Rekord-Hebesatz in BergneustadtSPD will Grundsteuer B neu berechnen – Anpassung
Bergneustadt – Mit dem Rekord-Hebesatz von 959 Punkten für die Grundsteuer B hat Bergneustadt bereits bundesweit Schlagzeilen gemacht. Jetzt könnte es ein neues Rauschen im Blätterwald geben. Denn die Stadt könnte die erste sein, welche die vom Bundesverfassungsgericht als rechtswidrig festgestellte Berechnung der Grundsteuer von sich aus ändert – ohne auf den Gesetzgeber zu warten. Seit Montag liegt ein entsprechender Antrag im Rathaus vor.
Vor wenigen Wochen erst hat das Bundesverfassungsgericht die Bemessungsgrundlagen festgestellt, dass Besitzer älterer Häuser zu wenig Grundsteuer zahlen, Eigentümer seit 2002 gebauter Häuser aber zu viel. Das sei mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar und deshalb verfassungswidrig.
Rekordhebesatz darf nicht geändert werden
Um das zu ändern, lassen die Karlsruher Richter dem Gesetzgeber bis Ende 2019 Zeit. Die verfassungswidrigen Regeln dürfen aber bis zum 31. Dezember 2024 noch angewandt werden. Das dauert Thomas Stamm zu lange. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Stadtrat hat gestern einen Antrag im Rathaus einreicht, wonach die Berechnung der Grundsteuer B schon zum 1. Januar 2019 so umgestellt wird, dass die Bergneustädter Bürger gerechter zur Kasse gebeten werden.
Stamm, von Hause aus Jurist, geht geschickt vor: Den Rekordhebesatz von 959 Punkten darf Bergneustadt laut Stärkungspaktgesetz Nordrhein-Westfalen nicht verändern, die vom Verfassungsgericht als rechtswidrig erkannte Berechnung des Einheitswertes auch nicht. Das müssen Bund und Land als Gesetzgeber regeln.
Aber der SPD-Fraktionschef fügt in die bisherige Berechnung einen Korrekturfaktor für jedes Bewertungsjahr ein. Dieser könnte dazu führen, dass Besitzer zwischen den Jahren 1964 und 1983 gebauter Häuser mehr und Eigentümer, deren Häuser seit 2002 gebaut wurden, dann weniger Grundsteuer zahlen müssten. Genau müsste das Kämmerer Bernd Knabe ausrechnen. Das Ziel: Mit der gerechteren Erhebung der Grundsteuer würde Bergneustadt auch ein Zeichen setzen: Die Belastungen für neues Bauen würden geringer, Investition in der Stadt attraktiver.
Bergneustädter Regelung gilt bis Gesetzesänderung
Die Bewertungsgrundlage für die Grundsteuer B sei seit langem schon ungerecht gewesen, sagt Stamm in der Antragsbegründung: „Eine Bewertung aus dem Jahr 1964 hat mit dem Wert im Jahr 2018 nicht mehr viel gemein und müsste allein aus Anpassung an die stark veränderten Lebenshaltungskosten deutlich höher ausfallen.“
Die im Rahmen der Haushaltssanierung erforderliche Erhöhung der Grundsteuer auf 959 Punkte habe diese Ungleichbehandlung in Bergneustadt leider verstärkt: Ein Einfamilienhaus mit 156 Quadratmetern Wohnfläche und Bewertung im Jahr 1964 werde heute mit 185 Euro Grundsteuer B belastet. Für ein neueres, 250 Quadratmeter großes Haus aus dem Bewertungsjahr 1996 zahle der Eigentümer 1440 Euro – also achtmal so viel. Stamm: „Es ist zwar neuer, hat aber kaum den achtfachen Wert.“
Dass die von den Sozialdemokraten vorgeschlagene Regelung denen nicht gefällt, die künftig mehr zahlen sollen, liegt nahe. Die Mehrbelastung bewege sich aber in „keinem unvertretbaren Maße“, sagt Stamm. Jeder, der belastet werde, müsse sich im Klaren sein, dass er bislang von einer verfassungswidrigen Regelung profitiert habe – „und auch von den hohen Beiträgen anderer“, schreibt er in dem Antrag, dem die Mitgliederversammlung in der vergangenen Woche bereits zugestimmt hat.
Ob Stamm mit seinem Vorstoß Erfolg haben wird, weiß er nicht. „Aber wer sollte uns hindern? Die mit einem verfassungswidrigen Gesetz in der Hand wohl kaum.“ Spätestens dann wäre die Stadt wieder in den Schlagzeilen. Gelten sollen die Bergneustädter Regelungen – wenn der Stadtrat sie denn beschließt – nur bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber.
Kommentar: Gerechtigkeit geht vor
Die Bergneustädter SPD traut sich was mit ihrem Vorstoß, selbst für mehr Steuergerechtigkeit in der Stadt zu sorgen.
Statt darauf zu warten, bis der Gesetzgeber die vom Bundverfassungsgericht geforderte Neuberechnung der Einheitswerte von Häusern hinbekommt, wollen die Genossen, dass die Stadt das Heft selbst in die Hand nimmt.
Mehr Gerechtigkeit ist immer gut, auch wenn es dazu führt, dass etliche Hausbesitzer künftig mehr zahlen müssen als bisher. Dafür haben sie bislang ja auch weniger bezahlt als andere. Dagegen zu argumentieren, wird schwer fallen. Wichtig ist: Die Stadt darf dadurch nicht mehr einnehmen als bisher.
Am Grundproblem, dem irrwitzig hohen Bergneustädter Hebesatz der Grundsteuer B von 959 Punkten ändert die Idee der Sozialdemokraten nichts. Von dem kommt die Stadt Bergneustadt bis 2030 wohl nicht herunter. Da ist es nicht mehr als recht und billig, die Zahlungen bis dahin gerecht zu verteilen.