ModellbauGummersbacher demonstriert Arbeit der Seenotrettung mit einem Diorama
Oberberg – Knapp 300 Kilometer liegen zwischen der oberbergischen Kreisstadt Gummersbach und der Nordseeinsel Borkum. Dort war bis Sommer 1963 der Seenotrettungskreuzer Theodor Heuss stationiert. Danach hat er noch bis 1985 von Laboe aus hunderte in Seenot geratene Menschen aus misslicher Lage befreit.
Mehr als 30 Jahre nach ihrer Außerdienststellung ist die Theodor Heuss nun noch einmal im Einsatz: Ein Gummersbacher hat dem legendären Kreuzer der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) neues Leben eingehaucht.
In seinem Zuhause in der Gummersbacher Innenstadt startet Hermann Kammler den Seenotfall per Knopfdruck: In einer offenen Kiste, auf einer Fläche etwa so groß wie eine Schreibtischunterlage, schaukelt die klitzekleine Version der Theodor Heuss auf stürmischer See, ihr Tochterboot Tiedje kämpft sich den Weg durch die tosenden Wellen zu einem gekenterten Kutter. Blitze zucken am Himmel, Donner grollt bedrohlich. Ein Helikopter naht mit blinkenden Positionslichtern und lässt eine Seilwinde zum Havaristen hinab.
Kammler (70) ist passionierter Modellbauer und hat das Diorama im Maßstab 1:220 gemeinsam mit Günter Falkus aus dem hessischen Groß-Gerau verwirklicht. Letzterer hatte die Idee zur Rettungsaktion, die im Jahr 1960 am Hindenburgdamm bei Sylt spielt. Der Zeit angemessen steht eine Dampflokomotive, Spurgröße Z, auf den Schienen mitten im nordfriesischen Wattenmeer. Vom Damm beleuchtet das Zugpersonal mit Lampen die Szenerie.
Indes: Wer die Logbücher der DGzRS durchforstet, wird nach diesem Einsatz vergeblich suchen. Er hat so nie stattgefunden, schließlich hatte die Theodor Heuss ein anderes Seerevier. All das gehört zur künstlerischen Freiheit, die sich Modellbauer Kammler und sein Kollege genommen haben. Für die Seenotretter, die ihre Zentrale in Bremen haben, ist es trotzdem eine Ehre, dass ihre Arbeit auf Nord- und Ostsee mit so einem schönen Miniaturmodell gewürdigt wird. Jüngst widmete die DGzRS dem Diorama eine Seite im eigenen Magazin.
Seenotretter in Oberberg
Der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS), gegründet 1865 in Kiel, obliegt als nichtstaatlicher Organisation die hoheitliche Aufgabe des maritimen Such- und Rettungsdienstes auf deutschen Gewässern. Schirmherr ist der Bundespräsident. Von der Seenot-Rettungsleitstelle in Bremen werden 20 moderne Rettungskreuzer und 40 Rettungsboote in die Einsätze geschickt. Sie sind entlang der gesamten Nordsee und Ostsee und ihren Inseln stationiert – von der Emsmündung im Westen bis zur Pommerschen Bucht im Osten. 800 freiwillige und 180 festangestellte Retter fuhren im vergangenen Jahr zu 2140 Seenotfällen hinaus. Dabei wurden 351 Menschen gerettet. Den finanziellen Aufwand für 2019 beziffert die DGzRS auf 55 Millionen Euro – kein einziger Cent aus Steuergeldern sei benötigt worden. Traditionell finanziert sich die DGzRS ausschließlich aus Spenden und freiwilligen Beiträgen.
600
Förderer ungefähr leben in Oberberg, teilt DGzRS-Sprecher Ralf Baur auf Anfrage mit. Marianne Manegold ist eine von ihnen: Die heute 83-Jährige zog 1966 nach der Heirat von Niedersachsen nach Bergneustadt. Schon als junge Frau habe sie oft Helgoland besucht, später Cuxhaven und über viele Jahre Büsum. Vielerorts habe sie die Rettungskreuzer gesehen und bei „Tagen der Seenotretter“ auch besichtigt. Bis heute unterstützt sie die DGzRS deswegen. In Nordrhein-Westfalen und in Berlin sei die Unterstützung am größten, was das Binnenland angeht, sagt Baur. Die meisten Förderer aber lebten an der Küste. So nehme die Zahl der Unterstützer ab, je weiter weg sie vom Einsatzgebiet wohnen.
20
Sammelschiffchen der Seenotretter haben ihren Liegeplatz in Oberberg, etwa auf Kneipentresen. Jedermann kann Münzen oder Scheine hineinstecken, um die Seenotretter zu unterstützen.
40000
Euro seien es annähernd, die in den vergangenen zwei Jahren aus dem Oberbergischen an die DGzRS geflossen sind, sagt Sprecher Ralf Baur – und nennt ein Beispiel, was mit den Spenden geschieht: „Mit dem Geld können wir zum Beispiel zwei neue LED-Scheinwerfer für unseren zweitgrößten Seenotrettungskreuzer Harro Koebke finanzieren. Im Dunkeln ist er für die Seenotretter beim Ausleuchten von Havaristen und bei der Suche nach Schiffbrüchigen ein sehr wichtiges Hilfsmittel. Die Harro Koebke erhält bei ihrer turnusgemäßen Generalüberholung Ende des Jahres die beiden neuen Scheinwerfer.“ (ag)
www.seenotretter.de
Knapp zwei Jahre lang haben Kammler und Falkus an den Diorama gebaut. Viel Zeit beanspruchte nicht allein die Ausarbeitung des Eisenbahndamms und der Meeresszenerie mit der aufschäumenden Gischt. Auch die Installation der Technik verlangte Geduld: Gleich mehrere kleine Motoren sorgen dafür, dass sich in dem Diorama so viel bewegt: Der Seenotrettungskreuzer kämpft mit der Brandung, das Tochterboot dreht auf einer Schleife unablässig seine Runden.
Kammler erklärt, wie’s funktioniert: „Ein Magnet unter der Platte führt das kleine Boot durch die Wellen.“ Der Rettungshubschrauber kommt derweil an einem Führungsstange angeflogen. Ebenfalls per Motorkraft seilt sich ein Retter an der Winde zum havarierten Kutter hinab. Die Bewegungsabläufe wurden am Computer programmiert.
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Nicht zum ersten Mal hat sich Modellbauer Hermann Kammler mit der Seenotrettungsgesellschaft beschäftigt, deren Arbeit ihn so sehr fasziniert – wie übrigens viele Oberberger. So hat er in der Vergangenheit bereits andere Schiffe der DGzRS gebaut, die im kleineren Maßstab tatsächlich seetüchtig waren. Zumindest für die Stauseen in der Umgebung.
Bewegte Bilder des Dioramas sind im Internet auf Youtube zu sehen: Einfach nach den Begriffen „Hermann Kammler“ und „Seenotrettung“ suchen.www.youtube.com