JedinghagenBei Potthoffs traf sich die Welt – Traditionskneipe schließt im Januar
- Bei Potthoffs trifft sich die Welt. Doch Marlies und Uli Potthoff schließen ihre Kneipe an der Dorfstraße in Marienheide-Jedinghausen.
- Damit endet im Januar eine 120-jährige Kneipengeschichte.
- Ein Leben ohne ihre Gaststätte können sich die Menschen in Jedinghagen kaum vorstellen.
Jedinghagen – Die kleine Kneipe an der Dorfstraße hat die ganze Welt gesehen. Für Gäste vieler Nationalitäten haben Marlies Potthoff und ihr Mann Ulrich in mehr als 30 Jahren Bier gezapft und ihnen Krüstchen serviert.
Ein Leben ohne ihre Gaststätte können sich die Menschen in Jedinghagen kaum vorstellen, denn die ist viel älter als jeder in dem kleinen Marienheider Ort. Doch schon bald soll der Zapfhahn für immer dicht bleiben, die Potthoffs planen den Ruhestand. Dann wird die 120 Jahre währende Kneipengeschichte im Dorf zu Ende gehen.
Tränchen steigen Marlies Potthoff in die Augen, wenn sie über die Planungen für die wenigen verbleibenden Tage spricht. Der Abschied von der Wirtschaft geschieht zwar ohne Zwang, schmerzt aber doch. Für den 7. Januar hat die Chefin (69) den Betrieb beim Amt abgemeldet.
Bis dahin ist im kleinen Schankraum und Saal noch jede Menge los. Fast kein Tag, für den sich nicht eine Gesellschaft angesagt hat und Marlies Potthoff in der Küche zaubert. „Ich hätte doppelt so viele Gäste annehmen können. Alle meinen, sie müssten noch mal zu uns kommen“, sagt sie lachend – und ist doch gerührt von so viel Aufmerksamkeit. Die Potthoffs sind eine Institution.
Um das Jahr 1900 gegründet
Wann genau die Wirtschaft im Dorf eröffnete, können die Potthoffs nicht sagen. Um das Jahr 1900 muss es gewesen sein, schätzt Uli Potthoff (72), als gegenüber der jetzigen Gaststätte ein Vorgängerbetrieb abbrannte. „Dann wurden an dieser Stelle Stall und Scheune zur Gaststätte umgebaut.“
Seitdem liegt es in den Händen der Familie Potthoff, den Jedinghagenern einen Platz zum Klönen, Kegeln und Feiern zu bieten. Uli Potthoffs Großvater Heinrich führte die Wirtschaft mit Ehefrau Maria bis 1951, dann trat dessen Sohn Ernst mit Frau Elisabeth das gastronomische Erbe an. Uli Potthoff, sein Bruder und seine vier Schwestern wuchsen quasi in der Wirtschaft auf. Natürlich mussten die Kinder mit anpacken – „mein Vater führte ein strenges Regiment“, sagt Uli Potthoff und schmunzelt.
Im Jahr 1983 schließlich übernahm seine Ehefrau Marlies die „kleine Kneipe“, wie sie selbst sagt. Tatsächlich sei es dort so ähnlich, wie es Peter Alexander besang: die Postkarten an der Wand, das Stimmengewirr. . . und ein Klavier mit dem Schriftzug „MGV Leppetal 1956“. Der probte hier einst regelmäßig und gehörte zu vielen Vereinen, denen die Gaststätte Potthoff wie ein Wohnzimmer war. In Hoch-Zeiten gab es ein Dutzend Kegelclubs, die auf der Bahn im Saal eine flotte Kugel warfen. Bis 1968 richteten Kegeljungen die Pinne wieder auf. Der Einbau der Kegelautomatik damals ging auf Fachkräftemangel zurück, erklärt Uli Potthoff: „Dem letzten Kegelburschen mussten wir für drei Stunden Arbeit 18 Mark plus Getränke bezahlen!“
Kneipenkultur hat sich gewandelt
Die Zahl der Kegelgemeinschaften ist auf ein halbes Dutzend geschrumpft. Überhaupt habe sich die Kneipenkultur gewandelt, sagt Marlies Potthoff. War in der Wirtschaft früher täglich Hochbetrieb, gab es zuletzt öfters Tage mit wenigen Gästen. Von der Kneipe leben mussten die Potthoffs nie, stets war sie ein Nebenerwerb – „mein Hobby“, wie Marlies Potthoff sagt. Ehemann Uli packte mit an, wenn er in seinem Hauptberuf als Technischer Leiter der Engelskirchener Aggertalklinik Feierabend hatte. Nur dort ist er seit zehn Jahren im Ruhestand.
Der Besuch in all den Jahren war oft international, auch wegen der Polizei-Akademie in Gimborn. Mehrere Firmen, darunter Rüggeberg, führten regelmäßig ihre Geschäftspartner aus aller Herren Länder bei Potthoffs aus. „An manchen Abenden hatten wir Gäste aus 18 verschiedenen Ländern gleichzeitig.“
Nicht nur die Menschen aus Jedinghagen und Umgebung kamen gerne – wegen der herzlichen Gastwirte, aber auch wegen der heimeligen Atmosphäre. Außer den Toiletten sind alle Räume noch so wie vor 50 Jahren. Moderner Schnick-Schnack ist hier nicht zu finden, und es herrscht Handyverbot.
Schankraum soll erhalten bleiben
Potthoffs Söhne sind fest im Job. Dass die Kneipe von ihnen fortgeführt wird, stand nicht zur Debatte. Die glorreichen Zeiten der Dorfwirtschaften seien auch vorbei, sagt Marlies Potthoff. Wenn Potthoffs die Wirtschaft nun zu einer Wohnung umbauen, soll der Schankraum so erhalten bleiben, wie er ist. Die kleine Kneipe lebt weiter, wenn auch im Verborgenen.