Jüngste Ratsherren der Stadt Gummersbach„Mitwirken, dass sich was ändert“
- Diyar Agu (Die Linke) und Bastian Frölich (CDU) sind neu im Gummersbacher Rat und die jüngsten Mitglieder.
- Die Beiden sprechen nach ihrer ersten Ratssitzung über die gesammelten Eindrücke, ihren Weg in den Rat und das, was sie dort in den kommenden fünf Jahren erreichen möchten.
- Ein Interview.
Gummersbach – Herr Agu, Herr Fröhlich, wie haben Sie Ihre erste Ratssitzung erlebt?
Bastian Frölich: Es war ein schönes Gefühl, verpflichtet zu werden. Auch wenn es etwas merkwürdig war, dass wir Neuen die Verpflichtungsformel wie im Chor aufsagen mussten und der persönliche Händedruck des Bürgermeisters im Hinblick auf Corona ausblieb. Dennoch war er etwas Besonderes.
Diyar Agu: Das kann ich nur bestätigen, zumal ich zu Beginn für die FDP die Glücksfee spielen durfte und für sie den Sitz in der Kult GM gezogen habe, der per Losentscheid vergeben wurde. Meine erste Ratssitzung war es allerdings nicht. Die habe ich während meines Schülerpraktikums bei der Stadt miterleben dürfen. Selbst zum ersten Mal mit abstimmen zu dürfen, war aber noch einmal etwas ganz anderes.
Waren Sie im Vorfeld der Sitzung aufgeregt?
Frölich: Obwohl ich wusste, was auf mich zukommt, war ich natürlich auch etwas nervös. Durch meine Ausbildung und Tätigkeit im Öffentlichen Dienst wusste ich ja, wie so eine Sitzung abläuft. Allerdings erfüllt einen so ein Moment auch mit Stolz.
Agu: Tatsächlich war die Freude größer als die Nervosität. Es war ja nicht meine erste politische Veranstaltung, sodass ich mich auf meine erste Ratssitzung tatsächlich freuen konnte.
Warum haben Sie sich in Sachen Ehrenamt ausgerechnet für die Politik entschieden?
Agu: Bei mir fing das relativ früh an, da ich Sohn kurdischer Einwanderer bin und früh mit türkischen Repressionsmaßnahmen konfrontiert war. Mit 13 Jahren gab es dann diesen Knackpunkt, wo ich mein Blickfeld erweitert und geschaut habe, was auf der Welt falsch läuft. Gerade wirtschaftspolitisch ist auf der Welt einiges im Argen und ungerecht verteilt, sodass ich mich entschieden habe, selbst politisch aktiv zu werden, um denen zu helfen, die sich selbst nicht verteidigen können. In meinen Augen verkörpert die Linke am ehesten die Ideale, für die auch ich eintreten möchte. Los ging es dann mit einem Schülerpraktikum, ehe ich in die Partei eingetreten bin, um selbst daran mitzuwirken, dass sich was ändert.
Das könnte Sie auch interessieren:
Frölich: „Nicht meckern, sondern machen“, war auch meine Motivation. Bei mir ging es vor der Bundestagswahl 2013 los, also noch zu Schulzeiten, als mir im Geschichtsunterricht deutlich wurde, wie wenige Menschen tatsächlich Parteimitglied sind, von denen außerdem nicht alle aktiv mitarbeiten. Weil in meinen Augen ein Stadtrat auch die Gesellschaft widerspiegeln sollte, braucht man dort auch jüngere Leute. Dazu brauchen wir natürlich lebenserfahrene Mitglieder. Als CDU haben wir in Gummersbach jetzt eine ganz gute Mischung im Rat.
Politik ist als Ehrenamt so systemrelevant wie die Freiwillige Feuerwehr, hat aber ein großes Imageproblem. Woran liegt es?
Agu: Das größte Problem in meinen Augen ist, dass die Menschen tatsächlich den Glauben verloren haben, dass sich etwas ändert. Generell sind die Möglichkeiten, kommunalpolitisch etwas zu bewegen, gering. Das sorgt für Frust und Desinteresse, weil die Veränderungen so schwerfällig sind. Das spiegelt sich am Ende auch in der Wahlbeteiligung wider. Und die Enttäuschten, die sich Thomas Hein als Bürgermeister in Gummersbach gewünscht hätten, sind gar nicht erst zur Wahl gegangen, weil sie nicht gesehen haben, dass sich in der Kommunalpolitik etwas verändert, was zu verändern ist. Unsere Aufgabe wird es sein, dem Bürger zu zeigen, dass auch wir was ändern können, beispielsweise im Bereich der Mobilität.
