„Noch nicht vorbei“Waldbröler THW-Kräfte sind seit der Flut pausenlos im Einsatz
Waldbröl – Eine große Sporthalle, 300 Menschen auf Feldbetten. Es ist spät, wahrscheinlich längst Mitternacht. Die Beine brennen, die Arme schmerzen, der Schädel brummt. Und im Kopf kreisen die Bilder des Tages. „Irgendwann schläft aber jeder – aus Erschöpfung.“ Florian Krebs weiß, wovon er spricht:
Seit 2016 ist der heute 34-Jährige Ortsbeauftragter des Technischen Hilfswerks (THW) in Waldbröl. Und er gehört zu den vielen ehrenamtlich tätigen Einsatzkräften, die nach dem Hochwasser in Nordrhein-Westfalen auch weiterhin unermüdlich im Einsatz sind.
Sichern, was noch zu sichern ist
„Und das ist noch lange nicht vorbei“, ahnt der gelernte Wasserbauer, der in der Marktstadt auf 35 Kameraden zählen kann. Die haben abends am 15. Juli, einem Donnerstag, ihren ersten Einsatz – die Fahrt führt sie nach Hückeswagen, in der Ortschaft Hartkopsbever sichert die Mannschaft ein Umspannwerk – zunächst erfolgreich, doch in der Nacht fällt dieses nach einem technischen Defekt plötzlich aus.
„1000 Sandsäcke waren schnell weg, der Betreiber eines Steinbruchs hat uns in kürzester Zeit 50 Tonnen Sand hingekippt, sodass wir weitere 5000 Säcke füllen können“, blickt Krebs zurück und erinnert sich: „Niemand von uns hat da geahnt, was am Ende auf uns zurollt.“
Danach geht es Schlag auf Schlag. Erst Weilerswist, erneut Hückeswagen, dann Euskirchen, immer wieder: Dort ist der Ort Schweinheim völlig zerstört. „Wenn die Häuser noch nicht eingestürzt waren, so drohten sie, in sich zusammenzubrechen“, sagt Krebs. Die Waldbröler sind angerückt um zu sichern, was noch zu sichern ist, um die Straßen zu räumen, damit Retter und Helfer vorwärts kommen, um die örtlichen Flüsse, darunter den Steinbach, von Geröll und Schutt zu befreien, damit das Wasser abfließen kann.
15 Stunden in den Trümmern durchgearbeitet
Die Fachgruppe „Räumen“, so heißen die Einheiten beim THW, ist noch jung, erst vor einem Jahr hat sie sich etabliert. Es ist ihr erster Einsatz. „Was wir dort in Schweinheim erlebt haben, das konnten wir nicht üben“, sagt Krebs und lobt das Zusammenspiel von Feuerwehr in der Einsatzleitung sowie Bundeswehr und THW, „das lief“. Mindestens zwölf, aber auch 15 Stunden schuften die Marktstädter in den Trümmern, sechs Tage lang.
„Sechs Menschen wurden noch vermisst“, schildert der Ortsbeauftragte. Sitzt einem die Angst im Nacken? Krebs zögert. „Nein, aber der Respekt vor der Aufgabe wird immer größer, wenn man ihre Dimensionen begreift.“
„Das muss man psychisch wegstecken können, wenn es so weit ist“
Einer der älteren, sehr erfahrenen Kameraden geht stets voraus, hält Ausschau nach Verletzten, nach Toten. „Das muss man psychisch wegstecken können, wenn es so weit ist“, sagt Krebs. „Man weiß nicht, was einen erwartet, wenn man das Wrack eines Autos bergen oder Bäume aus dem Fluss ziehen will.“ Den Waldbrölern aber bleibt das erspart, die Herausforderungen sind ganz anderer Art. „Wie will man ein Auto bergen, das so aussieht als käme es aus der Schrottpresse? Da kann man nicht einfach das Stahlseil anschlagen und die Winde anwerfen.“
Am Freitag und zuletzt am Sonntag kehren die Waldbröler THW-Kräfte an ihren Standort in Hermesdorf zurück. Dann werden sie Schäden an der Ausrüstung sichten, Reparaturen ausführen, ihre Fahrzeuge und Geräte reinigen, Inventur machen, sich erholen so gut es geht. „Ruhemodus, bis wir uns wieder einsatzbereit melden“, beschreibt Krebs diese Verschnaufpause.
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Zudem erwarten den Ortsbeauftragten nicht gerade angenehme Gespräche: Er muss zwei Arbeitgeber in einer Nachbarkommune daran erinnern, dass die Einsatzkräfte per Gesetz bei solchen Katastrophen freizustellen sind. „Aber daran halten sich längst nicht alle.“
Der Alltag geht weiter
Und dann ist da noch die Familie, Ehefrau Sabrina und Sohn Liam (9). „Meine Frau habe ich beim THW kennen gelernt – sie versteht, was ich tue und warum“, verrät Florian Krebs. Und als in der Nacht zum vergangenen Dienstag der Pieper geht und die THW-Kräfte zur Unterstützung nach Nümbrecht und dort zum brennenden Engelsstift gerufen werden, steht Liam hellwach im Flur, verabschiedet sich von seinem Vater. „Er hat mir einen guten Einsatz gewünscht“, sagt der. „Solche Alltagsaufgaben laufen ja weiter.“