Brasilianischer Ringkampf in OberbergWie Kampf der Entspannung dienen soll

Die Technik macht’s: Beim Luta Livre geht es nicht allein um Kraft.
Copyright: Börsch
Gummersbach – Eine Hand legt sich von hinten um den Hals. Die andere blockiert den Ellenbogen. Dann geht alles ganz schnell. Mit einer eleganten Bewegung schwingt sich Tobias Will hinter seinen Trainingspartner auf den Boden. Vorsichtig, aber bestimmt zieht er ihn am Hals nach hinten, schwingt die Beine um seine Hüfte. Aus dem Griff wieder rauskommen? Nahezu unmöglich. Der Eingeklammerte klopft zwei Mal auf Wills Unterarm.
„Tappen“ nennt sicht die Geste und bedeutet: „Ich komme nicht weiter. Lass mich los.“ Und das tut Tobias sofort. Denn als Trainer will er seinen Schülern vor allem die Technik hinter den Griffen näherbringen. So schließen sich die zwölf Oberberger paarweise zusammen und wiederholen den gezeigten Griff. Welcher Arm und welches Bein hier wem gehört, ist nach wenigen Sekunden im Trainingsraum nicht mehr zu erkennen.
„Luta Livre“ ist brasilianischer Ringkampf
„Luta Livre“ nennt sich diese Sportart und ist weniger exotisch als der Name vermuten lässt. Tobias Will, der seit elf Jahren Luta Livre trainiert, erklärt lachend: „Meistens haben die Leute keine Ahnung, was das sein soll.“ Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Luta Livre ist brasilianischer Ringkampf. Tobias Will erklärt: „Alles, was man von den üblichen Kampfsportarten so kennt, also schlagen und treten, das gibt es dabei nicht.“ Das würde auch schwierig werden, denn Luta Livre spielt sich größtenteils auf dem Boden ab. Aber: „Alles, was gegriffen und gewürgt werden kann, darf man greifen und würgen“, sagt der Trainer und grinst.
Wer stärker ist, hat also gewonnen, weil er stärker greift und würgt? Tobias Will entgegnet: „Auf gar keinen Fall. Beim Luta Livre zählt die Technik und nicht die Kraft.“

Auf dem Boden spielt sich der brasilianische Kampfsport ab.
Copyright: Börsch
Die Griffe und Hebel zu lernen, die bei der körpernahen Sportart benutzt werden – das kann Jahre dauern. Wer hier gut werden möchte, braucht Geduld, Fleiß und Anstand. Denn so etwas wie Prüfungen gibt es nicht: Der Trainer entscheidet, wann er jemandem den nächsten Rang verleiht. Dabei geht es nicht nur darum, die Techniken richtig auszuführen, sondern auch um die Persönlichkeit. „Wer rumpöbelt und sich nicht anstrengt, kann lange warten, bis er weiterkommt.“
Aber bei der Luta Livre Akademie Oberberg, die es in Gummersbach-Friedrichstal seit einem Jahr gibt, pöbelt ohnehin niemand. Konzentriert und mit viel Respekt trainieren die Jungs miteinander. Eine Frau ist bis jetzt noch nicht länger dabei geblieben. Tobias Will findet das schade. Er sei schon bei Turnieren gewesen, wo eine Frau viele erfahrene Kämpfer besiegt habe. „Da sieht man mal wieder, dass es eben um Geschick und die Technik geht,“ erklärt er.
Die Kampfsportart Luta Livre
Luta Livre ist eine brasilianische Kampfsportart, die sich vor allem durch Griff- und Hebeltechniken auszeichnet und größtenteils am Boden stattfindet und dem Ringen ähnelt. Der Bodenkampf zeichnet sich dadurch aus, dass er im Gegensatz zu den meisten anderen Kampfsportarten ohne Schläge und Tritte auskommt. Techniken aus dem Luta Livre finden auch bei den Mixed Martial Arts (MMA) Verwendung, wenn die Kämpfer am Boden landen.
Die Luta Livre Akademie Oberberg wurde im September 2018 von Tobias Will gegründet. Der erfahrene Kampfsportler und Personal-Trainer gibt in den Räumen des Fight Clans Gummersbach zweimal in der Woche Luta-Livre-Training. Weitere
Informationen zu dem Sport gibt es auf den Akademie-Seiten im Internet. (ebu)
www.tw-personaltraining.de/
luta-livre-akademie-oberberg
Dabei werden Respekt und Zusammenhalt in dem Verein groß geschrieben. Tobias Will, der Mann mit dem breiten Grinsen, erklärt: „Wer hier hin kommt, lässt Politik, Religion und Herkunft draußen. Auf der Matte sind wir alle gleich.“ Das Motto haben die Jungs der Luta Livre Akademie verinnerlicht. Simon Schulte, der seit einem halben Jahr mittrainiert, ist jedenfalls begeistert: „Das ist wie eine große Familie hier – jeder hilft jedem. Das finde ich super.“

Trainer Tobias Will zeigt die Hebel- und Würgegriffe. Der Trainer will seinen Schülern die Technik hinter den Griffen näherbringen.
Copyright: Börsch
Für den 23-jährigen ist der Bodenkampf ein „super Ausgleich zum Alltag und Studium“. Das Training habe für ihn viel verändert, erklärt er. „Ich bin viel ruhiger und gelassener geworden.“ Wenn man so will, bringt ihn das Luta Livre im wahrsten Sinne „zurück auf den Boden“, sagt er lachend.