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Kriegsende in Oberberg 1945Bomben auf das Krankenhaus

Lesezeit 4 Minuten

Deutlich sichtbar war das Rote Kreuz auf dem Dach des Krankenhauses, ein Schutz war die Markierung aber nicht: Nach einem Beschuss aus dem Lazarett heraus legten britische Bomber es in Schutt und Asche.

  1. In unserer Serie „Kriegsende in Oberberg 1945“ blicken wir 75 Jahre zurück - und erzählen die Geschichten, die sich damals im Oberbergischen Kreis zugetragen haben.
  2. Heute geht es um das Krankenhaus in Bergneustadt, welches im März '45 von englischen Bombern in Schutt und Asche gelegt wurde.
  3. Die Geschichte des Wiederaufbaus ist vor allem vom Zusamenhalt der Bergneustädter Bevölkerung geprägt.

Bergneustadt – Einen Tag nach dem Bomben-Inferno in Engelskirchen, bei dem am 19. März 1945 mehr als 220 Menschen den Tod fanden, traf es Bergneustadt. Englische Bomber legten das Krankenhaus in Schutt und Asche, 40 Menschen kamen ums Leben. Zwar waren weithin sichtbar Rote Kreuz-Zeichen aufs Dach gemalt worden, doch handelte es sich bei dem Angriff auf das Gebäude offenbar um eine gezielte Vergeltungsaktion.

Vom Krankenhaus aus war wenige Tage zuvor auf eine bereits zuvor getroffene britische Maschine geschossen worden, die in niedriger Höhe aus Richtung Wiedenest gekommen war. Ein Soldat, der sich gerade in dem als Lazarett dienenden Krankenhaus aufhielt, hatte die Maschine offenbar bemerkt und von einem Balkon der Klinik aus mit seinem Gewehr das Feuer darauf eröffnet. So berichteten es Augenzeugen dem Gummersbacher Journalisten Dieter Lange, der die Ereignisse in seinem 2005 erschienenen Buch „Kriegsende in Oberberg“ festhielt.

Angriff aus dem Nichts

Der Angriff erfolgte vollkommen überraschend, Vollalarm wurde nicht gegeben, weshalb sich die meisten Ärzte, Krankenschwertern und Patienten nicht im Luftschutzbunker „am Heinzelmännchen“ befanden. Unzählige Male waren Patienten zuvor bei Fliegeralarm vorsichtshalber dorthin getragen worden.

„Zur Zeit des Angriffs war der Leitende Arzt des Lazaretts, Stabsarzt Dr. Wefers, mit einem großen Teil der Schwestern und des Pflegepersonals mit der Behandlung der Verwundeten im Behandlungszimmer beschäftigt, dem in nächster Nähe der Einschlagstelle gelegenen Teil des Krankenhauses. Dadurch ist leider eine verhältnismäßig sehr hohe Anzahl von Opfern zu beklagen“, schreibt Bürgermeister Dr. Ernst Rentrop sechs Tage später an den Landrat in Gummersbach. Auch der Bürgermeister schreibt von „Gerüchten“, der britische Angriff könnte provoziert worden sein.

Erst drei Monate nach dem Angriff waren die letzten der 40 Opfer aus den Trümmern geborgen.

Das Bergneustädter Krankenhaus – 1897 erbaut und 1928 wesentlich vergrößert und mit einer chirurgischen Abteilung erweitert – wurde seit 1942 als Reservelazarett des Attendorner Lazaretts genutzt. Die Notbelegung stieg auf mehr als 100 verletzte Soldaten, für Privatpersonen gab es kaum Platz. Zusätzlich gab es seit 1938 im Dachgeschoss eine Entbindungsstation für 20 Wöchnerinnen.

Langwidrige Bergungen

Der Angriff traf die Klinik um kurz nach 17 Uhr nachmittags bei vollem Betrieb. Niemand hatte damit gerechnet, dass ausgerechnet das Krankenhaus bombardiert werden würde. Die britischen Jagdbomber eröffneten das Feuer zunächst mit Bordwaffen, dann folgten die Bomben. Die Auswirkungen waren verheerend. Selbst das Grundmauerwerk wurde beschädigt. „40 Personen, darunter der Leitende Arzt, mehrere Schwestern, Soldaten und Wöchnerinnen blieben tot unter den Trümmern“, schreibt Rentrop, „die letzten Toten konnten erst nach drei Monaten geborgen werden“.

Die Lösch- und Rettungsarbeiten gestalteten sich schwierig. „Die Katastrophe war unendlich“, heißt es in einem Bericht des Historischen Arbeitskreises (HAK) im Bergneustädter Heimatverein: „Die Männer und Söhne waren größtenteils im Krieg, wer sollte Hilfe leisten und den Brand löschen? Mutige Frauen und Jugendliche leisteten erste Hilfe.“ Aber angesichts der hohen Opferzahl klemmte es an allen Ecken und Enden. „In den Bäumen nahe dem Krankenhaus hingen Trümmer und Verletzte, die um Hilfe riefen; der Luftschutzbunker war überfüllt mit Verletzten und Wöchnerinnen mit ihren Babys. Helfende Hände kamen mit Schubkarren und Leiterwagen und transportierten Verletzte in die Schule am Kirchplatz, wo eine Rote-Kreuz-Station eingerichtet war.“ Die Löscharbeiten kamen nur schleppend voran, es gab – kriegsbedingt – kein Benzin, um die Wasserpumpen anzutreiben. Bürgermeister Rentrop vermutete einen Phosphorsatz in den Sprengbomben, was die Löscharbeiten zusätzlich enorm erschwerte. „Groß war das Entsetzen und allgemein die Trauer“, schreibt Rentrop, „eines aber stand für Verwaltung und Bürgerschaft trotz der anschließenden Okkupation und der Resignation durch den totalen Zusammenbruch fest: dass das Krankenhaus wieder ausgebaut werden müsse“.

Neubau entstand durch Spenden

Schon im Juli 1945 wurden dem Gesundheitsamt erste Pläne vorgelegt, das zweite Halbjahr stand – auch ohne Baugenehmigung – im Zeichen der Trümmerbeseitigung. Enorme Schuttmassen mussten abgefahren, ein Gewirr von Dachsparren, Betonklötzen, T-Trägern, Leitungsrohren für eine mögliche Verwertung sortiert werden. Teilweise „im Ehrendienst“ putzten Mitarbeiter Bergneustädter Firmen und der Verwaltung etwa 100 000 Ziegelsteine und schichteten sie zur Wiederverwendung auf. Im April 1946 wurde der Auftrag für den Rohbau vergeben, im Dezember 1947 konnte Richtfest gefeiert werden. Die Bergneustädter taten, was sie konnten, um dazu beizutragen – durch große und kleine Spenden, schon 1946 kamen 180.000 Reichsmark zusammen, die heimische Industrie spendete, um im ehemaligen Mädchenheim der Firma Krawinkel eine chirurgische Behelfsabteilung einzurichten.

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Dass der Neubau mitten in die Zeit der Währungsreform 1948 fiel, verzögerte die Fertigstellung und erschwerte die Finanzierung. Der Neubau mit 60 Betten wurde deutlich teurer als die kalkulierten umgerechnet 680 000 D-Mark, aber letztlich doch fertig. Am 20. März 1950, genau fünf Jahre nach dem Bombenangriff, konnte Einweihung gefeiert werden. 35 Jahre blieb das Krankenhaus danach in Betrieb, ehe es am 31. Mai 1985 mit der Eröffnung des neuen Kreiskrankenhauses in Gummersbach tags darauf für immer geschlossen wurde.