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Integrationsprojekt in GummersbachMit Fäusten gegen Aggression

Lesezeit 3 Minuten

Von Trainer Artur Wiebe (r.) lernen die Vereinsmitglieder die Grundlagen und Finessen verschiedener Kampfsportarten.

Friedrichstal – Mit einem wortwörtlich handfesten Projekt will Ismail Celik etwas tun gegen Rassismus, Fanatismus und Intoleranz. Der 36-Jährige hat einen Verein ins Leben gerufen und eine Kampfsportschule gegründet. Seit einem Vierteljahr schon trainieren im „Fightclan 16“ in einer umgebauten Fabrikhalle in Gummersbach-Friedrichstal inzwischen 54 Vereinsmitglieder Boxen, Thai-Boxen und Selbstverteidigung. Am Wochenende war Tag der offenen Tür.

Wie viele andere Sportvereine auch, setzt sich auch der Fightclan gegen Rassismus und für die Integration seiner ausländischen Mitglieder ein. Es werden nicht nur Schlagfolgen geübt und gegen Sandsäcke getreten, sondern es wird auch viel geredet. Erleben die Sportler selbst Diskriminierung und Gewalt in ihrem Alltag? Wie gehen sie damit um? Welche Probleme haben sie, in welche Konflikte sind sie geraten? Der Meinungs- und Erfahrungsaustausch ist den Initiatoren besonders wichtig und gehört zum Trainingsritual. Integration statt Aggression ist der Leitgedanke. Deutsche, Kurden Türken, Russen, die Aktiven kommen aus vielen Ländern. Warum der Türke so tickt, der Deutsche anders und der Russe wiederum anders, wissen die wenigsten. Etliche haben einen schwierigen Lebensweg hinter sich, es fehlt an Arbeit, Geld, sozialem Halt.

In Fightclan wollen Vereinsgründer Ismail Celik (l.) und Gewerkschaftssekretär Haydar Tokmak Kampfsport und politische Aufklärung miteinander verbinden. 60 Mitglieder hat der neue Club schon.

Im Fightclan trainieren Jungen, Mädchen, Erwachsene, ganze Familien. Wer es sich nicht leisten kann, braucht keinen Beitrag zu zahlen. Mit dem Anderssein des anderen umzugehen, ist das Wichtigste. Niemand ist besser als der Andere; dessen Meinung muss ich nicht teilen, aber tolerieren.

Nicht jedem der meist jugendlichen Sportler will das einleuchten. Celik und der 2. Vorsitzende, IG-Metall-Gewerkschaftssekretär Haydar Tokmak, der auch sachkundiger Bürger für die SPD im Gummersbacher Stadtrat ist, sind gut vernetzt in den sozialen Medien. Stoßen sie dort auf rassistische fanatische Äußerungen von Vereinsmitgliedern oder sogar Drohungen gegen andere, wird mit den Verfassern gesprochen. Wer partout uneinsichtig bleibt, wird ausgeschlossen. Das ist schon vorgekommen.

Einen Teil seiner Ersparnisse hat er in den Club gesteckt

„Wir leben in einem so tollen Land, das jedem so viele Chancen bietet. Es ist nicht einzusehen, dass junge Leute dies nicht erkennen und nutzen.“ Ismail Celik ist Kurde und weiß, wovon er spricht. Er war noch keine zehn, als er mit seinen Eltern nach Deutschland kam. Heute ist der Familienvater Vertrauensmann der IG Metall bei der Wiehler Achsenfabrik, seine Familie betreibt in Wiehl eine Pizzeria. Einen Teil seiner Ersparnisse hat er in den Club gesteckt, aber auch Sponsoren gefunden.

Aber warum ausgerechnet Kampfsport gegen Aggressionen? Celik kennt die Frage schon, er selbst hat viele Jahre geboxt: „Wer sich wehren kann, ist selbstbewusst. Der hat es gar nicht mehr nötig, anderen zu beweisen, was er draufhat. Er kann sich selbst verteidigen und vor allem kann er anderen helfen, wenn die in Not geraten.“ Celik und Tokmak sind überzeugt, dass Sport ein natürlicher Feind der Aggression ist und dass Fair Play zu einer natürlichen Lebenshaltung werden kann.

Ihren Verein wollen sie möglichst gut vernetzen. Das Zusammenwirken von Unterstützern aus Politik, Wirtschaft, Medizin, Medien und Einzelhandel soll helfen, den Vereinsmitgliedern möglichst viele Perspektiven zu eröffnen, in Arbeit und Ausbildung zu kommen. Kontakte zu „Oberberg ist bunt – nicht braun“ gibt es bereits. Fightclan-Trainer Artur Wiebe drückt es so aus: „Man hat immer eine Perspektive, wenn man nicht aufgibt.“