„Es wird besser werden“Menschen in Oberberg kämpfen weiter gegen die Pandemie
Oberberg – Ein neues Jahr, eine neue Virusvariante, neue Regeln, doch die Pandemie ist geblieben. Monika Siegfried-Hagenow hat mit Menschen gesprochen, die aufgrund ihrer Arbeit heute erneut in erster Reihe stehen – und wieder kämpfen.
David Mletzko, Pfleger auf der Intensivstationdes Kreiskrankenhauses in Waldbröl
Die schlimmste Situation im vergangenen Jahr war für mich, als unsere Intensivstation voll war mit Corona-Patienten und wir nicht mehr wussten, wen wir mit gutem Gewissen auf die Monitor- oder die Normalstation verlegen sollten.
Denn es kamen ja auch Patienten nach Unfällen oder mit einem Herzinfarkt, die versorgt werden mussten. Nach der dritten Welle wurde es leichter, da begann das Impfen und wir hatten weniger schwere Verläufe und weniger Todesfälle. Ich wünsche mir eine Impfrate von 100 Prozent – wir erleben täglich den großen Unterschied bei den Covid-Verläufen zwischen Geimpften und Ungeimpften. Ich will die Ungeimpften nicht in eine Ecke stellen, aber die sollten auch mal daran denken, uns zu schützen, die Pflegenden am Krankenbett. Wenn ich die Zahlen sehe, die täglich steigen, werde ich nervös. Ich hoffe, dass uns die neue Welle mit Omikron nicht mit Wucht überrollt. Denn wir kommen körperlich und psychisch an unsere Grenzen, eine neue große Welle, das wäre die Hölle.
Christian Kahl, Gastronom Haus Kranenberg in Bielstein
Im vergangenen Jahr wussten wir nie, was passiert. Für mich war am schlimmsten, dass es überhaupt keine Planbarkeit gab. Das ist auch jetzt so: Wir wissen nicht, was kommt nächste Woche? Bleibt es bei 2G-Plus oder kommt ein neuer Lockdown? Ich weiß nicht, wie viel ich einkaufen muss oder was ich an Personal einplanen muss. Diese Unsicherheit ist fast schlimmer als der Lockdown im vergangenen Jahr. Da war wenigstens die Richtung klar: Essen „to go“ und fertig. Beeindruckt haben mich die Gäste im Lockdown. Viele haben massiv Essen bestellt, haben mir Mut gemacht, immer wieder gesagt: „Halt den Kopf hoch!“ Das hat gut getan, das hat mir menschlich enorm viel gegeben. Für dieses Jahr wünsche ich mir mehr Klarheit. Seit zwei Jahren wird diskutiert über Maßnahmen, jetzt reicht es mit der Unsicherheit. Wir haben keine Schuld an der Situation. Wir setzen nur um, was wir tun müssen. Ich wünsche mir mehr Solidarität aller Menschen in diesem Land, dass sie sich endlich den Piks abholen. Und ich freue mich auf einen hoffentlich relativ entspannten Sommer. Es bleibt spannend.
Dr. Julia Boye, Hausärztin in Derschlag
Das ganze vergangene Jahr war geprägt vom häufigen Wechsel der Regularien: Wer wird krankgeschrieben, wer muss wann wie lange in Quarantäne, wer gilt als frisch genesen oder als frisch geimpft? Das hat auch viele Patienten verunsichert. Dann die Umstellung von Biontech auf Moderna, die hat viel Unmut bei den Patienten ausgelöst, viele anstrengende Diskussionen waren nötig.
Am schlimmsten war für mich zu erleben, dass zeitweise Familien der Besuch bei Sterbenden verweigert wurde, das Leid der Menschen zu sehen, die ihre Angehörigen ohne Abschied gehen lassen mussten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es so weit kommt, und das möchte ich nie wieder erleben. Positiv sehe ich, dass viele gelernt haben, ihr Miteinander unter schwierigen Bedingungen gut zu organisieren, auch durch Absprachen innerhalb der Familien. Viele haben auch begonnen, Sport zu treiben. Angesichts der neuen Welle versuchen wir in der Praxis, das Beste draus zu machen. Es bleibt uns ja nichts anderes übrig. Ich wünsche mir aber mehr Weitblick und Konsequenz bei den Maßnahmen und dass künftige Erlasse die Situation von uns niedergelassenen Ärzten besser berücksichtigen.
Oliver Orth, Außendienst-Koordinator beim Ordnungsamt in Gummersbach
Es macht mir zu schaffen, wenn ich erlebe, wie Mitbürger ihre Existenz verlieren. Etwa wenn ich bei Kontrollen in der Gastronomie sehe, dass Restaurants plötzlich nicht mehr da sind, weil die Betreiber aufgegeben haben. Oder wenn ich bei Quarantäne-Kontrollen erfahre, dass jemand mit einem schweren Verlauf auf der Intensivstation liegt und die Angehörigen nicht wissen, ob derjenige durchkommt. Die Arbeit ist sehr viel mehr geworden, die Koordination der Streifen, die jeweils neusten Vorschriften zu kennen und durchzusetzen – da bleibt nur sehr wenig Zeit für die Familie. Dabei bin ich vor kurzem erst Vater geworden.
Gerade habe ich selbst erlebt, wie schlimm es ist, dass beim Tod eines Angehörigen die Zahl der Teilnehmer bei der Trauerfeier begrenzt ist. Besser geworden ist die Kooperation mit der Polizei und anderen Ämtern. Wir sind näher zusammengerückt und versuchen mit ganzer Mannschaft, alles zu stemmen. Von den Bürgern wünsche ich mir, dass sie verstehen, dass die Leute vom Ordnungsamt, die draußen ihren Dienst tun, sie nicht ärgern wollen, sondern helfen, diese schwierige Situation möglichst gut und gemeinsam durchzustehen. Am meisten wünsche ich mir Normalität.
Dr. Johannes Schlechtingen, leitender Impfarzt, Waldbröl
Bevor die Impfungen beginnen konnten, sind in kürzester Zeit 17 Patienten unserer Gemeinschaftspraxis in Waldbröl gestorben. Nachdem wir mit damit begonnen haben, nur noch zwei. Wir impfen im großen Stil, mehrere hundert Impfungen in der Woche, an die 10 000 bisher. Das findet breite Zustimmung, und ich erlebe, dass unsere Arbeit etwas bewirkt.
Leider kommt es vermehrt zu Aggressionen, Patienten wollen sich nicht die Hände desinfizieren, wollen keine Maske tragen, stürmen an der Schlange der Wartenden vorbei und wollen sofort behandelt werden, ohne Rücksicht auf zum Teil schwerkranke Menschen. Immer häufiger werden die Helferinnen beschimpft, die durch die Mehrarbeit ohnehin unter einer enormen Belastung stehen. Ich hoffe, dass sich auch die Letzten impfen lassen und dass die Pandemie Ende des Sommers vorbei ist, wenn nicht eine neue Virusvariante alles noch einmal durcheinanderbringt. Corona bleibt ein großes Thema, aber ich blicke zuversichtlich in die Zukunft. Es wird besser werden. Davon bin ich überzeugt.