Jubiläum der Gemeinde ReichshofDiese Wunschehe überwindet alle Widerstände
Reichshof – Rosinen kassieren, und um den Rest soll sich reißen, wer will!“ Das sei „fürwahr eine einfache Methode und sicher der Inbegriff der Eingemeindungsvorstellungen“, schimpfte der damalige Eckenhagener Bürgermeister Karl-Heinz Pühler über die Wünsche aus Wiehl. Zwar war es nur eine Privatmeinung, mit der sich 1968 ein Wiehler Bürger in die Debatte um die kommunale Neugliederung eingeschaltet hatte. Sie warf aber ein Schlaglicht auf die nicht einfachen Diskussionen, die oberbergweit geführt wurden. Wer kriegt was? Wer gibt was ab?
Der Wiehler hatte festgestellt, dass Denklingen und Eckenhagen „keinerlei verwaltungsmäßige Existenzberechtigung mehr haben“. Die Gebiete westlich der EB 256 (heute B 256) einschließlich der Industriegebiete Hunsheim und Brüchermühle müssten zu Wiehl gehören. Wiehl müsse durch die kommunale Neugliederung um jeden Preis gestärkt werden.
Fusion von Eckenhagen und Denklingen
Als Argument dienten dem Wiehler Bürgerbefragungen. In Ohlhagen, Seifen, Merkausen, Freckhausen und Alpermühle hatten Abfragen zur Gemeindezugehörigkeit stattgefunden. Niemand sprach sich für Reichshof aus, aber 236 Bürger für die Gemeinde Wiehl.
Heute wissen wir: Es kam anders. Eckenhagen mit damals 8.014 Einwohnern (zum Stichtag Mitte 1967) und Denklingen (mit 7.266) fusionierten. Von ein paar kleineren Gebietsabtretungen im nördlichen Eckenhagen abgesehen, wurden beide Gebiete zusammengeschlossen: Die Gemeinde Reichshof war geboren.
Auch wenn die Verträge über die Gebietsänderung, über Investitionsabsprachen, über gegenseitige Verwaltungshilfe bis zum tatsächlichen Zusammenschluss und über die Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft bereits im Mai 1968 unterschrieben worden waren – offizielle Geburtsstunde der Gemeinde Reichshof ist der 1. Juli 1969. Auf den Tag genau 50 Jahre später wird Bürgermeister Rüdiger Gennies dieses Ereignis mit einer Festrede im Gemeinderat würdigen. Dazu hat er im Archiv zusammengetragen, was im Vorfeld der Neugliederung besprochen wurde und welche Widerstände und Vorbehalte es zu überwinden galt. Zusammengefasst hat er das in einer 48-seitigen Broschüre, die zum Jubiläum in gebundener Form erscheint, und aus der wir mit freundlicher Genehmigung im Vorhinein zitieren.
Das Land ging damals geschickt vor. Es stellte die Notwendigkeit der Neugliederung fest. Am liebsten aber war es dem Innenminister, wenn die Kommunen selbst zu der Einsicht gelangten, dass sie durch einen Zusammenschluss mit anderen ihre Aufgaben besser erfüllen.Beim Oberbergischen Kreis hatte man sich früh schon Gedanken über die Zukunft von Eckenhagen und Denklingen gemacht. Es sollte ein Gebiet entstehen, das als Kernpunkt die Wiehltalsperre beinhaltete, die damals gerade in Planung war. Eine Trinkwassertalsperre auf dem Gebiet zweier Gemeinden sollte verhindert werden.