Frölich: Die, die nicht wählen gehen, dürfen sich am Ende aber nicht beschweren. Ich würde mich auch freuen, wenn die Wahlbeteiligung deutlich höher wäre. Da sehe auch ich einen Ansporn drin, dass die bei der kommenden Wahl deutlich höher sein muss. Es kann nicht sein, dass so viele Leute von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch machen. Wenn sie sich über die aktuelle Situation aufregen, sollen sie andere Personen wählen.
Bastian Frölich
Alter: 24Geboren in: EngelskirchenBeruf: VerwaltungsbeamterPolitische Laufbahn: stellvertretender Mitgliederbeauftragter der CDU Gummersbach, Beisitzer im Vorstand der CDU Gummersbach
Agu: Es allerdings auch die Aufgabe von Politik, die Menschen abzuholen. Wir müssen sie überzeugen. Dass die Linke die Menschen nicht mobilisieren konnte, sehe ich auch als meine Schuld mit an.
Frölich: Im Wahlkampf habe ich gemerkt, dass wir mehr die Kommunalpolitik in den Vordergrund rücken müssen, damit zumindest auf dieser Ebene den Bürgern die Verdrossenheit genommen wird.
Wie kam es zu Ihrer Kandidatur?
Frölich: Interesse bestand bei mir schon vorher, doch tatsächlich bin ich von CDU-Vizebürgermeister Jürgen Marquardt angesprochen worden. Das hat mich gefreut und ich habe gleich zugesagt. Rückblickend muss ich aber sagen, dass ich unterschätzt habe, wann so ein Prozess bereits beginnt.
Agu: Nachdem ich drei Jahre in Aachen gelebt habe, bin ich Anfang des Jahres wieder nach Gummersbach gezogen. Ich war allerdings schon in der Vergangenheit Ortsverbandssprecher der Linken in Gummersbach, sodass ich nach meiner Rückkehr gefragt wurde, ob ich als Spitzenkandidat für die Linken kandieren will. Ich bin Gummersbacher und hier fest verwurzelt, sodass ich das sehr gerne gemacht habe. Das soziale Engagement, das ich bereits zu Schulzeiten begonnen habe, im Stadtrat fortführen zu können, war für mich ein Riesenanreiz.
Wie bekommen Sie Politik und Beruf unter einen Hut?
Frölich: Da werden andere Sachen ein Stück weit zurückstehen müssen. Dann wird man Familie und Freunde etwas seltener sehen. Da wird man eine gewisse Balance finden müssen.
Diyar Agu
Alter: 21Geboren in: GummersbachAusbildung: Student an der RWTH Aachen im Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen (Maschinenbau)Politische Laufbahn: 2016-2017: Sprecher der Partei Die Linke in Gummersbach, 2017: Bundestagskandidat, 2018-2020: Sprecher der Linken in Aachen, 2020: Kreisvorstandsmitglied der Linken in der Städteregion Aachen, seit 2018: Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Frieden und Internationale Politik Die Linke NRW
Agu: So wie andere Menschen im Verein aktiv sind, ist Politik ja auch ein Hobby, dem ich gerne nachgehe. Ich sehe es voll im Einklang mit meinem Studium an der RWTH Aachen. Manchmal wird man sicherlich zurückstecken müssen, auch privat.
Welche Vorbilder haben Sie in der Politik?
Frölich: Wolfgang Schäuble, weil er immer darauf geachtet hat, dass das Geld, das ausgegeben wurde, auch irgendwo hergekommen ist. Er ist dieser Linie immer treu geblieben, aber auch sich selbst.
Agu: Zum einen ist da Gregor Gysi, der mich 2013 davon überzeugt hat, dass die Linke meinen Idealen entspricht, was den Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit angeht. Zum anderen ist das die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, bei der ich ein Praktikum absolvieren durfte. Ihre Bodenständigkeit und Standfestigkeit bewundere ich.
Was wollen Sie persönlich nach Ablauf der kommenden fünf Jahre als Stadtratsmitglied erreicht haben?
Agu: Mir ist es ganz wichtig, wieder bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Ich sehe hier großen Handlungsbedarf. Auch durch die Corona-Pandemie verfügen viele Menschen über weniger Geld, sodass sie Wohnraum brauchen, den sie sich leisten können. Wohnraum ist ein Menschenrecht. Jeder sollte die Möglichkeit bekommen, ein Dach über dem Kopf zu haben.
Frölich: Mein Ziel ist, dass die Leute in fünf Jahren noch öfter sagen, dass sie gerne in Gummersbach leben. Da gibt es sicherlich viel zu tun. Gummersbach ist aktuell die familienfreundlichste Stadt in NRW. Mich würde es freuen, wenn das so bliebe.