Kleinere Gewässer ausgetrocknetDürre macht Oberbergischem Kreis zu schaffen
Oberberg – „So habe ich den Bach noch nie gesehen.“ Wastl Roth-Seefrid ist fassungslos, kopfschüttelnd blickt der Wegemanager im Naturpark Bergisches Land auf den Hufener Bach – oder auf das schmale Rinnsal, das davon noch übrig ist. Roth-Seefrid ist ganz in der Nähe aufgewachsen. „Hier haben wir als Kinder oft gespielt – dort haben wir Dämme gebaut, da sind wir dann reingesprungen.“ Das alles ist heute streng verboten. Denn das Hufener Bachtal, tief im Süden der Stadt Waldbröl gelegen, steht unter Naturschutz. Der sonst so idyllische, fruchtbare Flecken Erde mit Feuchtwiesen und vielfältiger Fauna gilt als echter Geheimtipp unter Wanderern. Jetzt ist er in Gefahr.
„Leider sind viele, viele Bäche und Flüsse im Kreisgebiet längst trockengefallen“, berichtet Olaf Schriever von der Biologischen Station in Nümbrecht. Zuletzt sei er am Mummicker Siefen unterhalb von Bergneustadt unterwegs gewesen: „Dort ist ebenfalls alles ausgetrocknet.“ Zwar könnten Tiere und Pflanzen eine gewisse Zeit mit weniger oder sogar ohne Wasser auskommen, aber noch länger anhalten dürfe diese Dürre nicht.
Orchideen vor Ort von Einwanderer-Pflanzen verdrängt
Auf den Feuchtwiesen im Hufener Bachtal wachsen seltene Orchideen, etwa das Breitblättrige Knabenkraut und die Waldhyazinthe. „Ein bis zwei trockene Jahre stecken die weg“, sagt Fachmann Schriever. „Aber werden die Feuchtwiesen immer trockener, könnten Einwanderer-Pflanzen, die mit weniger Wasser auskommen, diese Orchideen verdrängen.“
Trockenheit in Oberberg
Geringe Niederschlagsmenge
Mit großer Sorge blicken Walter Mittler, Leiter der Unteren Wasserbehörde beim Oberbergischen Kreis, und Frank Herhaus als zuständiger Dezernent auf die geringen Niederschlagsmengen, die weiterhin sinken. „An der Aggertalsperre fielen im August bisher fünf Liter pro Quadratmeter, normal wären 73“, sagt Mittler. „Im Juli waren es noch 40 Liter, normal wären 82.“ Das werde wohl der trockenste August überhaupt, ahnt Mittler. „Da wir keinen Regen machen können, sind wir zum Zusehen gezwungen.“
Als einzig mögliche Reaktion darauf hat der Kreis vor bald zehn Tagen eine Allgemeinverfügung erlassen, die eine Entnahme von Wasser aus Flüssen und Bächen zunächst bis zum 31. Oktober verbietet. „Wir mussten die Reißleine ziehen, es ging nicht mehr“, erklärt Dezernent Herhaus. „Einen solchen Plan hatten wir auch in den vergangenen trockenen Jahren – nur haben wir damals noch von der Umsetzung abgesehen.“
Von der Trockenheit besonders betroffen ist nach Angaben von Mittler und Herhaus der Süden des Kreises. „Im Norden gab es wenigstens ein paar Gewitter“, blickt Herhaus zurück. „Doch geholfen haben die am Ende auch nicht. Die Natur trinkt den Gewässern alles weg.“ (höh)
Allein ein sechs bis acht Wochen andauernder Regen wäre eine echte Hilfe, sagt Olaf Schriever, auch, um Oberbergs Grundwasser und damit die Gewässer aufzufüllen: „Die Krebse zum Beispiel folgen dem Wasser bis an seine Quelle oder bis zur Talsperre, um ihre Eier in Schlamm abzulegen“, führt der Experte aus. Und seien sie abgewandert, werde es danach lange dauern, bis sie ihre alten Gebiete erneut bevölkern. „Da sind dann noch die von Menschenhand geschaffene Barrieren, die für die Tiere schwer zu überwinden sind – sofern sie nicht daran hängen bleiben oder darin feststecken.“
Fast alle kleineren Gewässer im Kreisgebiet ausgetrocknet
Wer im Hufener Bachtal auf die Brücke in der Nähe der Haltestelle Wies tritt, der sieht auf der einen Seite, wie dem Bach in den 1960er Jahren ein neues Bett bereitet worden ist. Auf der anderen darf der natürliche Wasserlauf Kurven und Haken schlagen, er mäandert. „Heute wünschen wir uns, wir hätten nie eingegriffen“, sagt der Schönenbacher Roth-Seefrid mit Blick auf die heutige Landschaft. Damals sollte dort die Pochetalsperre gebaut werden, das geschah nie.
Dramatische Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt fürchtet auch Frank Herhaus, Umweltdezernent des Oberbergischen Kreises. „So schlimm wie in diesem Jahr ist es noch nie zuvor gewesen“, urteilt er düster. „Nahezu alle kleineren Gewässer im Kreisgebiet sind bereits ausgetrocknet.“ Er nennt die Bachforelle und die Groppe als Beispiele für Arten, denen gerade die Luft ausgeht – im wahrsten Sinne des Wortes: „Sinkende Pegel bedeuten wärmeres Wasser. Und wärmeres Wasser bedeutet weniger Sauerstoff.“ Diese Fische aber seien auf sauerstoffreiche und kalte Gewässer angewiesen. „Den Tiefpunkt haben wir noch nicht erreicht.“
Wasser aus Aggertal- und Wiehltalsperre
300 Liter Wasser pro Sekunde lässt der Aggerverband zurzeit aus der Aggertalsperre ab sowie 100 Liter pro Sekunde aus der Wiehltalsperre. „Damit wollen wir verhindern, dass umliegende Gewässer, vor allem die Agger, trockenfallen und für eine Anreicherung mit Sauerstoff sorgen“, erklärt Verbandssprecher Axel Blüm. „Wie ein dringend benötigter Landregen wirkt das natürlich nicht.“
Die Länge von Oberbergs gesamten Fließgewässernetz beziffert Blüm auf rund 3000 Kilometer. „Ob das Erfolg hat, können wir jedoch heute noch nicht abschätzen.“ Schließlich habe es eine derartige Situation in Oberberg lange nicht mehr gegeben. Blüm erinnert sich: „Vor Jahren war die Dörspe bei Bergneustadt in Teilen ausgetrocknet.“ Er macht ebenfalls Eingriffe in die Natur, vor allem zugunsten der Landwirtschaft mit begradigten Flussläufen etwa und zu wenigen Schattenbereichen für solche Folgen verantwortlich.