Die Feier
Das Jubiläum wird am Samstag, 23. Juni, mit einem vierstündigen Musikprogramm gefeiert. Ab 11 Uhr treten im Denklinger Burghof auf: der Musikzug Bergerhof, die Posaunenchöre Denklingen und Hunsheim, das Jugendblasorchester der Werdin Musikschule, die Orchestergemeinschaft Legato sowie die Musikklassen der Gesamtschule Reichshof. Der Eintritt ist frei, für das leibliche Wohl ist gesorgt; Sitzmöglichkeiten stehen zur Verfügung. (mim)
Herausgekommen aber wäre ein Gebiet bestehend aus einem kleinen Teil Denklingens und einem räumlich etwas größeren, aber wirtschaftlich unbedeutenden Teil der Gemeinde Eckenhagen – eine recht arme Landgemeinde, schreibt Gennies. Dann besser gleich beide Gemeinden auflösen und anderen größeren, wirtschaftlich stärkeren Gemeinden angliedern, erklärten seine Amtskollegen vor 50 Jahren. Oder eben beide Gemeinde verschmelzen. Dem schloss sich der Kreis schließlich an.
Auch manche Nachbarn hatte Ideen. Waldbröl etwa war überzeugt, dass der Raum Denklingen-Brüchermühle verkehrsmäßig, wirtschaftlich, kulturell und schulisch zum Südkreis-Schwerpunkt Waldbröl gehöre. Die Forderungen fanden im Gesetzgebungsverfahren allerdings kein Gehör.
Am Ende kam es zum Zusammenschluss von Denklingen und Eckenhagen. Zuvor wurden mit fünf Nachbarn Gebietsänderungsverträge abgeschlossen: Teile der Gemeinde Lieberhausen im Bereich der Ortschaft Hecke wurden auf die Gemeinde Eckenhagen übertragen. Aus der Gemeinde Denklingen kamen Baldenberg und Hüngringhausen zu Bergneustadt. Die Orte Ahe und Rebbelroth gingen von Denklingen nach Gummersbach. Aus der Gemeinde Nümbrecht wurden Teile des Gebiets im Bereich des Schraubenbergs in Denklingen integriert. Und aus Waldbröl wurden Eiershagen, Hasenbach, Schneppenberg und Dreslingen der neuen Gemeinde Reichshof zugeordnet; Grünenbach und Rölefeld verblieben bei Waldbröl.
Schon im Mai 1968 legten die künftigen Partner fest, welche Entwicklungsziele wo im Gemeindegebiet verfolgt werden sollten und welche Infrastruktur dafür erforderlich war.
Vier Siedlungsschwerpunkte
In Denklingen als Sitz der Gemeindeverwaltung wurde ein neues Rathaus gebaut, in Eckenhagen das Schulzentrum. Hunsheim, Brüchermühle, Wehnrath/Wald und Sinspert sollten Gewerbe- und Industrieschwerpunkte werden. Als Fremdenverkehrsgebiete waren Eckenhagen/Steinaggertal, Denklingen, Wildbergerhütte, der Bereich um die Wiehltalsperre sowie Hespert/Hahn und Sinspert vorgesehen. Wohnungsbau sollte schwerpunktmäßig im Bereich Eckenhagen/Steinaggertal, in Denklingen, Brüchermühle, Hunsheim, Wildbergerhütte, Wehnrath/Wald und Sinspert stattfinden. Schulstandorte für Haupt- und Grundschulen wurden Wildbergerhütte, Hunsheim, Eckenhagen und Denklingen, weitere Grundschulen wurden in Volkenrath und Mittelagger vereinbart.
Heute hat die Gemeinde 19.200 Einwohner und vier Siedlungsschwerpunkte. Peinlich genau achten Verwaltung und Politik darauf, keinen Ort zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Es gibt vier Grundschulen, eine Gesamtschule, eine private Realschule und eine Förderschule; 96 Prozent des Gemeindegebietes sind an die Abwasserbeseitigung angeschlossen (1967: 38 Prozent). Es gibt drei Hallenbäder (1967: 2), fünf Turnhallen (3), vier Sportplätze (6) und elf Kindergärten (2). Die Zahl der Büchereien sank von 10 auf eine. Von umgerechnet 970.000 Euro stieg das Gewerbesteueraufkommen auf heute 14,5 Millionen Euro.