AboAbonnieren

Start-up AccesstraGummersbacher beseitigen Barrieren mit KI

Lesezeit 4 Minuten
Das Bild zeigt (von links) Morris Schacht, Paul Strebinger, Robin Kraft und Karam Hayani vom Gummersbacher Start-up Accesstra.

Accesstra sind Morris Schacht, Paul Strebinger, Robin Kraft und Karam Hayani (v.l.), die zudem von Clemens Brachtendorf und Justin Penner unterstützt werden. Die Studenten vom Campus Gummersbach arbeiten an einem KI-Tool, um Barrieren auf Websites zu beseitigen.

Studenten des Campus Gummersbach der TH Köln arbeiten an einem KI-Tool, das Webseiten-Betreibern dabei hilft, barrierefrei zu werden.

In einem Jahr, Ende Juni 2025, tritt in Deutschland ein neues Gesetz mit dem sperrigen Namen „Barrierefreiheitsstärkungsgesetz“ in Kraft. Es verpflichtet deutsche Unternehmen zur Barrierefreiheit nach dem „European Accessibility Act“, und das betrifft dann auch zahlreiche Websites, die barrierefrei werden müssen (siehe Infokasten).

An dieser Stelle kommt das Gummersbacher Start-up Accesstra. Karam Hayani, Robin Kraft, Clemens Brachtendorf und Morris Schacht, vier Studenten der Medieninformatik, haben es sich zum Ziel gesetzt, ein Tool, dass den Betreibern der Websites dabei hilft, die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen.

Eigenes KI-Tool soll ChatGPT schlagen

Insgesamt gebe es mehr als 100 verschiedene Kriterien, die die EU vorgegeben hat und die – in nationales Recht umgewandelt – im nächsten Jahr für viele Websites vorgeschrieben sind. Neben Leichter Sprache und alternativen Beschreibungen sind das zum Beispiel die Verfügbarkeit in mehreren Sprachen oder die Wiedergabe von Farben und Kontrasten.

Der bekannte Chatbot „ChatGPT“ biete nicht für jede Frage eine gute Lösung, sind die Gummersbacher sicher – eben auch nicht bei der Umsetzung barrierefreier Webseiten. Das Gummersbacher Quartett hat sich zum Ziel gesetzt, ein eigenes KI-Tool, ein Werkzeug also, das auf Künstliche Intelligenz setzt, zu entwickeln und damit ihre Startup-Idee zu verfolgen.

Was manuell einen großen, mehrwöchigen Aufwand bedeutet, schafft eine KI deutlich schneller.
Karam Hayani, Accesstra

Dabei gehen sie zunächst von der Annahme aus, dass bislang nur die wenigsten Webseiten im Sinne des kommenden Gesetzes barrierefrei sind. Für viele Webseiten-Inhaber werde das zu einer großen Herausforderung, glauben die vier Studenten: „Was manuell einen großen, mehrwöchigen Aufwand bedeutet, schafft eine KI deutlich schneller: Zehn Seiten sind mit ihrer Hilfe an einem Tag machbar“, sagt Karam Hayani von Accesstra.

Gemeinsam mit seinen Kommilitonen arbeitet er an einem Tool, das automatisiert mindestens 60 Prozent der Barrieren in Websites erkennen und Lösungen vorschlagen soll.

„ChatGPT kennt die Regularien nicht. Wir wollen unser Tool auf diese trainieren und sehr gute Lösungen entwickeln, und zwar für möglichst alle Barrieren“, erklärt Hayani. Zwar gebe es Lösungsansätze von Konkurrenzprodukten, doch sei deren Trefferquote gering.

Gerade bei der Wiedergabe von Farben und Kontrasten auf Websites könnte eine manuelle Umsetzung schnell an ihre Grenzen kommen: „Visuelle Fehler oder die unzureichende Wiedergabe der Kontraste sieht man als Anwender nur, wenn man auch gezielt danach sucht“, ist Hayani sicher.

Für die Studenten ist das Projekt eine lohnenswerte Start-up-Idee, die sie noch ernsthafter verfolgen, seit sie die Einladung erhielten, am AI-Start-Programm des „Campus Founders“ teilzunehmen, schreibt jetzt die TH Köln in einer Pressemitteilung. Zwar war das Programm inhaltlich stark auf ChatGPT zugeschnitten und ein Großteil der vermittelten Inhalte war deshalb für die angehenden Medieninformatiker ein alter Hut, weil Teil ihres Lehrstoffs. Aber die vier Wochen seien dennoch eine großartige Erfahrung gewesen.

Zum Start-up-Treffen nach Heilbronn

50 Start-ups aus ganz Europa waren in Heilbronn zusammengekommen, wohnten gemeinsam, tauschten sich aus über ihre Gründungsideen aus und gaben sich gegenseitig Feedback zu den Konzepten und Herangehensweisen. Außerdem erhielten alle Teams sogenannte Business-Angels als Coaches, erhielten Pitch-Trainings und Beratung zu Förderprogrammen.

Wer das war, wollen die Gummersbacher nicht verraten, das Coaching sei vertraulich gewesen. Aber zusätzlich haben die vier an einem Workshop mit Marc Raben teilgenommen, dem „Chief Technology Officer Middle & Eastern Europe“ beim deutschen Softwareriesen SAP. Karam Hayani blickt sehr zufrieden auf Heilbronn zurück: „Wir haben dort große Bestätigung für unsere Idee bekommen.“

Am Campus Gummersbach wird das Team Accesstra durch die StartUp-Box (Leitung: Professorin Monika Engelen) betreut, mit der die TH Köln am Campus Gummersbach Studierende mit vielversprechenden Gründungsideen unterstützt.

Accesstra sind Teil des Microsoft for Startup Founders Hub.


Zum neuen Gesetz

Viele Webseiten müssen barrierefrei werden. Beispiele für Produkte, die dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz unterliegen, sind etwa Computer, Tablets und Handys, Fernsehgeräte mit Internetzugang, E-Book-Reader, Automaten (wie Geld- und Ticketautomaten), sowie Router, zählt beispielsweise die „Aktion Mensch“ auf ihrer Website auf.

Zu Dienstleistungen zählen neben dem Personenverkehr auch Telefon- und Messenger-Dienstleistungen sowie Leistungen im elektronischen Geschäftsverkehr. Viele Websites fallen ebenfalls unter diese Kategorie, „insbesondere natürlich Webshops, aber auch andere Dienstleistungen wie Kontaktformulare und Terminbuchungsmasken“, heißt es bei Aktion Mensch.

Es gibt auch Ausnahmen vom neuen Gesetz. Kleinunternehmen seien von den Anforderungen des BFSG ausgenommen, heißt es bei Aktion Mensch. Dazu zählten Unternehmen, die weniger als zehn Beschäftigte haben oder einen Jahresumsatz beziehungsweise eine Bilanzsumme von höchstens zwei Millionen Euro haben.