Mit Unterstützung der Biologischen Station stellen wir Arten vor, die uns im Oberbergischen aufgefallen sind. Heute die Hauszwetschge.
Lebendiges OberbergDie Hauszwetschge ist so nützlich wie lecker
Der Laie ist sogar geneigt, Früchte von Mirabellen, Renekloden und Zwetschgen irrtümlich als unterschiedliche Arten wahrzunehmen. Von den im Bergischen Land traditionell vorkommenden Obstgehölzen gilt die Pflaume (Prunus domestica) mit ihren variationsreichen Untergruppen als genetisch vielfältigste Spezies.
Mitteleuropa verfügt bei den Pflaumen über eine so gewaltige Diversität, dass die Annahme, die heimischen Vorkommen lassen sich auf erst von den Römern über die Alpen gebrachte Exemplare zurückführen, angezweifelt werden muss. Für eine länger zurückliegende Nutzung sprechen auch Funde von Pflaumenkernen, die über 6000 Jahre zurückdatiert wurden. Auf jeden Fall gehören Pflaumen zum Urbestand des mitteleuropäischen Obstbaus und gelten hier als ältestes kultiviertes Obstgehölz.
Auch in Oberberg haben die Pflaumenbaumbestände gelitten
Doch der Fortbestand dieser Vielfalt steht an einem kritischen Punkt. Die Bäume wachsen in der Regel in Hutungen, Dorfkämpen, freiwachsenden Hecken und artenreichen Waldrändern, also in vom Verschwinden bedrohten Elementen unserer Kulturlandschaft. Viele möglicherweise einzigartige Bestände fielen bereits der Intensivierung der Landschaftsnutzung zum Opfer.
Diese alten lokalen Bestände sind optimal auf bestimmte Regionen mit spezifischen Standorteigenschaften abgestimmt. Diese Pflaumenpopulationen sind also kein ästhetischer Luxus für Liebhaber, sondern eine „Gendatenbank“, die Resistenzen, Fruchteigenschaften, Standortanpassungen und sonstige Charakteristika gespeichert hat. Das gilt auch für Anforderungen, die erst irgendwann in der Zukunft relevant sein können, etwa wegen ihrer Widerstandsfähigkeit im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Einmal ausgerottet geht dieses Potenzial verloren.
Das Oberbergische bietet gute Bedingungen
Entsprechend der genetischen Vielfalt haben Pflaumen bezüglich der Standortansprüche eine große Bandbreite. Grundsätzlich lieben sie eher frische bis feuchte, nährstoff- und humusreiche Böden.
Landläufig werden sämtliche kleinfruchtigen, gelblichen Pflaumen als Mirabelle bezeichnet, was oft nicht stimmt, denn häufig handelt es sich um andere Unterarten wie zum Beispiel Kriechen- oder Haferpflaumen, eine kaum bekannte Gruppe. Es sind Kleinbäume oder Großsträucher mit farbenfrohen Früchten, die sich bestens für aromatische Obstbrände eignen, aber natürlich auch roh verzehrt werden können. Daneben gibt es noch die Gruppen der Spillinge, Ziparten und Kuchelzwetschgen, allesamt mit zig Sorten und Varietäten.
Das Bergische hat keine eigene Sorte
Eine verhältnismäßig bekannte Pflaumensorte ist die Hauszwetschge. Diese Sorte ist überall in Deutschland weit verbreitet. Sie reift im September und eignet sich hervorragend zur Herstellung der rheinischen Spezialität Prummetaat oder Quetschekooche aber auch für Pflaumenmus. In manchen Regionen Deutschlands wurden den lokalen Variationen dieser Sorte im Stil lokalpatriotischer Okkupation eigene regionale Namen verpasst, wie „Melker Hauszwetschge“ oder „Fränkische Zwetschge“. Obwohl es auch im Bergischen Land gute Zwetschgen gibt, geschah dies hier bescheidenerweise nicht. Im Bergischen Land spricht man lediglich von Hauszwetschgen, aber das schon lange, denn die Sorte hat sich bewährt.
Das Schöne an ihr ist, dass sie sich einfach durch Wurzelausläufer vermehren lässt und nicht gepfropft werden muss. Dazu kann man die Ausläufer, die im Nahbereich älterer Exemplare aus Wurzeln nach oben sprießen, durchtrennen und nach einiger Zeit der Isolation vom Mutterbaum ausgraben. Diese Klone können im nächsten Jahr an einen anderen Standort verpflanzen werden.
Der Kulturlandschaftspflege und dem Obstgartenbau kommt eine besondere Bedeutung zu, möchten wir neben der Hauszwetschge die Gesamtheit der Pflaumensorten behalten. Genbanken reichen kaum aus, das breite Spektrum für die nächsten Generationen zu konservieren. Da wir nicht die komplette Kulturlandschaft unter strenge Naturschutzvorschriften stellen können, kann nur der lebendige Obst- und Gartenbau das Potenzial, das in den Steinfrüchten steckt, durch Anbau und Nutzung der Hauszwetschge und ihrer Verwandten auf Dauer sichern. Die Biologische Station Oberberg appelliert: „Nehmen Sie sich ein Herz und pflanzen Sie eine Zwetschge. Möglicherweise spricht man in einigen Generationen dann doch von der Bergischen Hauszwetschge.“