Sperrung auf der A45Oberbergs Spediteure und Pendler auf Umwegen
Oberberg – Kalt erwischt hat Jan Rademacher die Nachricht von der Sperrung der Rahmedetalbrücke bei Lüdenscheid. Dabei hatte noch Ende November alles so gut ausgesehen für ihn: Er war frisch Vater geworden – Baby Mats ist jetzt drei Monate alt –, der Umzug ins neue Haus im märkischen Hemer, der neue Job als Produktmanager bei der Firma Rüggeberg in Marienheide. „Wir hatten uns überlegt, dass ich das Pendeln in Kauf nehme “, sagt der 35-Jährige.
Hiobsbotschaft am zweiten Arbeitstag
An seinem zweiten Arbeitstag dann die Hiobsbotschaft von der Sperrung der Autobahn 45 wegen der maroden Brücke. „Da habe ich noch gedacht, eine Zeit lang kann ich das verkraften, es hieß, in zwei Jahren läuft für Autos alles wieder.“ Jetzt weiß er, dass sein schneller Weg zur Arbeit mindestens fünf Jahre lang gesperrt bleiben soll.
Das heißt: Früher aufstehen nach unruhigen Baby-Nächten, mindestens eine halbe Stunde länger dauert jede Fahrt. „Ich gucke morgens als erstes, wo es lang gehen soll, das ist jeden Tag eine andere Strecke, die das Navi wegen des Verkehrsaufkommens errechnet.“ Zuverlässig ist das nicht, denn auch andere Autofahrer folgen derselben Empfehlung. „In und um Lüdenscheid ist regelmäßig viel mehr Verkehr als angekündigt, das meide ich weiträumig“, sagt er. Auch bei der Rückfahrt am Feierabend. Wenn er Glück hat, kommt er gerade noch rechtzeitig zum Gute-Nacht-Kuss für Baby Mats.
Ralf Pawelzik kommt aus Schwerte (Kreis Unna) und steckt morgens und abends im Berufsverkehr in denselben Staus wie Jan Rademacher. Er arbeitet in einer Praxis und ist an feste Zeiten gebunden. „Die Umleitungen sind voll, die Ampelschaltungen sind trotz aller Versprechungen nicht angepasst, eine Ampel zeigt Grün, die nächste wieder Rot, alles stockt, du wirst wahnsinnig“, stöhnt er. „Das einzige, was sich verändert hat, ist eine neue Blitze, die aufgestellt worden ist. Da wird dann auch noch abkassiert.“
Eine Stunde länger im Auto
Auch Lastwagen stünden mit im Stau, „manche, weil sie in der Region zu tun haben, aber auch immer noch Ortsfremde“, hat Pawelzik beobachtet. Eine Stunde sitzt der 57-Jährige täglich länger im Auto, manchmal anderthalb Stunden. „Das heißt morgens muss ich um 5.20 Uhr los, ich verkürze die Mittagspause und bin am Abend länger unterwegs. Und das über Jahre!“
Er habe schon überlegt, sich in Oberberg eine kleine Wohnung zu mieten und nur am Wochenende nach Hause zu fahren, weil ihm die Mehrbelastung zu schaffen mache. „Aber das ist auch nicht schön: Jahre lang und Woche über Woche jeden Abend allein dazusitzen.“
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Eine vernünftige Planung sei seit der Sperrung der Brücke kaum noch möglich, klagt zudem Sebastian Wagner, Disponent bei der Waldbröler Firma Peisker Logistik. „Die A45 ist für uns eine ganz wichtige Strecke nach Norden und nach Ostwestfalen, aber auch im Nahverkehr in den Raum Lüdenscheid.“ Ein Drittel der Flotte sei von der Brückensperrung betroffen. Der Disponent muss jetzt anders planen, mit Umwegen über die A4 und den Kölner Raum.
Spediteure stehen im Stau
„Das bedeutet mehr Kilometer, mehr Stunden, höhere Preise für die Kunden, auf manche Strecken muss ich jetzt zwei Lastzüge statt einem einsetzen, um die Ware bei den Firmen noch rechtzeitig vor Geschäftsschluss abzuliefern.“ Auch die Fahrer bekommen die Folgen zu spüren. Da muss Wagner als Disponent auch die Fahrzeiten im Auge behalten, die nicht überschritten werden dürfen.
„Im Kölner Raum staut sich der Verkehr noch mehr als sonst, da kann ich nicht mit dem Navi die Zeiten planen. Manchmal fährt ein Fahrer morgens um 6 Uhr los und sollte eigentlich um 14 Uhr zurück sein, kommt aber erst um 16.30 Uhr rein.“
Familienvater Jan Rademacher versucht derweil der Corona-Zeit etwas Positives abzugewinnen. Immerhin kann er jetzt zeitweise im Homeoffice arbeiten, und er hofft, dass ihm diese Möglichkeit längerfristig erhalten bleibt, auch über Corona hinaus. Denn bis der Verkehr auf der Rahmedetalbrücke wieder fließt, geht Baby Mats vielleicht schon in die Schule.