Kurzer AnreiseCampingplatzchefin weiß, wie man Touristen nach Oberberg lockt
- Der Campingplatz profitiert vom Trend zur heimatnahen Erholung, den die Corona-Krise hervorgerufen hat.
- Für die 63 Dauerparzellen gibt es ohnehin eine lange Warteliste, aber auch die acht Flächen für Kurzzeitcamper und die zehn Zeltplätze direkt am Wasser sind begehrter denn je.
- Die Nähe zum Wohnort der Gäste ist also durchaus ein Vorzug des Platzes. Der wichtigste Trumpf ist aber die Talsperre.
Lantenbach – Der FC hat auf dem Platz die Lufthoheit. Mehrere Camper demonstrieren an diesem Samstag mit einer Flagge ihre Verbundenheit mit dem Kölner Fußballclub. Dass sie keine lange Anreise zum Urlaub im Oberbergischen hatten, lässt sich auch am K-Kennzeichen auf dem Wohnmobil ablesen.
Früher war das anders, erinnert sich Marianne Stubenrauch (70). „Damals waren vor allem Bergleute aus dem Ruhrgebiet Stammgäste bei uns“, berichtet die Chefin des Campingplatzes an der Aggertalsperre. „Die Frauen haben mit den Kindern den ganzen Sommer hier verbracht, die Männer kamen am Wochenende und haben zusammen gefeiert.“
Heimatnahe Erholung
Vor 25 Jahren hat die Derschlagerin mit Mann Dieter (71) die Leitung des Campingplatzes als Pächter des Aggerverbandes übernommen. Zum Jahresende gehen die beiden in Ruhestand. Ein junges Paar steht als Nachfolger bereit. Sohn Daniel, der auch an diesem Tag überall anpackt, wo er gebraucht wird, wollte nicht übernehmen. „Der weiß, wie viel Arbeit damit verbunden ist“, sagt Marianne Stubenrauch und lächelt. „Und dass der Sommerurlaub ausfällt.“
Sie selbst fährt in der Winterpause gern in den sonnigen Süden, um in einem Hotel auf Fuerteventura oder Kreta eine Auszeit vom Campingplatz zu nehmen. Diese Reiseziele wären in diesem Jahr froh über die Auslastung, die in Gummersbach-Lantenbach herrscht. Der Campingplatz profitiert vom Trend zur heimatnahen Erholung, den die Corona-Krise hervorgerufen hat.
Bootsverleih und Vermietung vob Segelbootliegeplätzen
Für die 63 Dauerparzellen gibt es ohnehin eine lange Warteliste, aber auch die acht Flächen für Kurzzeitcamper und die zehn Zeltplätze direkt am Wasser sind begehrter denn je. „80 Prozent von denen habe ich noch nie gesehen.“ Viele Familien bauten ihr Zelt nicht nur für ein paar Tage, sondern für den ganzen Sommerurlaub auf, sagt Marianne Stubenrauch. Sie darf darum hoffen, dass sie „mit zwei blauen Augen“ aus der Krise kommt.
Auch aus dem Bootsverleih und der Vermietung der Segelbootliegeplätze hat sie Einnahmen. Auf den erklecklichen Umsatz, den Gastronomie und Badewiese sonst bringen, verzichtet sie in diesem Jahr. Der Aufwand für den Infektionsschutz ist ihr zu hoch.
Man braucht auch pädagogische Fähigkeiten
Marianne Stubenrauch kann rechnen, sie ist gelernte Kauffrau. Für die Leitung eines Campingplatzes braucht man aber auch pädagogische Fähigkeiten, versichert die Chefin. Ihr hätten Erfahrungen aus der Jugendarbeit im Segelverein sehr geholfen. „Man muss viel ausgleichen zwischen den Gästen. Ein Zelt hat keine festen Wände.“
In ihren Anfangsjahren hat sie auf dem Platz mit 50 Gästen Silvester gefeiert. Heute legt Stubenrauch Wert auf familienfreundliche Ruhe. „Wir sind kein Partyplatz.“ Potenziell feierwütige Gäste sortiert sie aus.
Wichtig sei ein gutes Namensgedächtnis. Beim Rundgang wird sie von allen Seiten mit dem Vornamen gegrüßt. Auch mit Jürgen Galensa ist sie per Du. Er kommt seit 22 Jahren hierher, im Sommer nahezu jedes Wochenende. Seinen Platz in der ersten Reihe mit Blick über die Talsperre gehört zweifellos zu den 1A-Lagen.
Die Landschaft bei ihm zu Hause im sauerländischen Werdohl mag gar nicht so anders sein. Die Aggertalsperre ist mit 45 Minuten Anfahrt aber gerade weit genug entfernt vom stressigen Alltag. Galensa bereitet den Grill vor. „Ich komme hierher, um mich zu entspannen.“ Das ist ihm die Zweitwohnungssteuer wert.
