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Neu in Kommunal- und BundespolitikWirtschaftswissenschaftler Gustav Horn im Interview

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Mehrmals im Jahr kommt Gustav Adolf Horn noch ins Oberbergische. Inzwischen lebt er in Brandenburg.

  1. Der gebürtige Oberberger Prof. Dr. Gustav Adolf Horn ist beim Bundesparteitag der SPD in Berlin in den erweiterten Vorstand gewählt worden.
  2. Reiner Thies sprach mit ihm über seine neue Aufgabe in der Politik.
  3. Welche Themen beschäftigen ihn besonders?

OberbergWie häufig sind Sie noch zu Besuch in Oberberg?

Meine Eltern und Geschwister leben ja noch dort. Und weil meine Mutter und mein Vater recht betagt sind, komme ich mehrmals im Jahr zu Besuch.

Wie lässt sich die Zusammenarbeit mit der Oberbergerin Michaela Engelmeier im Bundesvorstand an?

Auf unserer ersten gemeinsamen Vorstandssitzung hat sie mir Grüße aus Oberberg ausgerichtet. (lacht) Wir werden in Berlin eine oberbergische Phalanx bilden.

Sie sind seit Mai 2019 Ratsmitglied in Ihrer brandenburgischen Wahlheimatstadt Bad Belzig. Vertreten Sie im Bundesvorstand die Kommunalpolitik oder doch eher die Wirtschaftswissenschaft?

Ich denke, dass ich vor allem wegen meines wissenschaftlichen Hintergrunds in den Vorstand gewählt wurde. Jedenfalls verstehe ich mich nicht primär als Vertreter einer Region. Dass ich in die Politik gekommen bin, hat sich kurzfristig ergeben. Ich arbeite immer noch als Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen, habe aber das Amt des wissenschaftlichen Direktors des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in Düsseldorf abgegeben. Deshalb hatte ich Zeit, um in Bad Belzig im Stadtrat mitzuarbeiten. In den Regionalkonferenzen zur Wahl der neuen Parteivorsitzenden habe ich mich für Norbert Walter-Borjans eingesetzt. Wir haben zusammen studiert, ich schätze ihn sehr. Im Vorfeld des Parteitags bin ich dann angesprochen worden, ob ich für den Vorstand kandidieren möchte und bin zu meiner eigenen Überraschung gewählt worden.

In Bad Belzig ist die SPD wie überall in Brandenburg noch relativ stark, die AfD dagegen für ostdeutsche Verhältnisse schwach. Sie hat nur einen Ratsvertreter. Woran liegt’s?

Der Mann von der AfD hat sich vor der Wahl nicht besonders ausgezeichnet, und auch sonst hatte die Partei keine attraktiven Kandidaten. Und darauf kommt es bei einer Kommunalwahl ja auch an. Die AfD ist eine Protest- und Angstpartei. Sie versucht, aus Ängsten Kapital zu schlagen. In der Lausitz mag das wegen der angekündigten Schließung des Kohletagebaus bei den Kommunalwahlen funktioniert haben. Grundsätzlich wird die AfD aber wegen einer Protesthaltung gewählt, die sich gegen landes- und bundespolitische Themen richtet. Bei der Landtagswahl hat die AfD denn auch in Brandenburg mehr als 23 Prozent bekommen. Das beunruhigt mich. Es war ein Grund für mich, in die Politik zu gehen.

Bad Belzig liegt wie Waldbröl vor den Toren einer Großstadt. Sehen Sie ähnliche Herausforderungen?

Ich glaube, Belzig ist noch stärker auf die Metropole Berlin orientiert, als es in Waldbröl mit Köln der Fall ist. Die Menschen ziehen aufs Land, die Grundstückspreise steigen stark. Die Situation in Waldbröl kenne ich nicht so gut.

Hat die SPD noch das Potenzial zur Volkspartei?

Die Bindung an die Parteien hat allgemein stark nachgelassen. Die Zustimmung bei Wahlen ist nicht verlässlich. Sie kann aber auch schnell steigen, wie man derzeit bei den Grünen sieht. Das ist eine Chance für eine Partei, die gerade nicht so gut dasteht. Ich glaube, man nimmt die SPD neben ihrer Regierungsbeteiligung zu wenig als eine eigenständige Partei wahr. Wir brauchen auch als Partei Rezepte, die überzeugen und von glaubwürdigen Gesichtern vertreten werden. Wenn wir Kompromisse eingehen, müssen wir darlegen, dass die SPD eigentlich mehr erreichen wollte, etwa in der Klimapolitik. Bisher entstand oft der Eindruck, der Kompromiss wäre schon die Parteilinie.

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Ihre Bindung an die Partei ist offenbar hoch. Sie engagieren sich auch in der evangelischen Kirche. Ist das vergleichbar?

Die Bindungskraft ist in beiden Fällen groß. Beides gehört zu mir. Die ethischen Grundsätze liegen eng beieinander. Ich bin in Oberberg evangelisch aufgewachsen. Zugleich bin ich ein sozialer und ein Bildungsaufsteiger. Ich habe der SPD viel zu verdanken.

Wie sehen Sie das: Waren die Hartz-Reformen aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht ein Fehler?

Das wird in der Forschung unterschiedlich eingeschätzt. Die Neuorganisation der Arbeitsagentur war sicher sinnvoll, der Effekt auf die Beschäftigung aber wohl eher gering. Aus Sicht der SPD war es ein politischer Fehler, weil damit sozialer Halt abgebaut wurde. Und sozialer Halt war und ist, womit man die Partei identifiziert. Die Reformen haben der SPD darum viele Sympathien gekostet. Deshalb war es richtig, auf dem Parteitag mit dem Sozialstaatspapier ein neues Kapitel anzufangen.

Fühlen sie sich nach den vielen Jahren, die Sie in der Wirtschaftswissenschaft tätig waren, in ihren theoretischen Grundsätzen eigentlich eher bestätigt oder eher verunsichert?

Eigentlich bestätigt. Vor allem durch die Finanzmarktkrise. Diese hatte das Potenzial zu einer schweren Depression und sie wurde mit klassisch keynesianischen Mitteln erfolgreich bekämpft. Sicher muss ich aufgrund meiner Erfahrungen vieles neu akzentuieren, aber nicht grundsätzlich korrigieren.