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Schauspielstudio Oberberg„Der Vorname" ist genau das richtige Stück für die Pandemie

Lesezeit 2 Minuten

Am Ende handgreiflich (v.l.): Vincent (Jörn Wollenweber) ist wenig begeistert über die Enthüllung seines Jugendfreunds Claude (Rolf Peter Klaus). Elisabeth muss ansehen, wie ihre Abendgesellschaft im multiplen Eklat endet.

Wiehl – Es ist das richtige Stück für die Corona-Krise. Der Umgang mit Maske und Impfung stellt derzeit Freundschaften und Familienbande auf Zerreißproben und fördert lange verdeckte Bruchstellen zu Tage. Als das Stück der französischen Autoren Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière 2010 in Paris Premiere hatte, ahnte man freilich nichts von der Pandemie. „Der Vorname“ ist der titelgebende Streitpunkt.

2018 wurde das Stück erfolgreich von Sönke Wortmann fürs Kino adaptiert. Die Inszenierung von Raimund Binder für das Schauspielstudio Oberberg bedient sich der französischen Originalfassung und fährt gut damit. Man darf verraten: „Adolphe“ ist der Vorname, den Vincent (Jörn Wollenweber) für sein Kind ausgesucht hat und über den Pierre (Michael Albrecht) sich echauffiert. Der deutsche „Adolf“ hat hierzulande dann doch eine andere Sprengkraft.

Dieser Konflikt steht zwar nur am Anfang einer Eskalation, in der sich schließlich auch die anderen drei Teilnehmer der Abendgesellschaft in die Haare kriegen. Doch auch die übrigen Konfliktlinien haben alle einen französischen Akzent. Die hier ausgebreiteten Gegensätze von Geist und Geld, Mann und Frau oder Libertinage und Homophobie, die das Stück für Pointen und Prügeleien produktiv macht, fühlen sich im Milieu der Pariser Bourgeoisie besonders zu Hause. Was nicht heißen soll, dass das alles einem allzu bekannt vorkommt. Das liegt auch an der ungeheuer realitätsnahen Darstellung des Wiehler Schauspielerensembles.

Jörn Wollenweber in der zentralen Rolle des Maklers Vincent mischt die Runde auf, unsympathisch, aber nicht zu sehr. Michael Albrecht gelingt ein wunderbar biederer Literaturprofessor. Beate Breiderhoff als dessen Gattin Elisabeth mimt die gluckige Gastgeberin (es gibt auf der Bühne viel echtes Essen), bis auch ihr der Kragen platzt. Katrin Platzner als werdende Mutter Anna muss sich schon lange vorher mit einer Zigarette beruhigen. Eine echte Entdeckung ist Rolf Peter Klaus mit seiner erstaunlich lebensechten Darstellung des Musikers Claude.

Lustige, aber tiefgründige

Familienaufstellung

Die Generalabrechnung unter Freunden und Ehepartnern ist oft lustig, aber kein alberner Boulevard, sondern veranschaulicht zwischenmenschliche Tiefen und Abgründe.

Im rauschenden Premierenapplaus war die Erleichterung des ausgehungerten Publikums zu hören. Theatergeschäftsführer Thomas Knura hatte in der Begrüßung jubiliert: „Endlich geht es wieder los.“ Bürgermeister Ulrich Stücker scherzte: „2G bedeutet hier ,genial gespielt’.“ Doch wie lange das Stück angesichts der sich verschärfenden Corona-Krise zu sehen sein wird, ist ungewiss. Das Schauspielstudio hat es zur Sicherheit auf Video aufgenommen.

Die weiteren Aufführungen sind am 1., 3., 4., 5., 8., 10., 11., 12., 17. und 19. Dezember im Theater an der Warthstraße. Karten gibt es bei Wiehl-Ticket, (0 22 62) 99-285.