Die Kölner Schriftstellerin Carla Berling las in Lindlar im Forum der Voßbruchhalle aus ihrem Roman „Romy. Mädchen, die pfeifen . . .“
Start ins JubiläumsjahrCarla Berling las in Lindlar aus ihrem neuen Roman „Romy“
Mit dieser Lesung startete der Förderverein der Gemeindebücherei Lindlar in sein 25. Jubiläumsjahr, und besser hätte die Wahl auf Buch und Autorin an diesem Abend nicht fallen können: Am Freitag Abend, am Weltfrauentag, las Carla Berling im Forum der Voßbruchhalle vor rund 90 Zuhörerinnen und Zuhörern aus ihrem Roman „Romy“. Das Buch ist der dritte Teil ihrer dramatischen Familiensaga über drei starke Frauen. Das Besondere der Buchreihe: Der Kern der Geschichten ist autobiografisch.
2017 sei ein Familiengeheimnis aufgedeckt worden, welches ihre Welt aus den Fugen gerissen habe, so Berling. Im Coronalockdown 2020 habe sie dann begonnen, die Geschichten aufzuschreiben. Minna sei ein Buch über ihre Großmutter aus der Kriegsgeneration, die gelernt habe, alles totzuschweigen. Hanne, Minnas Tochter im zweiten Buch, sei in den fünfziger Jahren groß geworden mit dem Motto „Was werden die Leute sagen?!“.
Die Freiheit, hoch zu fliegen und zu scheitern
Romy spiegelt nun den Zeitgeist der Generation von Berling selbst. Sie sei in den 60er Jahren geboren und mit dem Spruch „Mädchen, die pfeifen und Hähnen, die krähen, soll man beizeiten die Hälse umdrehen“ zur Zurückhaltung erzogen worden. Doch Berling und ihre Romanheldin trotzen den gesellschaftlichen Vorgaben und nehmen sich die Freiheiten, sich in Beziehungen und Jobs auszuprobieren. Sie fliegen hoch und sie scheitern.
Dabei findet Berling immer wieder die Balance zwischen Komik und Tragik. Wenn sie zum Beispiel beschreibt, wie sich Romy frech in ihrer Ausbildung in der Gastronomie behauptet. Und wenn sie dazu erzählt, wie auch bei ihr im echten Leben nach einem Stolpern 30 eisgekühlte Schnäpse das Fliegen lernten.
Doch auch die tragische Seite beschreibt Berling eindrucksvoll: Als Romy heiraten will, fordert sie ihre Abstammungsurkunde an und findet darauf einen fremden Namen. Mit Mitte 20 erfährt sie, dass der Mann, den sie immer für ihren Vater gehalten hat, gar nicht ihr biologischer Vater ist. Und damit gerät ihre Welt aus den Fugen, sie hinterfragt auch die Beziehungen zu Mutter, Großeltern und (Halb-) Geschwistern. Doch das ist noch nicht alles, nach mehr als drei Jahrzehnten wird ein weiteres Familiengeheimnis aufgedeckt und wieder steht in ihrem Leben kein Stein mehr auf dem anderen.
Macht der Mütter, Kraft der Lüge
Diese Begebenheiten seien autobiografisch und es sei für Berling die Hölle gewesen, alles aufzuschreiben und noch mal zu fühlen, so die Autorin. Doch am Ende habe sie sich frei gefühlt, habe sich selbst verstanden. Und das ist auch der Kern ihrer Botschaft: Alles, was wir tun, hat Folgen auch für die Kinder und Enkel.
Es geht um die Macht der Mütter und die Kraft der Lüge. Und darum, wie sich Traumata durch die Generationen ziehen. Aber auch: Durch Reden kann man die anderen und dann auch sich selbst verstehen. Auch, wenn das viel Arbeit bedeutet.