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„Musikalisch alles aufgesogen“Ernie Wirth und Michael Bielecke planen ihr Comeback in Gummersbach

Lesezeit 4 Minuten
Michael Bielecke (l.) und Ernie Wirth (r.) auf einem Plakat von 1970.

Michael Bielecke (l.) und Ernie Wirth (r.) auf einem Plakat von 1970.

Die beiden spielten Musik, waren in einer Band, gingen auf Tanzabende.

Die „Matte“ von Michael Bielecke, einst Dorn im Auge seiner Eltern, ist längst ebenso Vergangenheit wie die ersten zaghaften Versuche von Ernie Wirth, seiner Gitarre im heimisch.en Partykeller ein „Yellow Submarine“ zu entlocken. Vor 55 Jahren, während in Berlin Studenten auf die Barrikaden gingen, brachten sich die beiden Freunde gegenseitig erste Akkorde bei. „Wir waren die neue Generation, es war ein besonderes Lebensgefühl“, erinnern sich die Musiker. Damals waren sie 15, jetzt werden sie 70. Der runde Geburtstag ist Anlass für ein Konzert (siehe Kasten) und Gelegenheit zurückzublicken auf eine Zeit des Aufbruchs.

„1968 sahen wir die Demonstrationen in Paris, da wollten wir auch protestieren“, erzählt Bielecke, „Wir haben gestreikt, gegen die Preiserhöhung der Ovag und den Numerus Clausus. Wir haben dabei aber ganz brav im Hexenbusch gesessen und für die Schule gelernt.“

„Nach der letzten Lateinstunde haben wir auf dem Schulhof den Ovid auf dem Schulhof verbrannt.“
Ernie Wirth

Nur ein zarter Hauch von Aufbegehren zog durch das ehrwürdige Städtische Jungengymnasium. „Nach der letzten Lateinstunde haben wir auf dem Schulhof den Ovid auf dem Schulhof verbrannt“, fällt Ernie Wirth ein. Und im Gummerbacher Citycafé, vor dem besorgte Eltern ihre Töchter warnten, habe er es gewagt, sich neben zwei schwarze GIs zu setzen. „Die bewachten in Marienheide die Atomwaffen und waren froh, dass sie nicht in den Vietnamkrieg mussten.“ In seinem Schulenglisch habe er versprochen: „We will do better.“ Besser als die Generation der Eltern.

„Make love not war“ war Ende der 60er Jahre gar nicht so einfach in Gummersbach. „Ins Mädchengymnasium durften wir keinen Fuß setzen“, erinnert sich Bielecke. „Und im Tanzkurs saßen Mädchen und Jungen getrennt“, ergänzt Wirth. „Auf ein Kommando mussten wir den Raum durchqueren und ein Mädchen mit einer Verbeugung auffordern.“ Außer Walzer und Foxtrott lernten sie auch Beat zu tanzen, „da trat man dann von einem Fuß auf den anderen“.

Die süßen Jungs mit den Gitarren

Da waren die beiden Freunde musikalisch schon weiter. „Die Stones galten ja als die Bösewichte. Wir waren aber ganz lieb“, erinnert sich Ernie Wirth, „uns gefiel das Poppige der Beatles besser.“ Mit ihrer ersten Band Connection spielten sie auf Schulbällen und Jugendtanzabenden, „die fingen schon um 17 Uhr an“, berichtet Wirth und schmunzelt. Sie waren die süßen Jungs mit den Gitarren. „Einmal haben wir im Haus am Weiher sogar Autogramme gegeben, mit dem Filzstift direkt auf die Haut.“ Michael Bielecke entdeckte das Klavier und später das Keyboard für sich. Anfangs hätten die anderen Bands darüber gespottet: „Wir sind doch nicht in der Oper!“

Michael Bielecke reiste 1970 für zwei Wochen nach London. „Da hatte ich das Gefühl, jetzt bist du frei, jetzt wirst du erwachsen!“ Im Kino lief „Easy Rider“, da habe ihm ein Mädchen „Shit“ angeboten. „Ich wusste erst gar nicht, was die von mir wollte.“ Dope und Gras rauchten in Gummersbach die anderen. „Wir waren eher die Lambrusco-Fraktion“, meint Wirth, „an der Rebellion haben wir eigentlich immer nur geschnuppert.“ Ehe sie beide zum Lehramtsstudium, Englisch und Musik, wegzogen, ließ Bielecke sich vom Friseur am Schöppenstuhl die langen Haare abschneiden, packte sie in eine Plastiktüte und schenkte sie seiner Mutter.

Auch mit den Auftritten war erst einmal Schluss. Bis sie nach Oberberg zurückkehrten, Wirth als Lehrer an der Gesamtschule Derschlag, Bielecke als Leiter der Grundschule Müllenbach. Da flammte auch die alte Leidenschaft wieder auf: Mit Bands wie Baldenberg und der Ernie Wirth Band absolvierten sie zahlreiche Auftritte und produzierten vier CDs, auch mit eigenen Stücken. „Wir haben durch Jahrzehnte musikalisch alles aufgesogen“, stellt Ernie Wirth fest. Sie freuen sich auf das Jubiläumskonzert: „Wir spielen die Stücke aus der ganzen Zeit, die uns am besten gefallen.“


Ein Comeback

Das Konzert „Bieleckewirth 70“ am Donnerstag, 30. März, ist ausverkauft. Für das Zusatzkonzert am Freitag, 31. März, 20 Uhr, im Burghaus, in Bielstein gibt es noch Karten. Kontakt: wiehlticket@wiehl.de.

Für Michael Bielecke ist der Auftritt im Burghaus ein kaum noch erhofftes Comeback. „Einige werden sich wundern, dass ich nach meinen schweren Wirbelsäulen-OPs vor vier Jahren wieder auftrete. Und manche werden denken, alles ist wieder wie früher. Das ist leider nicht so“, sagt Bielecke. „Meine oft gerühmten ‚Magic Fingers‘ haben ihren Zauber verloren.“ Der Musiker freut sich dennoch: „Treue Freunde und Weggefährten bieten mir den Rahmen, meiner großen Leidenschaft weiter nachzugehen. Dafür bin ich unendlich dankbar. Und: Meine Stimme funktioniert noch immer!“ (ms)