Das Internet praktisch nutzenLindlars Digitalbegleitende helfen Senioren
Lindlar – Wie schalte ich eine Videokonferenz ein, um meine Enkel zu sehen? Wie kommt dieses WhatsApp auf mein Handy? Und brauche ich wirklich jedes Update auf meinem Gerät? „Das sind Fragen, die Menschen im höheren Alter nahezu täglich beschäftigen“, sagt Klaus Gräfer und reckt bestimmt sein eigenes Smartphone in die Luft.
Beratung vor dem Schnelltestzentrum
Gräfer ist einer von acht Digitalbegleitenden des Projekts Kompetenz Digital, das im März begonnen hat und das Menschen helfen soll, mit Hilfe von Smartphone, Tablet oder Computer ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Die Digitalbegleitenden sind zwei Männer und sechs Frauen – allesamt Freiwillige im Ehrenamt, die sich haben schulen lassen, um ihr Wissen weiterzugeben.
So wie am Samstagmittag, als sich Gräfer vor dem Eingang zur Lennefetalhalle postiert – im Gepäck hat er jede Menge Flyer und viel Motivation, ältere Lindlarer in Sachen Smartphone, Internet und Co. zu unterstützen. Der 70-Jährige vom Falkenhof interessierte sich schon in den Neunzigerjahren für die Technik rund um Bits und Bytes und steht heute nicht zufällig vor der Sporthalle. Drinnen testet die Lang AG auf Corona. Die Eintrittskarte gibt es – genau, digital.
Kontakt
Wer Fragen zur Anwendung von digitalen Diensten hat, findet Hilfe unter der Rufnummer 0 22 66/4 40 72 04 – immer montags bis freitags 9 bis 16 Uhr und online. www.lindlar-digital.de
Immer mehr Lebensbereiche verschließen sich den Menschen, die rein analog unterwegs sind. Dass das Problem mehr als nur eine Unbequemlichkeit ist, rechnete Quartiersentwickler Kai Zander vom Trägerverein Lindlar-verbindet zu Projektbeginn hoch. Er schätzt, dass rund 4400 Menschen allein in Lindlar gefährdet sind, den Anschluss an eine immer digitalere Gesellschaft zu verlieren.
Lebenshilfe im Alltag
Vor der Lennefetalhalle erklärt Gräfer nun, dass die Registrierung für den Coronatest am schnellsten funktioniert, wenn man den sogenannten QR-Code per Smartphone scannt, den die Test-Organisatoren überall aufgehängt haben. Nebenbei erklärt er dem Mann den Hintergrund des Digitalbegleiter-Projekts, das als Beispiel für ganz Oberberg dienen soll und von Gemeinde und Kreis unterstützt wird. Zusätzlich gab es noch einmal weit über 100 000 Euro Förderung von der Stiftung Wohlfahrtspflege.
Alle zwei Wochen halten sich Klaus Gräfer, seine Mitstreitenden und die Koordinatorin Simone Weißenborn mit einer Schulung über aktuell besonders gefragte Lösungen auf dem Laufenden – per Internet, versteht sich.
Vorab registrieren
Rückmeldung aus der Praxis also, wie an diesem Samstagmorgen, als Ilse Hoederath noch etwas unsicher den Eingang zum Testzentrum ansteuert. Die 76-Jährige benötigt auf die Schnelle einen negativen Bescheid. Vorab registriert ist sie nicht, obwohl ein Smartphone in ihrer Handtasche steckt. „Ehrlich gesagt, fehlen mir dazu die Nerven“, sagt die Hohkeppelerin frei heraus.
Das ist der Einsatz für Digitalbegleiter Gräfer. Er informiert sie kurz über die neue Initiative und bietet vor dem nächsten Gang zum Testzentrum Unterstützung bei der Registrierung an. „Tatsächlich ist der Bedarf da – längst ist auch nicht jeder 50-Jährige fit im Umgang mit der Digitalisierung“, bestätigt Niclas Aberle, der heute den Anmeldepunkt der Testation der Lang AG besetzt. „Und noch lange nicht jeder besitzt eine eigene E-Mail-Adresse.“
Im Testzentrum wird diesen Menschen ein Benutzername zugewiesen, der zugehörige Code ausgedruckt. Klaus Gräfer hingegen will erreichen, dass möglichst viele Menschen die digitale Anmeldung selbst hinbekommen – weil sie Kompetenzen schule, die auch neben und nach Corona im Alltag wichtig seien.
Abzocke via Internet und Telefon
Während der Pandemie und den damit verbundenen Kontaktbeschränkungen haben sich auch viele Betrüger auf Abzocke via Internet und Telefon verlegt. „Vor einigen Tagen bat uns jemand um Hilfe, weil er eine dieser SMS erhalten hatte, die das Handy ausspionieren können“, berichtet Gräfer. „Für uns waren es nur zwei Klicks, aber den Mann haben sie möglicherweise vor großen Schwierigkeiten bewahrt.“
Wie wichtig das digitale Einmaleins ist, habe die Erfahrung in den ersten Wochen auch in anderer Hinsicht gezeigt: Der Ehepartner kümmert sich zuhause um Computer, Router und Co. „Dann stirbt der eine und der andere kommt nicht mehr an die Fotos der letzten Jahre. Das digitale Vermächtnis ist weg, das Internet funktioniert nicht mehr, die Benutzernamen für Online-Bestellungen sind unklar“, berichtet Gräfer.
Hilfe zur Selbsthilfe
Das Projekt setzt klar auf Hilfe zur Selbsthilfe. Anleitungsvideos und wo man sie finden kann, um sich selbst zu schulen, sind ein weiterer Punkt. Auch die Zusammenarbeit mit der Kreissparkasse Köln ist angelaufen. „Wenn Kunden zum Beispiel mehr Hilfe beim Onlinebanking haben wollen, dann stellen die Berater den Kontakt zu uns her“, erklärt Simone Weißenborn.
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Vor der Lennefetalhalle steckt Ilse Hoederath jetzt das Infoblatt mit den Kontaktdaten zu den Digitalbegleitenden ein. An vielen Orten in der Gemeinde werden die Zettel in den kommenden Tagen ausgelegt. Parallel ist die neue Internetseite des Projekts live gegangen.