Nach 80 Jahren weiß die Gummersbacherin Ursula Jaeger endlich, wo in Kroatien ihr Vater bestattet wurde.
Gefallener SoldatEin Ehering bringt eine Gummersbacherin auf die Spur ihres Vaters
„Wenn ich nächstes Mal komme, machen wir eine Radtour“, versprach Erich Pflitsch seiner kleinen Tochter Ursula, die zuvor das Radeln mit ihrem Großvater fleißig geübt hatte. Es herrschte Krieg, der Vater, stationiert in Kroatien, war nur kurz in Gummersbach, um die Familie zu sehen. Zur Radtour von Vater und Tochter kam es nicht mehr. Unteroffizier Erich Pflitsch fiel im Dezember 1944 im kroatischen Husain und wurde dort bestattet. Sein Tod hat sich nun zum 80. Mal gejährt, und diesmal konnte Ursula Jaeger zum ersten Mal zumindest den schmalen goldenen Trauring ihres Vaters in Händen halten.
Bei Umbettungen wurden Nachlässe gesichert
Denn zu ihrer großen Überraschung erreichte sie im vergangenen Sommer ein Brief des Berliner Bundesarchivs. Eine Mitarbeiterin der Abteilung Personenbezogene Auskünfte informierte die Familie, dass der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge bei Umbettungen ehemaliger Wehrmachtsangehöriger auf einen Friedhof in Zagreb-Mirogoj Nachlässe sichergestellt habe.
Darunter der Ehering des Niederseßmarers mit der Gravur des Datums der Eheschließung mit Rhena Pflitsch im Jahr 1936. Ursula Jaeger schildert den Moment, als sie den Brief öffnete, als eine Mischung aus größter Überraschung und Freude: „Wir hatten 1944 natürlich Nachricht erhalten, dass mein Vater gefallen war, wussten aber nicht, ob und wo eine Bestattung erfolgt war.“ Ursula Jaegers Bruder Klaus-Jürgen Pflitsch, der seinen Vater nie kennenlernen durfte, habe im Urlaub in Kroatien versucht, eine Spur von Erich Pflitschs Grab zu finden, sei aber nicht erfolgreich gewesen, berichtet Ursula Jaeger.
Nun hatte die Familie also endlich die Gewissheit, dass es ein Grab gibt und erkundigte sich bei der zuständigen Kriegsgräberfürsorge in Niestetal nach näheren Informationen. „Uns wurde gesagt, dass die Gräber bis heute von Ehrenamtlichen gepflegt werden. Das ist für mich ein sehr schöner Gedanke“, sagt die 88-Jährige. Sie erinnert sich an ihren Vater als einen zugewandten, stets um seine Familien besorgten Menschen, der versuchte, seinen Lieben so oft wie möglich etwas Gutes zu tun. In Deutschland war er als Soldat in einer Schreibstube eingesetzt und schickte, wann immer es machbar war, Päckchen nach Gummersbach. „Meine Mutter bekam Schuhe, ich, ein kleines Mädchen, ein Perlentäschchen“, blickt Ursula Jaeger zurück.
Ihre Mutter, Rhena Pflitsch, blieb nach dem Verlust ihres Mannes allein, bis sie 2008 im Alter von 94 Jahren verstarb. Sie kümmerte sich mit Unterstützung der Großeltern um ihre beiden Kinder und sorgte als Sekretärin für den Lebensunterhalt. „Sie war eine starke Frau, die für ihre Familie lebte“, beschreibt Ursula Jaeger ihre Mutter und sagt, dass sie diese Haltung von ihr und ihrem Vater gerne übernommen habe.
Aufwendige Ermittlungen
Manchmal sei bei ihrer Arbeit regelrecht kriminalistischer Spürsinn gefragt, sagt Birgit Wulf von der Abteilung Deutsches Reich (DR) im Bundesarchiv in Berlin-Tegel.
Die Ermittlung der Angehörigen von Erich Pflitsch habe einige Monate in Anspruch genommen, berichtet Wulf. Das lag unter anderem daran, dass die Mitarbeitenden des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge im Grab des Gefallenen in Kroatien zwar den Ehering, aber keine Erkennungsmarke gefunden haben. „Es wurde also ermittelt, welcher Truppenteil zu dem im Ring befindlichen Namen passt“, schildert Birgit Wulf die ersten Schritte der Recherche. Im Februar 1945 war der Sterbefall angezeigt worden. Eine Adresse der Ehefrau, Rhena Pflitsch, konnte ermittelt werden, schließlich wurden die Angehörigen in Gummersbach gefunden. „Wir fragen dann vorsichtig an, ob wir den Nachlass schicken dürfen. Nicht jede Familie möchte das“, erläutert Wulf.
Ein so positives Ergebnis wie bei Familie Jaeger gibt es gar nicht so häufig, erklärt Birgit Wulf: „Im Jahr 2022 wurde bei 279 Gegenständen versucht, den Besitzer zu identifizieren und noch lebende Angehörige zu ermitteln. Lediglich neun Gegenstände konnten übergeben werden. Im Jahr 2023 konnten in circa 400 Fällen 16 Übergaben von Gegenständen durchgeführt werden.“
Meist helfen dabei Verzeichnisse, in denen die Träger der Erkennungsmarken und ihre nächsten Angehörigen aufgelistet sind. Mit Hilfe der entschlüsselten Erkennungsmarke kann ein Soldat identifiziert und in ein persönliches Grab umgebettet werden. Sofern bei Bergungen auch Gegenstände wie Eheringe, Zigarettenetuis, Brillen oder kleine Glücksbringer aufgefunden werden, kommt der Abteilung DR die Aufgabe zu, diese Gegenstände noch lebenden Angehörigen auszuhändigen. „Es erfüllt uns jedes Mal, wenn wir die Familie eines Soldaten finden und einen Nachlass weitergeben können.“
Die Abteilung DR im Bundesarchiv unterstützt den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) und den Verein zur Bergung Gefallener in Osteuropa (VBGO) zudem bei der Vorbereitung von Umbettungen. Sie stellt Informationen zu Grablagen von einzelnen Gefallenen oder Verstorbenen, aber auch zu Lageorten der Kriegsgräberfriedhöfe zur Verfügung.