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SchwangerschaftsabbruchOberbergs Gleichstellungsbeauftragte sind für freiwillige Beratung

Lesezeit 3 Minuten
Der Paragraf 218 zum Schwangerschaftsabbruch steht in einem Habersack Gesetzestext.

Die Reform des Paragrafen 218 wird auch in Oberberg kontrovers diskutiert.

Die Regional-AG Oberberg würde die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs uneingeschränkt begrüßen.

Die Bundesregierung strebt eine Neuregelung des Paragrafen 218 an, und auch im Oberbergischen Kreis wird darüber zurzeit viel diskutiert. Die Regional-AG Oberberg, der Zusammenschluss aller Gleichstellungsbeauftragten aus dem Kreis, würde die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs uneingeschränkt begrüßen.

Und nicht nur das: „Auch die Pflicht einer Schwangerenkonfliktberatung sollte aus unserer Sicht zwingend entfallen, da sie der Selbstbestimmung der Frau klar entgegensteht und den Druck auf die Frauen unnötig erhöht“, schreiben die AG-Sprecherinnen Nina Sommer und Carmen Muñoz Berz in einer Stellungnahme.

Schwangerschaftsabbruch: Kein Wegfall der Beratungsmöglichkeit

Ein Wegfall der Beratungspflicht dürfe aber keinesfalls einen Wegfall der Beratungsmöglichkeit bedeuten – nur freiwillig soll das Gespräch eben sein, finden Nina Sommer und Carmen Muñoz Berz. Die Gleichstellungsbeauftragten bieten sich selbst als niedrigschwellige Ergänzung zu den bestehenden Beratungsangeboten und als Alternative für einen Erstkontakt an. Sie seien vor Ort vernetzt, gut erreichbar und könnten neutral, vertraulich und auf Augenhöhe informieren. Eine noch engere Zusammenarbeit mit Gynäkologen und Gynäkologinnen wäre wünschenswert.

„Keine Frau macht sich die Entscheidung leicht, im Gegenteil“, stellt die AG fest. In allen Fällen begleite der Abbruch die Frauen ein Leben lang und es sei wichtig, den Frauen wenigstens das schlechte Gewissen zu nehmen, etwas Illegales getan zu haben.

Mitarbeiter der Awo-Beratungsstelle Bergneustadt haben klare Haltung

Auch die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle der Awo in Bergneustadt haben eine eindeutige Haltung: Der Staat soll sich nicht in die höchstpersönliche Entscheidung von Schwangeren einmischen und sie kriminalisieren, meint Christiane Gelfarth-Pretel. Die Beratungsstelle wurde 2001 eröffnet, seitdem wurden dort etwa 2700 Personen in einer Konfliktsituation bei mehr als 3000 Gesprächen beraten.

Die Pflicht zu einer Beratung vor einem Abbruch möchte auch die Awo gern abgeschafft sehen. Die Diplom-Sozialpädagogin Gelfarth-Pretel berichtet, dass die Zwangsberatung viele Betroffene unter großen Stress setzt: „Die Frauen kommen mit großer Angst und oft schweißnassen Händen zur Konfliktberatung.“

Ganz anders beurteilt Nikolay Aleksandrov, Gynäkologe in Lindlar, die mögliche Reform des Paragrafen 218. „Das jetzige System in Deutschland ist eigentlich ganz gut, da können sich andere Länder durchaus ein Beispiel nehmen“, findet der gebürtige Bulgare, der auch schon in Frankreich und Kanada gearbeitet hat.

Wenn Beratungspflicht und Wartezeit wegfallen würden, könnte man theoretisch in ein und derselben Behandlung eine Schwangerschaft feststellen und sie schon gleich wieder beenden, warnt der Frauenarzt. Der Entscheidungsdruck würde die Frauen überfordern. Er habe schon viele Patientinnen gehabt, die sich nach einer Beratung doch für das Kind entschieden hätten. Aleksandrov hält eine Änderung der Rechtslage darum für nicht sinnvoll.

Ein Fakt kommt für die Frauen in Oberberg ohnehin erschwerend hinzu: Es gibt hier keine Klinik, die einen nichtmedizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch durchführt. Auch ist kein niedergelassener Gynäkologe bekannt, der ihn vornehmen würde. Frauen müssenlange Wege zu Kliniken in   Köln oder Siegen auf sich nehmen.

Der beste Weg, ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden, sei Aufklärung, finden die Gleichstellungsbeauftragten: „Über Verhütungsmethoden sollte noch deutlicher und offener gesprochen werden, bereits in den ersten Klassen der weiterführenden Schulen, aber auch außerschulisch.“ Die Regional-AG wünscht sich eine Enttabuisierung des Themas.


Gesetzesreform

Der Paragraf 218 im Strafgesetzbuch regelt den Schwangerschaftsabbruch. Aktuell ist ein Abbruch in Deutschland eine Straftat. Unter der Bedingung, dass die Frau an einer Schwangerschaftskonfliktberatung teilgenommen und eine Wartefrist eingehalten hat, bleibt der Eingriff in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen aber straffrei.

Einer Expertengruppe der Ampelkoalition meint: „Die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs in der Frühphase der Schwangerschaft ist nicht haltbar.“ Der Gesetzgeber sollte Abbrüche innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen erlauben und die Abtreibung entkriminalisieren.