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Kitzrettung aus der LuftTierschutz mit dem fliegenden Auge

Lesezeit 3 Minuten

Markus Pieper steuert die Drohne, Elke Eisbach und Lucia De Giovanni haben auf dem Monitor ein Tier entdeckt. Wenn sie nicht selbst wegspringen, werden die Jungtiere vorsichtig vor dem Mähdrescher in Sicherheit gebracht.

Heddinghausen – Es ist noch früh am frühen Samstagmorgen. Markus Pieper steht an einem Feld zwischen den Nümbrechter Ortschaften Göpringhausen, Oberelben und Heddinghausen. Er bewegt den Joystick mit ruhiger Hand. Die Fernbedienung steuert eine Drohne in gut 30 Metern Höhe. Mit einer Wärmebildkamera ausgerüstet, erkennt sie selbst feinste Temperaturunterschiede am Boden. Plötzlich hält Pieper inne – eine als warm angezeigte Kontur könnte auf ein Rehkitz hindeuten, das sich im hohen Gras versteckt hält.

Pieper lässt die etwa ein Kilogramm schwere Drohne sanft herabschweben, um sich das Ganze genauer anzusehen. Fehlanzeige – es war nur ein großes Krautbüschel, das von der Sonne erwärmt wurde und schon eine höhere Temperatur angenommen hat als die umgebende Wiese. Zur Sicherheit schaltet der Pilot von Infrarot auf Normalsicht um, denn es könnte immer noch sein, dass sich darin ein kleines Kitz versteckt hält. Nachdem er das ausgeschlossen hat, lässt er die Drohne wieder steigen und fliegt die Wiese weiter ab in regelmäßigen Bahnen von etwa 40 Metern Abstand.

Rehkitz flieht in den Wald

„Da ist was“, rufen plötzlich Elke Eisbach und Lucia De Giovanni nahezu gleichzeitig. Die beiden Gründungsmitglieder des Vereins „Werde KitzretterIN“ beobachten den Zweitbildschirm, damit sich Pieper auf das Fliegen der Drohne konzentrieren kann. Die Frauen streifen sich Handschuhe über und nehmen einen Korb mit auf die Wiese für den Fall, dass das Kitz noch sehr klein ist.

Mähdrescher stellen eine große Bedrohung für Rehkitze dar.

Um den Zielpunkt zu markieren, lässt der Drohnenpilot das Fluggerät in etwa 15 Metern Höhe über dem Kitz reglos in der Luft stehen. Auch als sie nur noch drei Meter entfernt sind, können sie das Tier nicht sehen – bis es aufspringt und in den nahen Wald flüchtet. Eisbach und De Giovanni sind erleichtert. Wieder ein Kitz vor dem Mähtod gerettet.

Eine Drohne oft nicht genug

Derweil sucht ein Team um den Wuppertaler Jagdpächter Dr. Yorck Jung die Nachbarwiese mit Stöcken auf herkömmliche Weise ab. Mit nur einer Drohne seien ansonsten die rund 20 Hektar Wiese, die am Samstag bei strahlend blauem Himmel gemäht werden sollen, nicht zu schaffen, schildert Jung, dessen Großvater schon vor 65 Jahren das Gebiet um Heddinghausen betreut hat.

Ein junges Rehkitz, umwickelt von Gras.

Zur Unterstützung der anstrengenden Arbeit der Kitzretter in dem hohen Gras hat er für ein reichhaltiges Frühstück mit Backwaren, Obst und Kaltgetränken gesorgt. Bis dahin hat die Mannschaft auf einem Viertel der Gesamtfläche bereits drei Ricken und vier Kitze vor einem unfreiwilligen Kontakt mit dem Mähwerk bewahrt.

Drohne morgens und abends am effektivsten

Vereinsvorsitzende Angelika Bonsch berichtet, dass die rund 7000 Euro teure Drohne morgens bereits ab vier Uhr und dann wieder abends bis etwa 23 Uhr unterwegs ist. Tagsüber sei es aufgrund von Thermik und geringeren Wärmeunterschieden schwieriger, die Tiere damit auf der Wiese auszumachen.

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Seit 2019 sind die Kitzretter unterwegs, seit vorigem Jahr als eingetragener Verein mit einer Drohne und vier Piloten. In diesem Jahr konnten sie bei rund 60 Einsätzen schon etwa 80 Rehkitze retten. Der Bedarf sei allerdings bei Weitem nicht gedeckt, es würden noch unzählige Tiere vermäht, bedauert Bonsch: „Um mehr Tieren helfen zu können, brauchen wir eine zweite Drohne und noch viele Freiwillige.“