Lindlarer zuerstOrtsansässige sollen bei Vergabe von Bauplätzen bevorzugt werden
Lindlar – Viele Familien würden gerne in Lindlar bauen, doch Baugrundstücke sind knapp. Die gemeindeeigene Bau- und Entwicklungsgesellschaft (BGW) führt seit 2014 eine Interessentenliste, auf der über 400 Bauwillige vorgemerkt sind. Wer am längsten auf der Liste steht, konnte sich bislang gute Chancen ausrechnen, wer weiter hinten steht, eher nicht. Ein Verfahren, das von SPD und Grünen seit Jahren als „intransparent“ kritisiert wird.
Künftig will die Gemeinde Lindlar Baugrundstücke nach festgelegten Vergaberichtlinien vergeben, so wie dies auch einige andere Kommunen bereits tun. Die SPD hatte Ende 2017 einen entsprechenden Antrag eingereicht, der von den Fraktionen beraten wurde – zur Abstimmung kam es jedoch nicht. Kernpunkt des Antrags: Wer in Lindlar wohnt und/oder arbeitet, soll bevorzugt werden. Wie diese Richtlinien aussehen könnten, hat die Verwaltung im Bau- und Planungsausschuss vorgestellt.
1. Allgemeines
Die Verwaltung will eine allgemeine Interessentenliste für geplante Baugebiete führen. Dort kann sich jeder unverbindlich und kostenlos eintragen lassen. Wohnbaugrundstücke für Einfamilienhäuser – nicht aber für Mehrfamilienhäuser und Eigentumswohnungen – sollen auf Grundlage von Richtlinien vergeben werden. Es sei denn, es gibt mehr Grundstücke als Bauwillige.
2. Bewerbung
Sobald die Vergabe der Grundstücke beginnt, erhalten alle Interessenten ein Bewerbungsformular. Bis zu einem Stichtag ist eine Bewerbung möglich. Kern des Verfahrens ist ein Punktesystem. Wer die höchste Punktzahl erreicht, darf sich als Erster ein Grundstück aussuchen, wer weniger Punkte hat, muss warten, bis er an der Reihe ist.
3.Kriterien
Bonuspunkte soll es geben für Paare (verheiratet oder eingetragene Lebenspartnerschaft), pro Kind und für Menschen mit Behinderung und Pflegebedürftige. Bewerber, die in Lindlar ihren Erstwohnsitz haben, erhalten Bonuspunkte, wer schon länger in Lindlar lebt, bekommt weitere Punkte. Punkte erhält auch, wer in Lindlar arbeitet. Gilt dies für beide Personen einer Partnerschaft, gibt es Punkte für beide.
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Honoriert werden soll außerdem ehrenamtliches Engagement in Lindlar, Punkte gibt es etwa für Mitglieder der Feuerwehr, für Ratsmitglieder und für ein Engagement in der Kirche oder einer karitativen Einrichtung. Paare können auch hier doppelt punkten.
4. Ausgleich
Bei gleicher Punktzahl sollen Haushalte mit mehreren Kindern, alteingesessene Lindlarer und Personen, die seit vielen Jahren in Lindlar arbeiten oder hier ehrenamtlich engagiert sind, bevorzugt werden.
5. Abwicklung
Die Gemeinde vergibt die Grundstücke, spätestens fünf Monate später soll der Vertrag notariell beurkundet werden. Die Käufer sind verpflichtet, innerhalb von drei Jahren das Bauvorhaben umzusetzen, es gilt eine zehnjährige Wiederverkaufssperre – mit Ausnahme von wichtigen Gründen wie etwa ein Wechsel des Arbeitsplatzes.
Die Fraktionen werden in den kommenden Wochen die Vorlage der Verwaltung diskutieren, dann kommt das Thema wieder auf die Tagesordnung. Alle Fraktionen begrüßten die Vorschläge. SPD und Grüne sehen aber Änderungsbedarf. Nach ihren Vorstellungen sollen die Kriterien auch bei der Vergabe von Mietwohnungen zählen. Eine Bevorzugung von Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnerschaften gegenüber Paaren und Familien ohne Trauschein lehnen sie ab. Auch den Vorschlag von Boni für Menschen, die schon länger in Lindlar leben, wird kritisiert.
Kommentar: Viele offene Fragen
Dass die Lindlarer Politik ein „heißes Eisen“ wie die Vergabe von Baugrundstücken jetzt neu regeln will, ist ein gutes Zeichen. Denn die bisher geübte Praxis einer Warteliste war wenig transparent und warf viele Fragen auf. Das wichtigste Ziel: Wer in Lindlar seinen Lebensmittelpunkt hat, weil er hier lebt oder arbeitet, soll künftig bei der Vergabe von Bauland bevorzugt werden. Doch das darf nur ein Kriterium sein, soziale Härtefälle müssen ebenfalls einen Bonus erhalten. Ein reines „Einheimischenmodell“ würde mit Sicherheit gegen EU-Recht verstoßen.
Der aktuelle Richtlinien-Entwurf der Verwaltung wirft noch viele Fragen auf. Warum etwa soll es für einen Trauschein Bonuspunkte geben? Und dürfen alteingesessene Lindlarer gegenüber Neubürgern wirklich bevorzugt werden? Der größte Streitpunkt dürfte aber die Frage werden, ob die Richtlinien auch für das Neubaugebiet „An der Jugendherberge“ gelten sollen. Der einzige Ausweg kann hier nur ein Kompromiss sein. (cor)
Der nächste politische Streit ist vorprogrammiert. CDU und Bürgermeister Dr. Georg Ludwig machten deutlich, dass diese Kriterien nur für künftige Baugebiete gelten sollen, keinesfalls aber für das umstrittene Neubaugebiet „An der Jugendherberge“. „Wir haben einstimmig beschlossen, dass dies nur für künftige Wohnbauflächen gelten soll, nicht aber für die Jugendherberge“ sagte Armin Brückmann (CDU). Wer etwas anderes wolle, müsse die politischen Konsequenzen tragen. Die Entscheidung fiel im Aufsichtsrat der gemeindeeigenen Entwicklungsgesellschaft BGW. „Da das Baugebiet Jugendherberge noch nicht existiert, handelt es sich hier um ein künftiges Baugebiet“, so Jörg Schlichtmann (Grüne). Michael Scherer, Fraktionschef der SPD, plädierte für einen Kompromiss. Man könne für das Baugebiet Jugendherberge die bestehende Liste und die Vergabe nach Kriterien miteinander verbinden, so Scherer im Gespräch mit unserer Zeitung.