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InterviewNach 23 Jahren kommt für Wipperfürther Wirtschaftsforum das Aus

Lesezeit 6 Minuten

Hans-Jörg Schneider stand über 20 Jahre an der Spitze des Wirtschaftsbeirats und des Wirtschaftsforums.

Wipperfürth – Das Wirtschaftsforum und der Wirtschaftsbeirat Wipperfürth, 1999 gegründet, lösen sich auf. Mit dem langjährigen Vorsitzenden Hans-Jörg Schneider sprach Stefan Corssen über die Gründe, über Erfolge und Misserfolge.

Viele wissen es gar nicht genau: Was ist das Wirtschaftsforum eigentlich?

1999 wurden aus einem breit angelegten Stadtmarketing-Prozess, angestoßen vom damaligen Bürgermeister Guido Forsting und der Wirtschaftsförderungsgesellschaft WEG, verschiedene Arbeitskreise gegründet. Nach drei bis vier Jahren war die Wirtschaft die einzige AG, die noch übrig geblieben war. Das Forum sollte von seinem ursprünglichen Gedanken alle rund 800 Wipperfürther Unternehmen umfassen, der Beirat war das Steuerungsgremium. Wir waren ein Sprachrohr der lokalen Wirtschaft gegenüber der Politik, der Verwaltung und nach außen hin. Die Kommunikation der Unternehmen untereinander war wichtig. Später wurden beide Begriffe – das Forum und der Beirat – oft synonym verwendet.

Unternehmerversammlung mit abwechslungsreichem Programm

Zwei Jahre in Folge musste die Wipperfürther Unternehmervollversammlung wegen der Corona-Pandemie ausfallen. Jetzt trafen sich in der Alten Drahtzieherei rund 60 Gäste aus Wirtschaft und Politik.

Rund 800 Betriebe gibt es in Wipperfürth, die Hälfte gehört zum produzierenden Gewerbe. Bürgermeister Anne Loth appellierte an die Unternehmer, weiterhin in Ausbildung zu investieren und Geflüchtete zu integrieren. Grundeigentümer sollten bereit seien, Grundstücke an die Stadt zu verkaufen, zu fairen Bedingungen. Der Ausbau des Glasfasernetzes schreite voran. „Es tut sich was, aber es tut sich noch nicht genug“, so Loth.

Der Wirtschaftsbeirat Wipperfürth und das Wirtschaftsforum lösen sich nach über 20 Jahren auf, weil sich für den 1. Vorsitzenden Hans-Jörg Schneider (siehe Interview) kein Nachfolger gefunden hat. Anne Loth bedankte sich bei allen, die sich dort engagiert hatten. „Ich hoffe, dass sich ein Nachfolger für den Beirat findet“, so Loth. Sieben der zuletzt 13 Mitglieder, Frank Rütten, Simon Lorscheid, Jochen Offermann, Daniel Juhr, Marcel Willms, Susanne Fulko, Jens Kaufmann, Ulrich Hödtke, Reinhard Stelberg, Markus Prinz, Hans-Jörg Schneider, Kurt Orbach und Bernd Sax waren anwesend und erhielten kleine Geschenke von City-Managerin Mery Kausemann.

Eine positive Zwischenbilanz zur Wipp-Card zogen die Wipp-Werker. Mittlerweile seien 3613 Karten ausgegeben worden, 19 Arbeitgeber machen mit, in 57 Akzeptanzstellen lässt sich die Karte als Zahlungsmittel einsetzen, damit pumpe man sechsstellige Geldbeträge in den Stadt.

Augenarzt Oliver Wende hatte das Catering für den Abend spendiert. Mit viel Humor stellte er in einem Vortrag seine drei Praxen, das Ocura-Augenzentrum, in Wipperfürth und Köln vor, anhand eines Films konnten die Besucher eine Grauer-Star-OP im Detail verfolgen. Die Wipperfürther Praxis werde bald ins neue Ärztehaus auf der anderen Straßenseite der Gaulstraße ziehen, kündigte Wende an.

Roland Gäbler ist einer der erfolgreichsten deutschen Segler. Bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney gewann er die Bronzemedaille in der Tornado-Bootsklasse, dazu kommen etliche WM- und EM-Titel. Heute arbeitet Gäbler vor allem als Coach und Redner. Erfolgreiche Segler und erfolgreiche Unternehmen haben vieles gemeinsam, so die Quintessenz des Vortrags, der mit packenden Filmsequenzen untermalt wurde. Nur durch gutes Teamwork, flache Hierarchien und klare Kommunikationsregeln lasse sich der richtige Mannschaftsgeist schaffen. Bei lockeren Gesprächen, einem Imbiss und Getränken klang der Abend aus. (cor)

Sie haben viel angestoßen und organisiert. Was war besonders wichtig?

