AboAbonnieren

Besuch in IsraelNümbrechter trafen in Mateh Yehuda neuen Landrat

Lesezeit 4 Minuten
Professor Igor Epstein (links), Peter und Marion Reinecke (2. und 3. von links), Ex-Landrat Niv Viezel (3. von rechts) und Arieh Cohen, Landrat aus dem Kreis Megilot (2. von rechts) sowie Judith, die Tochter der Reineckes.

Professor Igor Epstein (l.), Peter und Marion Reinecke (2. u. 3. v. l.), Ex-Landrat Niv Viezel (3.v.r.) und Arieh Cohen, Landrat aus dem Kreis Megilot (2.v.r.) sowie Judith, die Tochter der Reineckes.

Der Freundeskreis Nümbrecht — Mateh Yehuda sorgt auch in Zeiten des Krieges dafür, dass der Kontakt nach Israel nicht abreißt.

Das Band zwischen den Nümbrechtern und den Menschen Landkreis Mateh Yehuda in Israel ist fest geknüpft, die Brücke steht stabil. „In Zeiten der Krise erweisen sich Freundschaften“, sagt Marion Reinecke, Vorsitzende des Freundeskreises Nümbrecht-Mateh Yehuda. Auch jetzt, während sich Israel nach dem terroristischen Überfall im Herbst im Krieg befindet, laufen die Besuche. „Gerade jetzt“, betont die Vorsitzende, die erst kürzlich mit einer kleinen Gruppe zu Besuch in Israel war.

Dort hat die Nümbrechter Delegation auch den neuen Landrat von Mateh Yehuda, Avishai Cohen, kennengelernt. So wie sein Vorgänger Niv Viezel , der mehrfach in Nümbrecht zu gast war, möchte auch Cohen die Städtepartnerschaft fortführen. „Das ist nicht selbstverständlich“, sagt Marion Reinecke erfreut, die den neuen Landrat ganz offiziell zu einem Antrittsbesuch nach Nümbrecht einladen will.

Besuch aus Mateh Yehuda in Nümbrecht im Juli 2024.

Auszeit in Nümbrecht von der psychischen Dauerbelastung in Israel: Vorne in weiß die Brüder Rotem und Lior Zohar, hinter Rotem in schwarz ihre Mutter: Die Lehrerin Sigal Zohar ist eine Freundin von Marion Reinecke (hinter Lior) aus Nümbrecht.

Die Reisegruppe aus Nümbrecht, zu der erneut auch der Kölner Professor Igor Epstein gehörte, sei ganz verschiedenen Gefühlslagen begegnet, als sie im Juni in Mateh Yehuda waren, berichtet Marion Reinecke.

Fröhlich und bedrückendOffizieller Anlass war ein traditionelles Weinfestival, dessen Ausrichtung in Israel kontrovers diskutiert worden sei: Ist das jetzt, wo viele Familien trauern oder noch auf verschleppte Angehörige warten, angebracht? Oder ist es viel mehr ein Zeichen, dass das Leben weiter gehen muss?

Den Wunsch nach Frieden — da bin ich mir ganz sicher — den gibt es auch in Gaza.
Marion Reinecke

Letztlich fand es statt, mit insgesamt 2000 Gästen, darunter auch die Botschafter aus zwölf Ländern wie Spanien, Österreich und Südkorea. „Es hat den Menschen sichtlich gut getan, sich zu sehen und zu sprechen, auch wenn sich fröhliche und bedrückende Momente abgewechselt hätten“, so Marion Reinecke. Sie sprach dort mit vielen Müttern, deren Kinder beim Militär sind oder als Geiseln verschleppt wurden. Und mit einer israelischen Freundin ihrer Tochter, die wegen eines Migräneanfalls jenes Musikfestival verpasste, das die Hamas brutal überfiel.

Freundschaften, aber auch Misstrauen

Fast alle Israelis lehnten die Politik der die Regierung um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu strikt ab; seit Monaten werde gegen den Rechtspopulisten demonstriert, auch vor dessen Amtssitz. „Die Menschen sagen: Wir wollen das nicht, wir müssen doch auch in Zukunft mit den Palästinensern zusammenleben“, berichtet Marion Reinecke, die es als sehr positiv empfindet, dass persönliche Freundschaften zwischen Israelis, Palästinensern und israelischen Arabern durchaus weiter Bestand haben — auch wenn Misstrauen gleichfalls weit verbreitet sei.

Beeindruckt habe sie eine der ältesten Geiseln, eine Holocaust-Überlebende, die nach ihrer Freilassung gesagt habe, sie wolle weiter einstehen für Frieden und Versöhnung. „Und das sagen auch manche junge Familien, die jetzt aus Mateh Yehuda zurück in den Süden ziehen und sagen: Wir wünschen uns nur Frieden!“, so Reinecke.

Ob es diese Tendenzen auch in Gaza gibt? „Kurz nach dem Überfall am 7. Oktober gab es dort Demos, bei denen rund 100 Menschen für den Frieden demonstriert haben. Aber von diesen Menschen hat man seitdem nichts mehr gehört. Aber den Wunsch nach Frieden — da bin ich mir ganz sicher — den gibt es auch in Gaza.“

Nachdenken über die Zeit nach Netanjahu

Manchen Hoffnungsschimmer haben die Nümbrechter in Mateh Yehuda entdeckt. Dazu gehört auch die Äußerung des Politikers Benny Gantz, der Netanjahus Kriegskabinett verlassen hat und der vielen Israelis als Hoffnungsträger einer neuen Zeit nach Netanjahu gilt. Denn auch der sage: „Mit dieser Regierung gibt es keine Perspektive für Gaza. Aber wir müssen ja zusammenleben“, zitiert ihn Marion Reinecke.

Zu einem Gegenbesuch hatte der Nümbrechter Freundeskreis jetzt die Highschool-Lehrerin Sigal Zohar mit ihren beiden Söhnen Lior und Rotem, die zurzeit beide beim israelischen Militär dienen, einer im Norden des Landes, der andere im Süden. Die drei nutzen einige freie Tage, um das Oberbergische zu besuchen, „als Auszeit von der immensen psychischen Dauerbelastung in ihrem Heimatland“, so Marion Reinecke.

Der Besuch ist gedacht als Auszeit von der immensen psychischen Dauerbelastung in ihrem Heimatland.
Marion Reinecke

Sigal Zohar arbeitet als Lehrerin im Landkreis Mateh Yehuda und begleitet den Schüler- und Jugendaustausch mit Nümbrecht schon seit vielen Jahren. Viele ehemaligen Schülerinnen und Schüler von Sigal Zohar sind in aktuell in der Armee oder wurden zu Opfern des terroristischen Überfalls der Hamas, dazu zählt auch die Deutsch-Israelin Shani Louk, die beim Massaker auf dem Supernova-Festival verschleppt und später ermordet wurde. Diese tragischen Themen blieben bei den Gesprächen nicht ausgespart.

Die Nümbrechter, so Marion Reinecke, seien teilweise zutiefst erschüttert gewesen von den Erzählungen der Israelis. Die Gäste ihrerseits seien überwältigt gewesen vom herzlichen Empfang in Nümbrecht – und auch von den Angeboten, dass sie jederzeit und immer willkommen zu sein, berichtet Heidrun Schmeis-Noack vom Freundeskreis. Sie hätten ausdrücklich betont, wie gut es tue, „dass man in der heutigen Zeit wisse, dass man Freunde in Deutschland hat, die zu uns stehen“.