Stephan Sulke („Uschi, mach kein’ Quatsch“) steht – mit Unterbrechungen – seit sechs Jahrzehnten auf der Bühne.
InterviewLiedermacher Stephan Sulke tritt am Freitag in Gummersbach auf
Herr Sulke, was zieht Sie immer nach Gummersbach?
Stephan Sulke: Erstens mag ich Martin Kuchejda (Leiter der Halle 32, d.Red.) sehr, weil er einer der wenigen Menschen in der Branche ist, der ein Gefühl für Qualität hat. Und zweitens mag ich die Landschaft drumherum. Ich habe da öfter mal Zwischenstopps eingelegt, ohne dass ich dort zu tun gehabt hätte.
Dann sind Sie hoffentlich nicht schockiert, wenn Sie die oberbergischen Höhen jetzt zu großen Teilen waldfrei erleben! Der Borkenkäfer hat hier ganze Arbeit geleistet.
Ich bin zu alt, um darauf zu reagieren. Das sind Naturphänomene, das ist so elementar. Wenn ich da nur lauter doofe Fichten hinstelle und keine einzige Nordmanntanne oder Buche dazwischen, dann hat so’n Käfer ja freie Fahrt. Das Gleiche haben Sie mit Kartoffelfeldern gehabt, mit Weizen. Das Gleiche haben Sie übrigens mit Menschen. Wenn Sie Millionen Menschen zusammenpferchen und dann kommt eine Pest oder ein Coronavirus, dann muss man sich nicht wundern, wenn die das alle schnappen.
Wo wir gerade über Aktuelles reden: 1981 haben Sie mit „Uschi“ klare Kante gegen Feminismus gezeigt. Gendert Stephan Sulke eigentlich?
Na, natürlich gendert der nicht! Aber wo wir schon bei Uschi sind: Uschi ist der absolute Knaller, der Beweis, dass wir in einer Zeit leben, in der die Toleranz wie die Gletscher weggeschmolzen ist. Wenn ich diesen Song heute rausbringen würde – das gäbe ein Hallo, der würde überall verboten werden. Aber damals ist das ein Riesen-Hit geworden, fast ein Volkslied, weil es in Wirklichkeit eine Hymne an die Frau, an das Frauliche ist.
Haben sich die Hörgewohnheiten verändert?
Ja. Durch die technische Revolution, die in den letzten Jahren im Kunstbereich stattgefunden hat, hat es einen kompletten Wandel gegeben. Die Schallplatte ist verschwunden, dann ist die CD verschwunden, dann ist Download verschwunden, jetzt gibt’s nur noch Streaming. Nächstens kommt die Künstliche Intelligenz und schmeißt alles um. Die Hörgewohnheiten junger Menschen sind so was von anders.
In meiner Generation, und ich sage das nicht wertend, sondern als Feststellung, hatten wir noch die handgemachte Musik als Basis. Nicht, weil wir das besser fanden, sondern weil es anders nicht ging. Sie brauchten eine gewisse Fingerfertigkeit, um Musik zu machen, und Sie mussten singen können. Das ist ja alles weg. Heute machen Sie den Computer an, drücken auf eine Taste, und dann macht der schon „Bumm-bum-bum“, dann müssen Sie nur noch ‚ne Gesangslinie drauflegen.
Wissen Sie eigentlich, ob Ihre Musik auf den üblichen Plattformen viel gestreamt wird?
Meine Zahlen sind lächerlich im Verhältnis zu dem ganzen HipHop-Krempel, aber da bin ich nicht der einzige. Das gilt auch für gigantische Stars, das gilt für Frank Sinatra, für den gesamten Jazz-Bereich. Aber ich sag‘ Ihnen klipp und klar: Streamen interessiert mich überhaupt nicht, und die neuen Sachen, die ich mache, werde ich nicht zum Streamen freigeben.
1977 haben Sie im Lied „Der Mann aus Russland“ hinter den Eisernen Vorhang geschaut und dort einen Menschen „wie ich und du“ entdeckt. Das Lied kann man heute unter ähnlichen Voraussetzungen wie damals in der Ära Breschnew im Kalten Krieg wieder hören – oder?
Das ist für mich ein Schock. Ich mache momentan wieder ein paar Konzerte, um zu gucken, ob ich das noch kann. Ich hab den Song da jetzt jedes Mal gespielt, habe aber eine Einführung dazu gegeben. Also ungefähr so: Dieser Song entstand in einer Zeit, in der ich ungefähr 50 Prozent der Leute vor den Kopf gestoßen habe und 50 Prozent gesagt haben: „Endlich mal einer, der das Ding beim Namen nennt.“
Der Song war bei meinem Publikum übrigens ein viel größerer Erfolg als Uschi. Dass das jetzt wieder so was von aktuell geworden ist, hat mich echt vom Hocker gehauen. Sie haben da eine Regierung, von der Sie wahrscheinlich sagen können, das sind alles Schwerverbrecher. Deren Verbrechen widersprechen allem, wofür wir stehen. Aber der Russe in der Kneipe und die Russin im Supermarkt – was können die dafür? Die haben das ja nicht gewählt.
Stephan Sulke (79) spielt am Freitagabend, 12. Mai, in der Halle 32, Steinmüllerallee 10, in Gummersbach. Seine aktuelle Tournee heißt „Bevor es zu spät ist“. Karten 30 Euro (plus VVK-Gebühr), Abendkasse 40 Euro. Einlass: 19.30 Uhr; Beginn: 20 Uhr.