Da ist zunächst die Unternehmervollversammlung, die wir anfangs in Eigenregie durchgeführt haben, die WEG hat später den Redner bezahlt, gemeinsam haben wir dann Sponsoren gesucht. Dann gab zum lokalen Austausch den Wipp-Treff, jeweils mit einem thematischen Schwerpunkt wie etwa „Digitalisierung“ und – zum Jahresabschluss – den Wipp-Treff am Kamin. Später kam als eine Form des lockeren Austausches das Wirtschaftsfrühstück hinzu, das wir in der Corona-Pandemie auch digital durchgeführt haben.

Mit den Wirtschaftsmessen ging es auf und ab ...

Die erste Messe haben wir 2005 in der Mühlenberghalle durchgeführt, später sind wir in die Alte Drahtzieherei umgezogen. Der Versuch, das in professionelle Hände zu geben, ist gescheitert. Die Veranstaltung wurde kurzfristig abgesagt, weil die ausführende Agentur die Standmieten kräftig erhöht hatte. Ich habe daraufhin eine Podiumsdiskussion organisiert zum Thema „Braucht Wipperfürth eine Wirtschaftsmesse?“ – damit haben wir einen Nerv getroffen, das Foyer der Drahtzieherei war voll. Parallel haben wir zum Thema Energiesparen eine „Messe light“ durchgeführt. Die letzte Messe fand 2018 statt, dann kam Corona. Im Lockdown haben wir noch die Aktion „Wipp bringt’s“ durchgeführt, wo wir lokale Händler aufgeführt haben, die ihre Waren bis vor die Haustür liefern. Was wir auch erfolgreich angestoßen haben, ist die gemeinsame Ausbildungsmesse von Hauptschule und Realschule. Und wir haben eine Info-Broschüre zum Wirtschaftsstandort Wipperfürth erstellt, auf Deutsch und Englisch. Alle Arbeit, die wir gemacht haben, war ehrenamtlich. Wir haben was erreicht, auch wenn wir nie eine Satzung hatten. Hauptsache, es macht einer etwas.

Wo gab es Probleme, was hat nicht funktioniert?

Neue Gewerbeflächen zu entwickeln und neue Gewerbe anzusiedeln, das haben wir angestoßen. Die Umsetzung war nicht unsere Aufgabe. 2005 wollten wir ein Leitbild entwickeln, das „Wipperfürth 2021“ hieß. Das grobe Konzept haben wir im Aufsichtsrat der WEG, wo ja auch die Politik vertreten ist, vorgestellt. Das gab es viel Schulterklopfen. Als wird dann weitermachen wollten, hat sich Bürgermeister Guido Forsting quergestellt. Er sagte wörtlich: „Ich werde mir nicht von einer demokratisch nicht legitimierten Kleingruppe die Zukunft Wipperfürths vorschreiben lassen.“ Das war eine große Enttäuschung. Sein Nachfolger Michael von Rekowski war noch nicht lange im Amt, da hieß es „wir wollen ein Leitbild“, davon hat man dann nichts mehr gehört.

Mit „Wipperfürth 2040“ hat die Stadt sich jetzt ein Leitbild gegeben ...

Ja, und da hätte man auf unsere Ideen zurückgreifen können, zumindest für den Teilbereich Wirtschaft. Wir hätten uns gerne mehr eingebracht. Aber daran gab es seitens der Politik kein Interesse. Wir wurden überhaupt nicht beteiligt, zunächst hat man uns wie einen beliebigen Sport- oder Schützenverein behandelt. Was von unserem Leitbild übrig geblieben ist, das ist zum einen Wipp-Kultur, zum anderen haben wir Tourismus-Aktivitäten angestoßen. Und auch die „Wipp-Card“ kam ursprünglich von uns.

Hat der Frust dazu geführt, dass Sie sich jetzt zurückziehen?

Ein ganz klares Nein! Es gab mehr Erfolge als Misserfolge, mehr Glücksgefühle als Frust. Meine Entscheidung hat ausschließlich private Gründe. Nach über 20 Jahren müssen jetzt einfach mal andere ran. Kurt Orbach, der frühere Kämmerer, hat mich immer unterstützt, solange er es konnte. Er war kaum aus dem Amt ausgeschieden, da wurde er schon Mitglied im Wirtschaftsbeirat und hat mich immer bei den Routinearbeiten unterstützt. Die Zusammenarbeit im Beirat war gut, Visionen und Ideen kamen aus der gesamten Gruppe. Es ist natürlich schade, dass sich aus dem jetzigen Kreis keiner gefunden hat, der bereit ist, in die erste Reihe zu treten.