Pferd-Logo geschenkt bekamen. Heute posieren alle, auch Führungskräfte, in Jeans, Sakko, weißem Hemd und weißen Turnschuhen vor dem Messestand. „Meine drei bis vier Dutzend Krawatten habe ich auf den Speicher verbannt“, gesteht Pottrick schmunzelnd.

Selbst bei Beerdigungen werde immer häufiger schon in der Anzeige die Bitte geäußert, „von Trauerkleidung abzusehen“, weiß der Bergneustädter Bestatter Martin Ahmann. Er selbst greift aber auch manchmal zur schwarzen Krawatte mit Windsor-Knoten, „es kommt darauf an, was gewünscht ist, bei einer Wald-Beerdigung passt es zum Beispiel nicht.“ Da trage er eine schwarze Hose, ein weißes Hemd mit Jackett oder Pulli.

Und privat? Da outet sich der 39-Jährige überraschend als Krawatten-Fan, der im Alter von zwölf Jahren seinen ersten Schlips „mit Snoopy drauf“ bekam, weil seine Mutter meinte, dass es sich für einen jungen Mann „so gehört“. Dreizehn weitere gesellten sich mit der Zeit dazu, „leger, locker und bunt“ teilen sie sich den Platz im Schrank mit den vier schwarzen, und kommen zum Einsatz, wenn Ahmann als ehrenamtlicher Standesbeamter im Bergneustädter Heimatmuseum ein Paar traut oder – ganz privat – mit Freunden einen „gepflegten Whiskeyabend“ veranstaltet.