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Freikirchen-Forum OberbergEin Netzwerk ohne Mandat für Corona-Appelle

Lesezeit 5 Minuten

Im Video-Interview: Manuel Lüling (EFG Wiedenest, o.l.), Stefan Hofmann (FeGM, o.r.), Rainer Baum (FeG Dieringhausen, u.l.) und Dr. Peter von Knorre (EFG Derschlag, u.r.).

Oberberg – Mitten in der Pandemie hat sich das Freikirchen-Forum Oberberg gegründet und fungiert jetzt als Ansprechpartner für den Kreis. Frank Klemmer sprach mit Manuel Lüling, Dr. Peter von Knorre, Stefan Hofmann und Rainer Baum über den Umgang der Freikirchen mit der Pandemie.

Was ist das Freikirchen-Forum und warum haben Sie es gegründet?

Lüling: Im Freikirchen-Forum haben sich bisher 32 von insgesamt etwa 70 selbstständigen evangelischen Freikirchen zusammengeschlossen. Wir vier waren damals die Initiatoren.

Hofmann: Die Gemeinden, die sich uns angeschlossen haben, kommen aus dem gesamten Oberbergischen.

Baum: Wir haben einfach gemerkt, dass die Freikirchen überhaupt keine Stimme haben. Als im vergangenen Jahr der Kreis Maßnahmen beschlossen hatte, konnte er mit dem Kreisdechanten sprechen und mit der Superintendenten. Aber bei uns gab es niemanden. So ist jede Gemeinde von den Maßnahmen, die beschlossen wurden, letztlich immer überrascht worden.

von Knorre: Unser Ziel war ein konstruktiver Dialog. Wir hatten dann auch im Juni ein langes Gespräch mit dem Landrat, das genau damit begonnen hat.

32 von etwa 70 ist ja schon eine Menge. Aber was ist mit den anderen? Wollen die nicht?

Lüling: Offen gesagt: Wir wissen das nicht. Denn tatsächlich gibt eine ganze Reihe von Gemeinden, zu denen wir überhaupt keinen Kontakt haben. Unser Angebot steht aber: Jede Freikirche kann bei uns mitmachen.

Hofmann: Wir können zunächst aber natürlich nur für unsere Gemeinden sprechen und da ist uns völlig bewusst, wie gefährlich diese Pandemie ist.

Was glauben Sie: Sind die freikirchlichen Gemeinden, zu denen Sie keinen Kontakt haben, der Grund für die hohe Inzidenz in Oberberg?

Baum: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Freikirchen wirklich das Problem sind. Ein Beispiel: Ich selbst komme aus dem Siegerland. Die Gegend dort ist fast noch mehr durch freikirchliche Gemeinden geprägt als die hier. Dennoch gibt es da die ganze Zeit über eine geringere Inzidenz.

Der Landrat hat im Interview mit uns gesagt, Religion spiele bei der Entscheidung für eine Impfung für einige Menschen eine große Rolle. Wie sehen Sie das? Gibt es aus Ihrer religiöse Gründe auf eine Impfung zu verzichten?

Baum: Ich persönlich sehe keine religiösen Gründe, die dagegen sprechen. Ich glaube, es geht eher um einen Grundvertrauen in den Staat und seine Maßnahmen, das bei einigen nicht so ausgeprägt ist.

von Knorre: Der Wert der Gewissensfreiheit wird in freikirchlichen Gemeinden besonders betont. Da gibt es zum Teil offenbar auch persönliche Gründe, die bei einigen gegen eine Impfung sprechen. Und manche fühlen sich unter Druck gesetzt.

Lüling: Vor allem sind die Freikirchen so heterogen, dass sich eigentlich keine eindeutigen Aussagen treffen lassen.

Hofmann: Ein Grund kann eine negative Erfahrung mit der Staatsgewalt sein, wie sie manche aus dem Ursprungsland mitbringen.

Lüling: Das ist eher eine kulturelle Frage als eine religiöse.

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Was könnten Sie machen, um den Kreis bei Impfaktionen zu unterstützen? Wäre ein Appell möglich?

Baum: Das können wir nicht. Letztlich sind wir nun ein Netzwerk. Wir sind beauftragt, im Gespräch mit der Verwaltung die Interessen der Gemeinden wahrzunehmen, haben aber kein Mandat, direktiv in die Gemeinden hineinzuwirken.

Lüling: Das entscheidet jede Ortsgemeinde selbst. Letztlich ist das aber auch nichts anderes als bei der Landeskirche. Auch in den evangelischen Gemeinden durften innerhalb deren Leitlinie bis zur vergangenen Woche den einzelnen Presbyterien entschieden, ob 3G und Maskenpflicht gelten.

Wie halten Sie es denn in Ihren eigenen Gemeinden mit 3G und der Maskenpflicht? Brauchten Sie die Regel vom Kreis, die seit Montag gilt, überhaupt?

Lüling: Wir in Wiedenest hatten 3G und Maskenpflicht schon vorher.

von Knorre: Wir in Derschlag auch.

Baum: In Dieringhausen war das genauso. Allerdings war es bis zum Herbst noch so, dass die Maske am Sitzplatz abgenommen werden durfte.

Hofmann: Wir in Niederseßmar sind einen eigenen Weg gegangen: ein ausgeklügeltes Hygienekonzept mit Abstand und Maske, aber ohne 3G. Das hatte sich bewährt, zum Beispiel im Mai, als wir einen Fall mit der Delta-Variante in der Gemeinde hatten. Trotzdem hat er niemanden angesteckt. Deshalb haben wir daran festgehalten, obwohl zwischenzeitlich eine Lockerung möglich gewesen wäre. 3G kam bei uns erst jetzt dazu.

Baum: Man muss festhalten, dass es in den Gemeinden, zu denen wir Kontakt haben, einen sehr verantwortungsvollen Umgang mit der Pandemie gibt.

Jetzt sind Sie also mit dem Oberbergischen Kreis im Gespräch. Hat das Ihre Sicht auf die Abläufe und die Notwendigkeit von Maßnahmen auch hinsichtlich von Gottesdiensten geändert?

Lüling: Wir erleben einen wertschätzenden Umgang. Man merkt das Bemühen, unterschiedliche Sichtweisen ernstzunehmen.

Hofmann: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Gespräche sehr zum Vertrauen zwischen Behörden und Gemeinden beitragen. Unser Eindruck ist, dass Vertrauen gerade ein besonders sensibles und hohes Gut in unserer Gesellschaft ist. Und es ist dringend notwendig, um Stigmatisierungen und Polarisierungen entgegenzuwirken und zur Eindämmung der Pandemie beizutragen. Miteinander im Gespräch zu sein, ist da ein wirklich hilfreiches Mittel.

von Knorre: Vor allem versteht man dann, wenn man dabei ist, wie schwierig es ist, die Entscheidungen zu treffen, die der Kreis trifft.