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Die Nähe zum Wohnort der Gäste ist also durchaus ein Vorzug des Platzes. Der wichtigste Trumpf ist aber die Talsperre. „Die Leute kommen wegen des Wassers“, sagt Marianne Stubenrauch. Dementsprechend erinnert sie sich mit Grausen an das Jahr 2002, als die Talsperre abgelassen war und die Gäste fernblieben. „An einem Tag kamen Leute aus Meinerzhagen und wollten ein Boot mieten. Ich habe nur gesagt: Bitte, Sie können sich eines aussuchen.“
Agi und Uwe Koßmann aus Köln-Volkhoven sind zum ersten Mal in Lantenbach. 25 Jahre lang waren sie Dauercamper in der Eifel, jetzt erkunden sie das übrige Kölner Umland. Sie folgen der Empfehlung eines Kollegen aus Deutz.
Dieser müsse sich nicht erst über eine Rheinbrücke quälen, um ins Bergische zu gelangen. Sie wollen aber wiederkommen. Marianne Stubenrauch gibt ihnen gern Ausflugstipps: „Es gibt hier so viel zu erleben“, sagt die Lokalpatriotin, „es gibt sogar immer noch etwas, was ich mir selbst noch ansehen muss.“
Der Oberbergische Kreis: Keine Gegend für den großen Urlaub?
Es ist die Nähe zu den Ballungszentren, die Oberberg selbst zu Corona-Zeiten für Urlauber nicht so interessant macht, dass sie Schlange stehen würden vor den hiesigen Hotels, Pensionen oder Ferienwohnungen. Obwohl die Flieger nur unter strengsten Hygienemaßnahmen abheben können und selbst auf Mallorca wieder Maskenzwang verhängt wurde – Oberberg ist nur ein Ziel für Kurzzeitgäste. Während die Region nicht davon profitieren kann, dass viele der beliebten und möglichen Reiseziele an den Küsten ausgebucht sind, wird die Region vor allem für Tagesausflüge genutzt. Eine Ausnahme gibt es allerdings: Campingplätze. Die sind so beliebt und aktuell ausgebucht, „wir könnten doppelt so viel davon haben“, sagt David Bosbach, Pressesprecher der bergischen Marketingorganisation „Naturarena“.
Als echtes Urlaubsland werde Oberberg noch nicht wahrgenommen. Da gehe es dem Bergischen nicht anders als anderen Mittelgebirgsregionen Deutschlands, sagt Bosbach. Aber vielleicht lasse sich das ja ändern. Die Naturarena hat gerade erst einen sechsstelligen Betrag lockergemacht, um gezielt in den Gegenden zu werben, aus den Gäste nicht gleich wieder abends nach Hause fahren, sondern nach Wanderung, Radtour oder Sprung in die Talsperre noch zum Essen bleiben und übernachten. Diese richtet sich an die Menschen im nördlichen Nordrhein-Westfalen, an ausgewählte Städte in Niedersachsen sowie an Niederländer und Belgier.
Oberberg hat allein in NRW 17 Millionen potenzielle Gäste quasi vor der Haustür. Dass viele von ihnen angesichts von Kurzarbeit und Ungewissheit über die weitere Entwicklung zum Entspannen lieber nicht weit weg fahren wollten, sei eine Chance: „Wenn irgendwo gespart werden muss, geht das am einfachsten beim Urlaub“, sagt Bosbach. Dann genügt ein Ausflug raus aus der Großstadt in die schöne, nahe Natur – aber übernachtet wird zu Hause. Bislang sind die Hauptreisezeiten nach Oberberg die Wochen vor und gleich nach den Sommerferien. Die Übernachtungsgäste sind zumeist aus beruflichen Gründen hier. .„Durch die starke Industrie in Oberberg standen lange Zeit Geschäftsreisen im Fokus“, gibt Bosbach zu bedenken. „Einnahmen aus dem Tourismus waren nicht notwendig. Andere, damals vergleichsweise strukturschwache Regionen, haben schon vor Jahrzehnten angefangen, den Tourismus auszubauen und nun einen Vorsprung.“ Diesen aufzuholen, sei schwer. Bis zur Urlaubsregion, die sich neben Sauerland und Eifel behaupten kann, ist es für Oberberg noch ein langer Weg.
Für Tagesgäste und Kurzurlauber aber ist Oberberg dank Corona noch interessanter geworden: Um 300 Prozent sei die Nachfrage nach Wanderkarten in den letzten Wochen gestiegen, heißt es bei der Naturarena. Viel Natur und ein ausgedehntes Wandernetzwerk seien prädestiniert, solche Gäste anzulocken. Katja Wonneberger-Kühr, Leiterin der Kur- und Touristeninfo in Reichshof, sagt: „Wir haben gegenüber den Städten auch den Vorteil, dass man sich hier mit Abstand zueinander bewegen kann.“