1888 errichtete Kirchbaumeister Wiethase das Blockhaus in Reichshof, das heute im ganzen Rheinland bekannt ist.
Häuser mit Geschichte(n)Das Reichshofer Blockhaus ist viel mehr als der Hausberg der Kölner
Tatsächlich war es mal ein einzelnes Haus und nicht eine kleine Ortschaft wie jetzt – eine von 106 der Gemeinde Reichshof. Dabei steht Blockhaus, oft auch Blockhaus Eckenhagen genannt, für so Vieles wie kaum etwas in der Region. Als „Hausberg der Kölner“ war das Blockhaus über Jahrzehnte in Wintern mit Schnee ein El Dorado für Rodler, Skilangläufer und Abfahrer aus dem gesamten Rheinland und darüber hinaus. Erst das vergangene Wochenende, endlich mal wieder mit Schnee, zeigte die Beliebtheit des Blockhauses als familienfreundliches Wintersportgebiet.
Ganz früher gab es dort sogar eine Skisprungschanze, die Walter-Peters-Schanze, mit dem „ewigen“ Schanzenrekord vom 36 Metern, erzielt von Udo Pfeffer im Jahr 1968. Genau 80 Jahre zuvor, 1888, hatte ein Kirchbaumeister namens Wiethase das eigentliche Blockhaus erbaut, ein turmähnliches Wochenendhaus, errichtet aus Holzfachwerk und Feldsteinen, aufgelesen in der damaligen Heidelandschaft der Umgebung.
Schon 1920 gab es die vegetarische Küche am Blockhaus
Das markante Gebäude blieb nicht lange der Sommerfrische erhalten. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm Heinz Waffenschmidt das Haus und machte in den 1920er Jahren daraus eine Pension mit – was für die damalige Zeit gerade revolutionär war – vegetarischer Küche. Das mag „gesund“ gewesen sein, ganz im Gegensatz zu den therapeutischen Methoden, derer sich Tuberkulosekranke zur vermeintlichen Genesung ausgesetzt waren.
Die im 19. Jahrhundert übliche Luftkur für TBC-Patienten nahm man am Blockhaus sehr ländlich: Man ließ die Kranken hinter Jauchefässern herlaufen, offenbar in der Überzeugung, das eingeatmete Ammoniak könne die Infektion bekämpfen. Das Anwesen der Waffenschmidts hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits vergrößert, umfasste mit dem Blockhaus zwei weitere Häuser, Scheune und Stallungen. 1927 kaufte der Deutsche Jugendherbergsverband das gesamte Anwesen, 1929 nahmen die Eheleute Emilie und Robert Schneider senior die Herberge in Betrieb.
Für die Gäste galt strenge Geschlechtertrennung, die Jungen schliefen im Blockhaus, die Mädchen im Wirtschaftsgebäude. Elf Schlafräume mit 78 Betten, zwei Tagesräume und zwei Waschräume hatten die Herbergseltern zu betreuen. Im Dritten Reich hatte sich der BDM dort einquartiert, nach dem Zweiten Weltkrieg diente das Blockhaus als Notunterkunft für eltern- und heimatlose Kinder, ab 1951 wieder als Jugendherberge. Das Anwesen sei „der wandernden Jugend zurückgegeben“ worden, schrieb dazu Chronist Oswald Gerhard in seinem Heimatjahrbuch.
Die Jugendherberge selbst blieb indes in Familienobhut, denn 1962 traten Robert Schneider Junior und Lieselotte Schneider das Erbe der Eltern bzw. Schwiegereltern an. Damit begann eine Ära, die 40 Jahre andauern sollte und im Laufe der Jahrzehnte Zigtausende zum Blockhaus lockte, und das nicht nur in den schneereichen Wintermonaten oder -tagen, sondern im gesamten Jahreslauf. Von der Versorgung her waren die Schneiders nahezu autark, die Kartoffeln und Gemüse kamen vom eigenen Acker, die Milchkühe lieferten frische Milch und weitere Molkereiprodukte, sogar die Butter stampften die Schneiders selbst.
Eine Hochschwangere steckte in zwei Metern Schnee fest
Ob die vegetarische Küche der Waffenschmidts anfangs der 1920er Jahre die Gäste überzeugt hat, ist nicht überliefert, wohl aber sind es die Kochkünste von Herbergsmutter Lieselotte Schneider und deren legendärem „Rehragout mit Reibekuchen“. Doch in diesen Tagen erinnert sich die mittlerweile 86-Jährige mit Gänsehautgefühl an den Januar des Jahres 1963, als sie hochschwanger war und das Blockhaus rundherum vollkommen eingeschneit war: Schneehöhe über zwei Meter!
Aber das Telefon funktionierte zum Glück noch, und lachend erzählt sie, wie der spätere Reichshofer Gemeindedirektor Herbert Raeuter sogar Hochlader aus den Steinbrüchen einsetzen wollte, um eine Schneise zum Blockhaus zu schaufeln und Lieselotte Schneider zur Entbindung ins Gummersbacher Krankenhaus zu bringen. Und am Ende ging alles gut, und Sohn Michael konnte jetzt im Kreise der Familie seinen 60. Geburtstag feiern. In der Jugendherberge, die sie nach dem Tod ihres Mannes Robert ab 1995 alleine betrieb, lief nicht immer alles so rund.
Das lag allerdings nicht an hochzufriedenen und immer wieder gerne zurückkommenden Gästen, sondern am Jugendherbergsverband selber. Schon 1977 wollte der Landesverband Westfalen-Lippe das gesamte Anwesen abreißen und durch einen Neubau mit 170 Betten ersetzen. Die Pläne scheiterten, und seit 1986 steht das Blockhaus unter Denkmalschutz. So nutzte das Jugendherbergswerk zur Jahrtausendwende die nächste Möglichkeit, die Herberge aufzugeben, nachdem Lieselotte Schneider vertragstreu mit der Vollendung des 65. Lebensjahres als Herbergsmutter 2002 ausscheiden musste.
Eine Familie aus Brühl und deren Freunde waren Silvester 2001 ihre letzten Gäste. Das zehn Hektar große Anwesen wurde schließlich verkauft, ein Architekt aus Köln erwarb das Turmhaus, eine Familie aus dem Siegerland das Schieferhaus und ein Lehrerehepaar aus Köln die übrigen Gebäude.