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VortragWie schon Kinder zur NS-Zeit in Oberberg indoktriniert wurden

Lesezeit 3 Minuten
Julius Furkel (1898-1976) war vor dem 2. Weltkrieg Volksschullehrer in Odenspiel, nach dem Krieg bis zu seiner Pensionierung in Sotterbach.
 
Die Porträtaufnahme stammt aus der Zeit um 1933 und zeigt ihn mit seinen Odenspieler Schulkindern (LVR-Freilichtmuseum Lindlar Archiv).

Der Lehrer Julius Furkel in der Zeit um 1933 mit seinen Odenspieler Schulkindern.

Die Reihe der Vorträge zur NS-Zeit im Oberbergischen, die vom LVR-Freilichtmuseum in Lindlar organisiert wurde, fand im Denklinger Ratssaal ihre Fortführung.

Der Saal im Denklinger Rathaus war einmal nicht der Politik gewidmet, sondern einem spannenden, vom LVR-Freilichtmuseum Lindlar und der VHS Oberberg organisierten Vortrag. Museumsleiter Michael Kamp und seine Mitarbeiterin Katja Kuhlmann sprachen in der Reihe anlässlich der Buchveröffentlichung „Indoktrination, Unterverwerfung, Verfolgung“ über den Schulalltag im Nationalsozialismus.

In seiner Begrüßung stimmte Bürgermeister Rüdiger Gennies die Zuhörer auf den knapp 90 Jahre zurückliegenden Zeitpunkt ein, als mit der Machtübernahme der Nazis am 30. Januar 1933 ein „neuer Geist“ in die Schulen einziehen sollte: „Ein guter Geist war es sicher nicht, denn die Schulen wurden rigoros auf Kriegsvorbereitung und Führerkult umgestellt.“ Bildung habe dabei nicht im Vordergrund gestanden.

Schon bei den jüngeren Schülern kam es darauf an, sie zu Heldenverehrung, Vaterlandsliebe und Opfermut zu erziehen
Michael Kamp, Leiter LVR-Freilichtmuseum

So sei etwa aus dem Sportunterricht „Wehrturnen“ geworden, der Geschichtsunterricht habe das Ziel eines „großgermanischen Reiches“ in den Mittelpunkt gerückt und aus Biologie sei Rassenkunde geworden. Jüdische Schüler seien zunehmend isoliert und nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938 von dem Besuch öffentlicher Schulen gänzlich ausgeschlossen worden. Daran anknüpfend schilderte Michael Kamp, dass die Schüler konsequent zum Hass gegen vermeintlich Andersblütige erzogen wurden, und zeigte eine Veranschaulichung der Nürnberger Rassengesetze, die aus der Bücherei einer Wipperfürther Schule stammt.

Kinder ohne Chance, der Beeinflussung zu entkommen

Und er präsentierte das Foto eines Elfjährigen aus Hermesdorf beim Hitlergruß: „Der Blick dieses Jungen gibt Aufschluss über die Indoktrination der Nationalsozialisten.“

Der Forscher verdeutlichte, dass die Kinder und Jugendlichen, die in den 1920er und 30er Jahren geboren wurden, keine Chance hatten, einer Beeinflussung zu entkommen, da sie neben dem Unterricht entweder in der Hitlerjugend oder dem „Bund deutscher Mädel“ und meist in nationalsozialistischen Elternhäusern geprägt wurden.

Stellung der Lehrkräfte von besonderer Bedeutung

In einer Rede habe Adolf Hitler gesagt: „Die Jugend ist uns verschrieben und verfallen mit Leib und Seele.“ Für eine konsequente Umsetzung dieser Strategie sei die Stellung der Lehrkräfte von enormer Bedeutung gewesen, erläuterte Kamp. So habe es etwa 20 Prozent Fanatiker, 70 Prozent systemkonforme Opportunisten und nur zehn Prozent Lehrer gegeben, die nicht den Nazis zugewandt waren.

Auf die Lehrerschaft habe der nationalsozialistische Lehrerbund eingewirkt mit dem Hinweis: „Eure Tätigkeit ist oft wichtiger als die des Ortsvorstehers.“ Schon bei den jüngeren Schülern komme es darauf an, sie zu Heldenverehrung, Vaterlandsliebe und Opfermut zu erziehen. Schulchroniken sind eine ergiebige Quelle für die Erforschung des Schulalltags in der NS-Zeit.

1939 in die Wehrmacht eingetreten

In dieser Weise konnte Michael Kamp auch die Geschichte des Volksschullehrers Julius Furkel (1898-1976) rekonstruieren. Dieser war vor dem Krieg Lehrer in Odenspiel, danach bis zur Pensionierung in Sotterbach. 1933 notiert er in der Schulchronik: „Für das deutsche Volk ist ein großes Jahr gekommen.

Adolf Hitler hat als unser Reichskanzler die Führung in Händen. Es war Zeit, daß durch ihn Hilfe kam, denn Deutschland stand vor dem Zusammenbruch.“ Michael Kamp konnte nicht aufklären, warum der Lehrer 1939 im Alter von 41 Jahren in die Wehrmacht eintrat: „Da muss irgendetwas passiert sein.“

91-jähriger Zeitzeuge schilderte seine Erlebnisse

Auch der Denklinger Günter Neuhoff konnte diese Lücke nicht füllen – er war erst ein Jahr zuvor eingeschult worden. Der 91-jährige Zeitzeuge schilderte den Zuhörern jedoch seine Erlebnisse am Tag nach der Reichspogromnacht in Waldbröl und seine eigenen Erfahrungen mit den Nazis.

Von seinem Großvater stark geprägt, habe er sich mit deren Ideologie nicht so recht anfreunden können, musste aber in die Hitlerjugend eintreten, berichtete Neuhoff. Da er sich da nicht vorbildlich benommen habe, sei er öffentlich vom Bannführer gerügt worden. Der Senior berichtet, dass sich der Lehrer am nächsten Tag für diese Blamage fürchterlich gerächt habe: „Er hat mit dem Nussholzstock zugeschlagen, bis meine Haut auf dem Rücken aufgeplatzt ist.“