Gummersbacher Künstlergruppe mit PerformanceDie Pandemie ist ein absurdes Märchen
Gummersbach – „Am Anfang ist es immer am Schönsten“, sagt die Frau auf der Bühne. Sie erinnert sich an ihre Kindheit, als sie ein glückliches Mädchen mit dunklen Zöpfen war: „Der Himmel wirkt so weich und zart, dass man es kaum noch aushält.“ Der Kontrast könnte nicht größer sein, als ein Gastwirt in piekfeinem Anzug auftritt und an einem Stehtisch alles für einen Sektempfang vorbereitet. Vor dissonanter Klangkulisse füllt er die Gläser akribisch auf die gleiche Höhe– doch keiner der erwarteten Gäste kommt.
Die nostalgische Frau wird von Heike Bänsch gespielt. Die Engelskirchenerin führte auch Regie bei der Performance „Vibrationen“, die am Samstagabend per Livestream aus der Gummersbacher Halle 32 übertragen wurde. Ihre Leitfrage: „Wie geht es den Menschen in der Corona-Zeit?“ Eine Antwort hat sie zunächst mit dem Musiker Nico Walser und den Tänzer Volker Wurth gesucht, in Corona-Zeiten natürlich auf Distanz, indem jeder ein Video an die anderen geschickt habe.
„Künstler und ihre Arbeit sind Teil der Gesellschaft“
Die Schwingungen, die sie bei sich wechselseitig auslösten, wurden wiederum aufgezeichnet. Die zwölf Videos mit dem Titel „Vibrationen“ waren schließlich Grundstock eines Performance-Projekts. Unterstützung bekam Bänsch vorigen Herbst vom Landesministerium für Kultur und Wissenschaft in Form eines mit 7000 Euro dotierten Stipendiums und durch den Engelskirchener Verein Engelsart. Die Clownin Kristin Kunze, der Gummersbacher Sänger und Gitarrist Philipp Astor, seine Frau, die Bewegungskünstlerin Meike Astor und der Schauspieler Kai Mönnich wurden mit ins Boot geholt.
„Künstler und ihre Arbeit sind Teil der Gesellschaft“, sagt Heike Bänsch. „Doch in Corona-Zeiten geschieht vieles leise und unsichtbar.“ Daran wollte sie mit ihrem Projekt etwas ändern. „Ursprünglich war die Aufführung im Baumwolllager in Engelskirchen geplant“, erzählt die Regisseurin. Doch das sei wegen der Pandemie nicht möglich gewesen. Sehr dankbar ist sie daher Martin Kuchejda und dem Team der Halle 32, dass das Projekt in Gummersbach umgesetzt werden konnte. Alle Beteiligten brachten ein negatives Testergebnis mit. Für das Streaming sorgte ein Veranstaltungstechnikunternehmen aus Hilden. Mittels eines Videomixers wurden die Signale von zwei Kameras und das vorproduzierte Material von Kai Mönnich zusammengemischt und als Zoom-Stream übertragen.
Gespräche mit Covid-Mutanten
Eindrucksvoll wirkt Mönnichs Eingangssequenz auf der großen Videoleinwand, die mit einer Drohne aus großer Höhe senkrecht nach unten gefilmt wurde. Zu Walsers Musik rücken Picknickdecken auf einer Frühlingswiese immer näher zusammen, bis sie von den Darstellern und einem Ring aus Poolnudeln umringt werden. Dann bricht der Kreis auseinander, die Schauspieler wenden sich ab und distanzieren sich voneinander, während sie die zu einem „V“ geknickten Schaumstoffrollen vor sich her tragen.
Vor rund 120 zahlenden Online-Zuschauern spielt Kristin Kunze im Clownskostüm als Rotkäppchen mit stacheligen Covid-Mutanten, bis Meike Astor als Wolf verkleidet sie holen kommt. Philipp Astor und Nico Walser singen und spielen gemeinsam mit Gitarre und Mandoline „Die Räuber sind im Land, sie rauben den Verstand“, Volker Wurth tanzt seinen Kampf mit der Gesichtsmaske. Geheimnisvoll ertönt Bänschs Lied „Wie ein Dieb in der Nacht“.
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„Kurz vor Pfingsten soll die Performance noch einmal zu sehen sein“, kündigt Bänsch an. „Ich hoffe, dass dieses Stück die Zuschauer dazu inspiriert, ihre eigenen Ausdrucksmöglichkeiten für die jetzige Situation zu finden.“ Hoffnung zeigt auch das Ende der Performance: Die Anfangssequenz läuft rückwärts, die Darsteller nähern sich wieder an und treffen sich gemeinsam in einem geschlossenen Kreis – ohne Distanz.