Der ganze Ort ist voller GeschenkeMorsbacher bereiten sich gegenseitig Freude
Morsbach – Elfriede hat keine Zeit, sie ist im Stress. Fast 40 Geschenke türmen sich in ihrem Atelier, jedes will noch verpackt werden – wetterfest. Denn stets kann es ein paar Tage dauern, bis ein verwunderter Morsbacher die kleine Weihnachtsgabe entdeckt. Irgendwo da draußen, aber immer in der Ortsmitte.
„Spätestens in der Woche vor Weihnachten laden wir die Geschenke auf Elfriedes Rollator und dann rappeln wir los“, verrät Christiane Vogel (60) aus Rhein. Elfriede ist nämlich auf Hilfe angewiesen, alleine laufen kann sie nicht: Seit etwa acht Jahren sind die Künstlerin und Schauwerbegestalterin Vogel und die lebensgroße Schaufensterpuppe ein unzertrennliches Gespann.
Kleine Freude für Morsbacher
Und seit vier Jahren genau bereiten sie den kleinen und großen Morsbachern immer kurz vor dem Fest und stets heimlich in aller Stille eine kleine Freude – mit Lesestoff, Spielzeug, Plüschtieren und anderen Dingen, die das Jahr über in Christiane Vogels Einkaufstasche purzeln.
Hilfe bekommen Elfriede und Christiane Vogel in diesem Jahr von Belinda Stocks. Diese ist meist am Vormittag unterwegs, gerade beugt sie sich im malerischen Oberdorf über den Rand des Koboldbrunnens. „Schnell noch das Foto machen und dann posten“, murmelt die 50-Jährige, die das „Morsbacher Bastelstübchen“ betreibt. Gabe Nummer fünf ist also platziert und wartet nun darauf, entdeckt zu werden. „Das ist mein persönlicher Adventskalender für Morsbach“, verrät Stocks, die in diesem Jahr zum ersten Mal ebenfalls Geschenke ablegt in der Ortsmitte.
Fleißige Sänger des MGV Concordia
Tatkräftig ans Werk gegangen ist auch der Morsbacher Männergesangverein „Concordia“: Auf dem Kirchplatz an der Basilika St. Gertrud haben die Sangesbrüder einen stattlichen Weihnachtsbaum aufgestellt.
„Unser Chorleben ist durch die Pandemie zum Erliegen gekommen“, bedauert Sänger Josef Ley. „So konnten wir nicht mal unserem jüngst verstorbenen ersten Vorsitzenden Heinz Stockhausen bei seiner Beerdigung ein Abschiedslied singen.“ Auch habe der Chor in der Vergangenheit stets vor Weihnachten mit seinen Liedern einen Gottesdienst für die lebenden und verstorbenen Chormitglieder gestaltet.
Da auch dies nicht möglich war, hatte Michael Diederich, kommissarischer Vorsitzender, die Idee, einen Weihnachtsbaum zu stiften. Sänger Johannes Orthen besorgte im Wildenburger Land eine fast fünf Meter hohe Nordmanntanne. Mit vereinten Kräften wurde diese an der Basilika aufgerichtet und mit bunten Christbaumkugeln, Strohsternen und Tannenzapfen von den „Concordianern“ geschmückt – Lichterkette inklusive.
Zudem funkelt vom Morsbacher Aussichtsturm auf der Hardt der große Weihnachtsstern: Seit den 1960er Jahren ist es Tradition, den Stern mit 68 Glühbirnen dort oben zum Leuchten zu bringen. (bu)
Ein Foto auf Facebook gibt Hinweise dazu. „Aber finden müssen sie die Morsbacher dann schon allein“, sagt Stocks und erzählt vom Anruf eines verwunderten und ehrlichen Finders, der das auf dem Parkplatz der Metzgerei Rosenbaum Gefundene prompt zurückgeben wollte. Stocks: „Als ich dem Mann erklärt habe, dass das Geschenk für ihn ist, hat er sich riesig gefreut.“ Sie wickelt kleine Basteleien ins Geschenkpapier, Gutscheine oder auch Bastelmaterial, sodass der Beschenkte zu Hause dann selbst Hand anlegen kann.
Weil der Advent und damit natürlich auch Weihnachten in diesem Jahr anders ist, habe sie das große Bedürfnis, anderen Freude zu schenken, schildert zudem Andreas Mauelshagen: Die 55 Jahre alte Inhaberin der Buchhandlung „Lesebuch“ aus Alzen ist die Dritte im Bunde der Morsbacher Schenkerinnen: In der Nacht zum Nikolaustag ist sie aufgebrochen und hat gut 50 kleine Gaben für kleine Leute, ebenso in der Ortsmitte, verstreut. „Schöner Schnickschnack“, sagt Mauelshagen und winkt ab, nach dem Inhalt der Päckchen befragt. Bücher sind es und nützliche Dinge für die Federmappe, die Mauelshagen zusammengetragen hat, um sie zu verschenken.
Ein paar Tage bis zur heimlichen Runde
Bis Elfriede und Christiane Vogel zu ihrer heimlichen Runde aufbrechen, dauert es noch ein paar Tage. Bis dahin aber können sich die Morsbacher an dem Riesen-Weihnachtsbaum auf dem Milly-la-Forêt-Platz vor dem Rathaus erfreuen: Diesen schmückt Vogel seit vier Jahren, auf dem Hubsteiger geholfen hat ihr diesmal Rathaus-Hausmeister Robin Wirth.
„Zu Beginn habe ich die Leute gefragt, was sie sich wünschen, und sie gebeten, die Wünsche aufzuschreiben.“ Diese Zettel von damals stecken noch heute in den Christbaumkugeln, aber die Künstlerin weiß, dass mancher Wunsch in Erfüllung gegangen ist. „Das habe ich über Facebook erfahren.“ Jetzt hofft sie, dass sich weitere Morsbacher bei ihr melden und ihr verraten, ob sich das Gewünschte erfüllt hat.