Kita-PreisHackenberger Kita ist im deutschlandweiten Finale
Hackenberg – Simon macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt. An diesem Nachmittag ist dem Fünfjährigen nach Basteln. Mit weiteren Kindern werkelt er im Atelierbereich der Kita an der Ackerstraße im Bergneustädter Stadtteil Hackenberg. Er sitzt am Tisch und formt Figuren aus Knete, Kita-Leiterin Anja Böddecker schaut ihm ein paar Minuten lang zu. „Und Simon, was würdest Du denn hier im Kindergarten verändern?“, fragt sie den Jungen nach einer Weile. „Nix“, sagt Simon: „Mir gefällt hier alles!“
Das Lob der Kinder ist Böddecker am wichtigsten, doch schon bald könnte ihre Kita auch von Erwachsenen ausgezeichnet werden. Die von der Johanniter-Unfall-Hilfe getragene Einrichtung hat es beim Deutschen Kita-Preis von bundesweit mehr als 1400 Bewerbern unter die besten Zehn geschafft. Anfang Mai wird verkündet, welche Finalisten mit Preisgeldern bedacht werden (siehe Kasten).
Wöchentlich tagt die Kinderkonferenz
Dass es die Kita Ackerstraße so weit geschafft hat, ist für Anja Böddecker Lohn für eine mutige Entscheidung: Vor zwei Jahren begann sie mit ihren Mitarbeiterinnen, die Strukturen in der Kita grundlegend zu verändern. Bis dahin lief’s an der Ackerstraße wie in den meisten deutschen Kitas: Jede Kindergruppe hatte ihren eigenen Raum und ihre eigenen Erzieherinnen.
Jetzt sind die 40 Kinder im Alter zwischen zwei und sechs Jahren nicht mehr aufgeteilt, erklärt Böddecker: „Die Gruppen gibt’s nicht mehr, wir bespielen das ganze Haus. Unser Motto lautet: Jedes Kind entscheidet selbst, wie es den Tag gestalten möchte.“ Die anfängliche Skepsis vieler Eltern sei längst in eine breite Zustimmung umgeschlagen, erzählt Böddecker. Mutter Sandra Brunert sagt über ihren Sohn Simon: „Er ist wesentlich selbstständiger, kreativer und selbstbewusster als mein erster Sohn in diesem Alter.“
Was die Kita Ackerstraße macht, ist keine neue Erfindung – wird aber offenbar nach Meinung der Preisstifter recht gut umgesetzt. Offene Arbeit nennt sich das pädagogische Konzept, das den Bedürfnissen der kleinen Kinder besser Rechnung tragen soll. Offen sind zum einen die Räume: Ein früherer Gruppenraum ist nun das Atelier zur künstlerischen Entfaltung, der andere der Konstruktionsbereich, in dem mit Klötzen, Magneten, Murmeln und vielen anderen Materialien experimentiert werden kann. Den Kindern steht es offen, womit sie sich beschäftigen. Sie können auch mit Erziehern in den angrenzenden Wald gehen, sich vorlesen lassen, tanzen und einiges mehr.
In einer Kinderkonferenz, die wöchentlich tagt, teilen die Kita-Besucher ihre Wünsche für die Woche mit. Diese Art Betriebsversammlung wählte zudem das Kinderparlament: Das Gremium aus vier Jungs und Mädchen verhandelt regelmäßig mit den Erziehern übers Kita-Programm. Vor Weihnachten entstand so ein Protokoll, in dem etwa Backen und Schlittenfahren als verbindliche Punkte festgehalten wurden. Böddecker: „Auch dabei geht’s um Respekt vor den Wünschen der Kinder.“
Ein Baustein dieser Wertschätzung sei auch die Marte-Meo-Methode, erklärt Böddecker – und demonstriert es an einem behinderten Jungen, der auf einem Roller durch den Flur fährt. Sie spricht den Jungen an, wie toll er das macht, und lenkt die Aufmerksamkeit der anderen Kinder auf ihn. „Wir benennen das, was das Kind kann – und schauen nicht auf die Schwächen.“
Der Deutsche Kita-Preis
Mehr als 1400 Kitas und kommunale Bündnisse aus ganz Deutschland hatten sich im Frühjahr 2017 für den Kita-Preis beworben. Die Johanniter-Kindertagesstätte Ackerstraße in Bergneustadt-Hackenberg ist einer der zehn Finalisten.
Die neun weiteren kommen aus Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein (je 1) und Berlin (2), und zwei weitere ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen (Paderborn und Hamm).
Die Auszeichnung ist eine gemeinsame Initiative des Bundesfamilienministeriums und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, in Partnerschaft mit der Heinz und Heide Dürr Stiftung, der Karg-Stiftung und dem Didacta-Verband. Ziel der Preisstifter ist es, Engagement für gute Qualität in Kitas und für Kitas sichtbar zu machen und zur Nachahmung anzuregen.
Von den zehn Finalisten erhalten nur fünf eine Auszeichnung. Der Erstplatzierte bekommt 25 000 Euro, die vier Zeitplatzierten werden mit je 10 000 Euro ausgezeichnet. Bevor die Preisträger am 3. Mai in Berlin bekanntgegeben werden, begutachten Experten-Teams der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und des Berliner Kita-Instituts für Qualitätsentwicklung die zehn Finalisten vor Ort. Bei den zweitägigen Besuchen werden auch eine Gruppendiskussion mit Erzieherinnen, Interviews mit der Kita-Leitung und dem Träger sowie Elterngespräche geführt.
Wer die Auszeichnung erhält, entscheidet eine unabhängige Jury. Ihr Urteil wird durch eine Online-Abstimmung ergänzt: Ab März werden alle Kita-Finalisten auf der Homepage der Zeitschrift „Eltern“ vorgestellt. Dann kann jeder Internetnutzer seine Stimme abgeben. (ag)