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„No-Show-Gebühren“Wer nicht zum Arzttermin erscheint, muss teilweise auch in Oberberg zahlen

Lesezeit 4 Minuten
Ein Stethoskop liegt auf mehreren Geldscheinen,

Wer nicht zum Arzttermin erscheint, soll zahlen - auch in einigen Praxen in Oberberg.

Immer häufiger erscheinen Patienten nicht zu ihren vereinbarten Terminen – ohne rechtzeitig abzusagen. Eine Entwicklung, die für Ärger sorgt.

Der Terminkalender ist voll, der Zeitplan straff – umso ärgerlicher ist es für Hausarzt Ralph Krolewski, wenn ein Patient einfach nicht erscheint. Der Hausarzt aus Gummersbach klagt: Immer häufiger bleiben Patienten ihren vereinbarten Terminen fern – ohne abzusagen. Seine Praxis hat Konsequenzen gezogen: Wer nicht kommt, ohne sich rechtzeitig abzumelden, muss eine Ausfallgebühr in Höhe von 65 Euro pro halbstündigem Termin zahlen. „Das Nichterscheinen verursacht einen wirtschaftlichen Schaden, den wir in der Praxis nicht auffangen können“, sagt der Arzt. Zudem fallen Termine für die anderen Patienten weg.

Die ohnehin unterfinanzierten Hausarztpraxen leiden zunehmend unter dieser Entwicklung. Besonders kritisch sieht Krolewski die Möglichkeit der Online-Terminbuchung, die es einigen Patienten ermögliche, mehrere Termine gleichzeitig zu vereinbaren – und dann nur zu einem zu erscheinen. Dass Hausärzte weniger von den Terminausfällen betroffen seien, kann der Gummersbacher Arzt nicht bestätigen: „Wir sind genauso betroffen wie Facharztpraxen.“

Forderung der Ärzte nach Ausfallhonoraren wird immer lauter

Dieser Trend lässt sich auch in einer Online-Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ablesen. Demnach erscheinen bis zu 20 Prozent der Patienten nicht zu ihrem vereinbarten Termin. Einzelne Arztpraxen berichten sogar von einer Ausfallquote von bis zu 30 Prozent. Bereits im vergangenen Jahr hat die KBV deshalb eine Ausfallgebühr für nicht wahrgenommene Termine gefordert – sogenannte „No-Show-Gebühren“ (siehe Info am Ende des Textes).

Stefan Lichtinghagen, Vorsitzender der Ärztekammer Nordrhein für den Oberbergischen Kreis, betont – im Gegensatz zu den Erfahrungen von Ralph Krolewski – dass besonders Facharztpraxen unter nicht wahrgenommenen Terminen leiden. „Hausarztpraxen sind in den meisten Fällen ohnehin stark ausgelastet, Terminausfälle fallen bei Fachärzten schwerer ins Gewicht“, so Lichtinghagen.

Es darf nicht zu einer einseitigen Belastung führen.
Stefan Lichtinghagen, Vorsitzender Ärztekammer Nordrhein, Obebergischer Kreis

In seiner eigenen Praxis in der Marienheider Ortschaft Kotthausen erhebe er derzeit keine No-Show-Gebühren, in seinem Team sei das Thema aber bereits diskutiert worden. Lichtinghagen sieht die Hauptprobleme dieser Thematik weniger im rechtlichen Bereich als vielmehr in der praktischen Umsetzung: „Wie stellt man sicher, dass Patienten rechtzeitig absagen können? Wie geht man mit Ausnahmen um? Und ab wann darf man eine Rechnung stellen?“ Insgesamt lehnt der Arzt jedoch eine Ausfallgebühr nicht ab und hält eine pauschale Strafzahlung von 20 Euro für angemessen.

Gleichzeitig warnt er vor möglichen negativen Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient: „Es darf nicht zu einer einseitigen Belastung führen. Auch Praxen stehen in der Pflicht, gut erreichbar zu sein.“ Wie viele Arztpraxen im Oberbergischen Kreis die „No-Show Gebühren“ erheben, ist nicht bekannt, berichten sowohl Ralph Krolewski als auch Stefan Lichtinghagen.

Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein: Diskussion greift zu kurz

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) bestätigt jedenfalls den Trend steigender Terminausfälle – mit einer geschätzten Ausfallquote von mindestens zehn Prozent im Rheinland. Die Forderungen nach Strafzahlungen für solche Ausfälle werde seit Jahren immer wieder laut. Christopher Schneider, Pressesprecher der KVNO, sieht in „No-Show-Gebühren“ jedoch nur eine oberflächliche Lösung. „Die Diskussion lenkt vom eigentlichen Problem ab: Wir brauchen eine medizinisch sinnvolle Steuerung des Zugangs zur ambulanten Versorgung – etwa durch ein Primärarztmodell“ (siehe Info am Ende des Textes).

Erst wenn solche Strukturen da seien, könne man über flankierende Maßnahmen wie Gebühren sprechen. Zudem müssten die Praxen sicherstellen, dass ältere oder weniger digital affine Patienten unkompliziert absagen können – auch telefonisch oder persönlich.

Kritik kommt auch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Das eigentliche Problem sei die mangelhafte Erreichbarkeit vieler Praxen. Diese Erfahrung äußern auch viele Patienten auf digitalen Plattformen. Einige halten Strafgebühren für gerechtfertigt – aus Respekt und Rücksichtnahme. Manche beklagen hingegen, dass Patienten oft keine realistische Möglichkeit haben, Termine abzusagen. Andere kritisieren die einseitige Belastung der Patienten – etwa wenn Arztpraxen selbst häufig Termine überziehen oder diese kurzfristig absagen.


„No-Show-Gebühren“ in Arztpraxen

Laut der Verbraucherzentrale Niedersachsen sind sogenannte „No-Show-Gebühren“ unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Streng genommen handelt es sich dabei um Schadenersatzforderungen. Voraussetzung sei, dass bei der Terminbuchung auf Stornierungsbedingungen und mögliche Ausfallkosten hingewiesen wurde – etwa in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Wird ein Termin rechtzeitig abgesagt, ist ein Ausfallhonorar in der Regel nicht rechtens. Je nach Aufwand und Vorbereitungszeit für den Termin kann im Falle eines kurzfristig entschuldigten Nichterscheinens eine Entschädigung verlangt werden.

Inwieweit dabei eine unverschuldete Absenz (etwa durch Erkrankung) berücksichtigt wird, ist unklar. Eine Gebühr könnte einerseits dazu beitragen, dass Patienten sich eher verpflichtet fühlen, Termine rechtzeitig abzusagen. Andererseits würden Ärzte eine Entschädigung für den Ausfall erhalten.


Primärarztmodell

Über ein Primärarztmodell debattiert aktuell die Bundespolitik. Union und SPD wollen das Modell einführen. Dabei übernimmt der Hausarzt die zentrale Rolle in der medizinischen Versorgung. Patienten verpflichten sich, zunächst den Hausarzt aufzusuchen, der sie bei Bedarf an Fachärzte oder Kliniken überweist. Ziel des Modells ist eine bessere Koordination der Behandlung, eine höhere Versorgungsqualität und die Vermeidung unnötiger Doppeluntersuchungen.