Der Reichshofer fährt regelmäßig in den Osten der Ukraine, um Hilfsgüter und Fahrzeuge zu übergeben. Er berichtet von seinen Eindrücken.
HilfstransporteEnde des Monats fährt Manuel Weber aus Reichshof wieder in die Ukraine
Fast ein Jahr ist es schon wieder her, dass Manuel Weber uns zum letzten Mal von seinen Fahrten in die Ukraine berichtet hat. Von Gebetsrunden in Ruinen, von Begegnungen mit traumatisierten Zivilisten und erschöpften Soldaten. Aber der Krieg ist noch immer nicht vorbei. Und noch immer fährt der Reichshofer regelmäßig bis dicht an die Front im Osten des Landes, um Hilfsgüter und Fahrzeuge zu übergeben. Am 30. Mai will er sich wieder auf den Weg machen.
Humanitäre Katastrophe
Die Hilfe im Geiste der christlichen Nächstenliebe ist Manuel Weber inzwischen nicht mehr nur Berufung, sondern sein Beruf geworden. Das evangelisch-freikirchliche Hilfswerk AVC („Aktion für verfolgte Christen und Notleidende“), mit Sitz in Hessen und weltweit tätig in mehr als 60 Ländern, hat für ihn eine eigene Stelle geschaffen, er wurde als Projektmanager für Katastrophenhilfe und Referent der Öffentlichkeitsarbeit angestellt. Zweimal war Manuel Weber deshalb auch schon in Armenien, um Flüchtlinge aus Bergkarabach zu betreuen. Sein Arbeitsschwerpunkt bleibt aber die vom Krieg gebeutelte Ukraine.
Weber war in Cherson und in Charkiw und in vielen anderen Orten, die man aus den Nachrichten kennt. Er hat dort hunderte Soldaten getroffen und mit ihnen im Lazarett oder in ihren Verstecken Andachten gehalten. Mit seinen ukrainischen Mitstreitern hat er Zivilisten in zerbombten oder umkämpften Städten mit Lebensmitteln versorgt.
Müde Soldaten
„Die Stimmung geht immer weiter runter“, berichtet Weber, „die Soldaten wirken immer müder.“ Bei der Gegenoffensive im Sommer habe es noch viel Optimismus gegeben und die Hoffnung, dass die Russen dauerhaft zurückgeschlagen werden können. Inzwischen wollten immer mehr Leute vor allem, dass das Kämpfen und Sterben einfach aufhört. „Man hört öfter: Dann verzichten wir eben auf die Krim.“
Überall in Land herrsche eine große Nervosität im Vorfeld der nächsten Rekrutierungswelle, berichtet Weber. Die Männer, die noch irgendeiner zivilen Arbeit nachgehen, fürchten, dass sie einberufen werden. „Ich kann jeden verstehen, der nicht kämpfen will“, sagt Weber. „Aber wenn jeder so dächte, gäbe es bald keine Ukraine mehr.“
Töten und Sterben
Er selbst hätte nicht geglaubt, dass es für ihn infrage komme, zur Waffe zu greifen. Heute aber würde er es tun, wenn sein eigenes Land angegriffen würde. Der Krieg hat ihn verändert.
Manuel Webers Konvoi war selbst Ziel russischer Luftangriffe. Wegen heftigen Beschusses saß er in Avdiivka fest. Natürlich fällt es ihm schwer, neutral zu bleiben. „Es ist auch mein Krieg geworden“, sagt Manuel Weber. „Aber nicht in dem Sinn, dass die Russen meine Feinde geworden wären.“
Viele russische Soldaten seien nicht freiwillig an der Front und kämpften, obwohl sie den Krieg ablehnten. Das sei auch den ukrainischen Kämpfern bewusst, die viel weniger hasserfüllt seien, als man glaube. „Die haben sogar Mitleid mit den Russen, die an der Front verheizt werden. Etwa wenn sie fünf Soldaten erschießen, weil die aus der Deckung kommen, um eine abgestürzte 1000-Euro-Drohne zu bergen.“ Manuel Weber hat Pakete mit Aufputschmitteln gesehen, die von russischen Soldaten zurückgelassen wurden. Für ihn eine Erklärung dafür, dass es immer wieder zu Gewaltexzessen kommt und verstümmelte Leichen zurückbleiben. „Das sind keine Berufssoldaten, sondern Zombies unter Drogen.“
Kein Ende in Sicht
Kann die Ukraine gewinnen? Manuel Weber weicht dieser Frage nicht aus. „Es vergeht kein Tag, an dem ich keine Militärblogs lese.“ Aber er hat auch keine besseren Antworten als die Schlachtfeldanalysten in den Talkshows. „Verhandlungen sind schwierig, weil die Ukrainer kein Vertrauen in die Russen haben.“ Natürlich wäre er froh, wenn es zum Frieden käme. Aber er werde die Ukraine so oder so weiter unterstützen.
Vor wenigen Tagen wurde einer der Krankenwagen zerstört, die Weber aus Oberberg ins Land gebracht hat. Ob Kindergarten oder Altenheim: Der Bedarf an Hilfsgütern aller Art sei nach wie vor groß, gleichzeitig werde es immer schwerer, Geld zu sammeln.
Martialisches Outfit
Umso mehr legt sich Weber persönlich ins Zeug. Im Handel mit Bauelementen hat er das Marketinghandwerk gelernt. Er setzt auf die Macht der Bilder. Im Frühjahr hat er in Kiew ein Interview für den Nachrichtensender „Welt“ gegeben. Auf seinen Kanälen bei Facebook, Instagram und YouTube sieht man ihn im martialischen Outfit Gebete sprechen. Bei Vorträgen in Kirchengemeinden zeigt Weber Granatensplitter und russische Verbandspäckchen. Dann tritt er noch immer unter dem Kampfnamen „Bulletproof Preacher“ (kugelsicherer Prediger) auf.
Er wolle nicht den Helden spielen, sagt er über die Gefahr, die mit seiner Arbeit verbunden ist. Aber ohne ein bisschen Heldenspiel geht es nicht. Die Inszenierung ist ein Mittel zum Zweck. Manuel Weber sieht es nüchtern. „Bulletproof Preacher kommt einfach besser als: Manuel Weber fährt in die Ukraine.“