Emotionale AufgabeUkrainische Lehrerinnen unterstützen an Oberbergs Schulen
Oberberg – Schwer zu sagen, wer dem Schulbeginn mehr entgegen gefiebert hat – die zwölf kleinen Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine, die die Grundschule Gummersbach-Becke besuchen oder ihre Lehrerin Olena Gross. Neun Lehrkräfte aus der Ukraine haben zum neuen Schuljahr ihren Dienst an Oberbergischen Grundschulen aufgenommen, die 34-Jährige ist eine von ihnen. „Erst einmal möchte ich die Kinder kennen lernen, mich ihnen vorstellen. Ich möchte ihnen die Integration erleichtern, damit sie sich möglichst bald heimisch fühlen“, sagt sie. Dass sie Ukrainisch und Russisch spricht, ist dabei eine große Hilfe.
Das hofft auch Schulleiterin Jessica Schudt. Auch bisher hätten die Kolleginnen und Kollegen die Kinder individuell gefördert und in den Schulalltag eingebunden, aber „mit Frau Gross können wir besser feststellen, was jedes Kind aus seiner Vorgeschichte mitbringt, was es schon kann, und wir können auch viel intensivere Elterngespräche führen“. Bisher war all das mühsam aufgrund der Sprachbarriere. „In manchen Alltagssituationen haben dann manchmal Mitschüler, die Russisch sprechen, geholfen“, sagt die Schulleiterin.
Zusätzliche Stellen für Lehrkräfte aus Ukraine
Insgesamt 1060 ukrainische Kinder und Jugendliche besuchen nach Auskunft des Schulamts im neuen Schuljahr oberbergische Schulen, davon sind 481 an Grundschulen angemeldet, 145 Erstklässler und Erstklässlerinnen erlebten vergangene Woche ihren ersten Schultag. Um den Kindern, die vor dem Krieg geflüchtet sind, das Ankommen zu erleichtern, hat die Landesregierung ein Kontingent von zusätzlichen Stellen eingerichtet für Lehrkräfte aus der Ukraine mit entsprechenden Voraussetzungen.
Aus der Ukraine
„Wir brauchen solche Lehrkräfte“
Im Schulamt des Oberbergischen Kreises, das für die Grundschulen zuständig ist, freut sich Schulamtsdirektorin Gabriele Zimmermann über Bewerbungen wie die von Olena Gross. „Wir brauchen solche Lehrkräfte, deshalb werben wir auch dafür.“ Unter anderem werde schon bei der Erstaufnahme von Geflüchteten nach dem beruflichen Hintergrund gefragt. Auch wenn Kinder an den Schulen angemeldet werden, erkundigt man sich nach einem eventuellen pädagogischen Beruf der Eltern.
„Wer eine pädagogische Qualifikation und Deutschkenntnisse hat, kann sich jederzeit, also auch im laufenden Schuljahr, im Schulamt melden“, erklärt die Schulamtsdirektorin. Zu den Voraussetzungen gehören neben den entsprechenden Diplomen ein Führungs- und ein Gesundheitszeugnis in deutscher Übersetzung. „Das sollte aber keine Hürde sein“, beruhigt Zimmermann, „wir haben Verwaltungsmitarbeiter und -mitarbeiterinnen, die bei den Papieren helfen. Es kann einige Wochen dauern, bis alles beisammen ist. Dann prüfen wir, ob die Voraussetzungen erfüllt sind.“
Für ukrainische Lehrkräfte an weiterführenden Schulen ist die Bezirksregierung zuständig. „Interessenten müssen sich dort bewerben. Aber auch da können wir helfen, Ansprechpartner zu finden“, sagt Zimmermann. (ms)
Dazu gehören unter anderem der Nachweis einer pädagogischen Ausbildung und Deutschkenntnisse. „Die Kleinen sollen ja so schnell wie möglich die Sprache lernen, deshalb sollen – anders als an weiterführenden Schulen, wo man sich vielleicht mit Englisch behelfen kann – die neuen Grundschullehrkräfte Deutsch können“, erklärt Schulamtsdirektorin Gabriele Zimmermann.
Emotionale Seite der Arbeit von großer Bedeutung
Für Olena Gross ist das alles kein Problem. Sie lebt schon seit einigen Jahren in Oberberg, spricht perfekt Deutsch, früher war sie Grundschullehrerin in der Ukraine. „Leider wurde mein Studium in Deutschland nicht anerkannt“, bedauert sie. „Jetzt kann ich endlich in meinem erlernten Beruf arbeiten. Das habe ich mir immer sehr gewünscht.“ Ihre halbe Stelle ist auf ein Jahr befristet. Die Kinder aus den Klassen eins bis vier werden in einigen Stunden in der Woche aus ihrem Klassenverband genommen und von Gross in einem besonderen Raum unterrichtet.
Im Eingangsbereich haben Zweitklässler ein Plakat mit vielen bunten Händen gestaltet hoffen damit auf „Frieden für die Ukraine“, ein „Guten-Morgen-Reim“ wünscht den Kindern einen schönen Tag, und dass sie „heute jeder mag“. Auch die emotionale Seite ihrer Arbeit sei wichtig, meint Gross. „Das Schlimmste ist ja die Ungewissheit, dass niemand weiß, wie es mit dem Krieg weitergeht und was noch alles passiert.“
Auch Zeit für Einzelgespräche
Nach ihren Erlebnissen fragen wird sie die Kinder, die aus umkämpften Gebieten geflohen sind, nicht, sagt sie. „Aber wenn ein Kind von sich aus darüber sprechen möchte, nehme ich mir auch die Zeit für Einzelgespräche.“ Auch das geht in der Muttersprache leichter. Die Lehrerin kann sich gut einfühlen, leben doch ihre Eltern und ihr Bruder noch in der Ukraine. „Zum Glück im Südwesten, aber auch dort gibt es keine Sicherheit.“ Viele der geflüchteten Familien in Oberberg kämen aus den umkämpften Gebieten in der Ostukraine, weiß Olena Gross aus ihrer ehrenamtlichen Arbeit mit Geflüchteten.
Dabei hat sie schon oft erlebt, dass die Eltern „tausend Fragen haben“. Viele legten sehr viel Wert auf Bildung und dass die Kinder möglichst erfolgreich ihre Schullaufbahn fortsetzen können. Für den Unterricht kann Olena Gross auf speziell entwickelte Materialien und Medien zurückgreifen. „Das Schulsystem in der Ukraine ist etwas anders als hier“, erklärt sie. „Es gibt keine Schulpflicht, die Kinder werden zwischen dem sechsten und achten Lebensjahr eingeschult, das Abitur wird früher abgelegt.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Und: „Im zwölfstelligen Notensystem ist die Eins das Schlimmste, was einem passieren kann. Anders als in Deutschland ist das die schlechteste Note!“ Auch das wird sie ihren zwölf kleinen Schülerinnen und Schülern erklären.