Mathematische HimmelstreppeAm Wipperfürther EvB steht eine besondere Skulptur
Wipperfürth – Wohl die meisten Schüler und Schülerinnen des Engelbert-von-Berg-Gymnasiums, aber auch viele Lehrer, Eltern und Passanten stehen ziemlich ratlos vor einer der vier Messingstelen auf dem Schulhof oder vor dem Alten Seminar an der Lüdenscheider Straße. Das soll Kunst sein – diese aufeinander gesetzten „Ofenrohre“? Sie stammen von dem international bekannten, ungarischen Bildhauer Attila Kovács, der mit seinen Arbeiten in rund 40 Museen auf der ganzen Welt vertreten ist und Teilnehmer der Dokumenta 6 von 1977 war.
Ein international bekannnter Bildhauer
1985 bewarben sich fünf Bildhauer für die Ausschreibung „Kunst am Bau“ für den EvB-Neubau. Ihr Entwurf sollte eine Antwort auf folgende Frage sein: Wie kann man mit Hilfe einer raumübergreifenden Plastik eine überzeugende Verbindung von Alt- und Neubau der Schule herstellen?
Die von Attila Kovács treppenförmig angelegten „Meta-Zylinder“ überzeugte die hochranging besetzte Experten-Kommission.Am Anfang der Überlegungen des 1938 in Budapest geborenen Künstlers stand die Beobachtung, dass sich die beiden Zentralachsen von Alt- und Neubau an einem bestimmten Punkt im Pausenhof kreuzen. Diese hat er mit einer 3,10 Meter hohen Messing-Säule betont, die durch die Anzahl und die Anordnung der Zylinder einen klaren Hinweis darauf gibt, dass sie die dritte in einer Reihe von mehreren Plastiken ist, deren Säulen sich in Richtung Lüdenscheider Straße nach oben hin vergrößern und wie eine Himmelstreppe wirken. Sie nimmt deshalb auch die „architektorale Superpositon“ seiner raumübergreifenden plastischen Arbeit ein, wie Attila Kovács betont, der im Jahre 1964 aus Ungarn nach Deutschland emigrierte.
Mathematik spielt eine wichtige Rolle
Die Höhe der beiden Zylinder im Pausenhof entspricht genau der Höhe der beiden Betonsäulen, die die wabenförmige Ausbuchtung der Schulaula über dem Haupteingang tragen. Dadurch sind Neu- und Altbau der Schule – zumindest in der Vorstellung des Betrachters - noch einmal waagerecht miteinander verbunden worden.Die stufenförmig versetzten und nach Süden ab- bzw. nach Norden hin aufsteigen-den Abschnitte der Säulen 2. – 4. geben dem aufmerksamen Betrachter genau Auskunft darüber, wo sich die Zylinder 2, 1 und 4 befinden – nämlich auf der Zentralachse des symmetrisch angelegten Altbaus.
Folgerichtig findet man vor dem Westflügel des EvB eine zweiteilige, hinter dem Westflügel eine einteilige und vor dem 'Alten Seminar' eine vierteilige Messingstele. Sie ist mit einer Höhe von 3,63 cm die größte der vierteiligen Skulptur.Ursprünglich hatte Attila Kovàcs mitten im Bürgersteig auf der Lüdenscheider Straße eine „Metafläche“ aus Messing eingelassen, die den Aufbau der vierten Säule orthogonal aus der Vogelperspektive abbildet und dem vorübergehenden Fußgänger die Anwesenheit einer plastischen Situation signalisiert. Sie wurde inzwischen nach hinten versetzt und befindet sich leider auch nicht mehr auf der zentralen Achse der vier Metazylinder.
Kasimir Malewisch diente als Vorbild
Kovács arbeitete gerne mit ganz einfachen mathematischen Formeln und Formen, um seine Kunst von allem zu befreien, was wir normalerweise von einer Plastik erwarten, nämlich die mehr oder weniger naturgetreue Nachbildung von Menschen, Tieren oder Pflanzen.
Die Arbeiten des ungarischen Künstlers, der fast 50 Jahre lang in Köln lebte und arbeitete, setzen die Tradition von Kasimir Malewitsch fort, der im Jahre 1915 nur noch ein schwarzes Quadrat auf eine Leinwand malte. Er verstand sich als „suprematistischen“ Künstler, der bei der kreativen Gestaltung der Wirklichkeit bewusst auf ihre einfachsten geometrischen Formen beschränkt, um mit ihrer Hilfe die „höchsten“ menschlichen Erkenntnisprinzipien zu veranschaulichen.
Attila Kovács hat diese Überlegungen bei der Konstruktion seiner „Meta-Zylinder“ berücksichtigt: Die Zahlenabfolge 1, 2, 3, 4 lässt sich prinzipiell bis ins Unendliche fortsetzen. Und die von ihm aufeinander gesetzten Zylinder werden mathematisch auf der Grundlage des Kreises konstruiert, der ja ebenfalls ein Symbol für das Unendliche ist.Ursprünglich glänzte die hochpolierte Oberfläche aller „Meta-Zylinder“ goldgelb und hob sich – vom Künstler ausdrücklich so gewollt – deutlich von der graugeschieferten Architektur des Neubaus und dem Grün der Umgebung ab. Wie Attila Kovács in einem Schreiben aus dem Jahr 2002 an die Stadt Wipperfürth betont, legt er sehr großen Wert auf den „hohen Reflexionsgrad“ seiner Säulen.