Bundestagsabgeordnete Sabine Grützmacher (Grüne) regt das Ende von Steuerprivilegien nach einjähriger Haltedauer von Edelmetallen und Krypto an.
„Steuern sind keine Strafe“Oberbergische Bundestagsabgeordnete regt Steuern auf alle Gold- und Kryptogewinne an
Die oberbergische Bundestagsabgeordnete Sabine Grützmacher (Bündnis 90/Die Grünen) ist Mitglied im Finanz- und im Digitalausschuss. Sie hat sich gegenüber dem deutschsprachigen Bitcoin- und Blockchain-Medium „BTC-Echo“ für eine Abschaffung von Steuerprivilegien nach einjähriger Haltedauer von Edelmetallen und Krypto-Währungen geäußert und damit unter Anlegern für Unmut gesorgt. Darüber sprach Torsten Sülzer mit der 38 Jahre alten Oberbergerin.
Frau Grützmacher, in Deutschland kann man Edelmetalle wie Gold und auch Krypto-Währungen wie Bitcoin nach einem Jahr Haltedauer mit Gewinn verkaufen und muss den Gewinn dann nicht versteuern. Sie möchten das ändern und eine Steuer auf diese Gewinne erheben. Warum?
Mir ist wichtig, dass die verschiedenen Investitionsmöglichkeiten, die unsere Bürgerinnen und Bürger haben, gleiche Ausgangsbedingungen und Auflagen haben. Steuerliche Vor- oder Nachteile sollen meiner Meinung nach für alle Investitionsmöglichkeiten möglichst einheitlich sein. So verstehe ich auch die Formulierung zum „Level Playing Field“ im Koalitionsvertrag. Mit Blick auf den Haushalt ist es nicht erklärbar, warum Bürgerinnen und Bürger auf klassische Investments wie Aktien, ETFs, also börsengehandelte Indexfonds, Sparpläne und so weiter Zinsen auf Gewinne zahlen, auf Kryptoassets aber nicht. Ich spreche auch nicht von Krypto-Währungen, da sich mittlerweile aus nachvollziehbaren Gründen der Begriff Kryptoassets als der passendere eingeprägt hat, da diese Assets wie etwa auch Ether oder Ripple eben nicht von Zentralbanken ausgegeben und abgesichert werden.
Warum bringen Sie das Thema gerade jetzt aufs Tapet?
Das „BTC-Echo“ trat an mich heran und bat um ein Interview. In Österreich beispielsweise wurde auch jüngst das Gesetz angepasst.
Die FDP ist mit der Idee der Aktienrente, später „Generationenkapital“, in der Ampel gescheitert, nicht zuletzt an den Grünen. Die Idee dahinter ist, dass der Bund am Kapitalmarkt Gewinne macht und damit hilft, die drohende Rentenlücke zu schließen. Privatanleger, die ihrerseits teilweise über Jahrzehnte mit Hilfe von Aktien, Gold und/oder Krypto die eigene Rentenlücke zu schließen versuchen, sind später wahrscheinlich weniger von finanziellen Zuwendungen des Staates abhängig. Warum sollen deren Gewinne trotz langer Haltedauer besteuert werden?
Die steuerliche Behandlung von Aktien, Gold oder Kryptowerten sind drastisch unterschiedlich. Gewinne aus Aktien oder ETFs beispielsweise müssen schon heute ohne Mindeststeuerfrist versteuert werden. Im Sinne der Steuergerechtigkeit halten wir es für wichtig, die verschiedenen Investitionsmöglichkeiten steuerlich ähnlich zu behandeln.
Der Finanzinvestor Christian W. Röhl macht den Gegenvorschlag, den allgemeinen Freibetrag für Kapitalerträge pro Person von 1000 auf 10 000 Euro im Jahr zu erhöhen, wenn die Spekulationsfrist für Gold und Bitcoin abgeschafft werden sollte. Gute Idee – oder?
Wir wollen und müssen Politik für alle Menschen machen und Steuereinnahmen fair für die Gesellschaft einsetzen. Ein derartiger Vorschlag ist derzeit einfach nicht finanzierbar. Ich hätte hier außerdem Projekte, die ich deutlich priorisieren würde, zum Beispiel eine angemessene Kindergrundsicherung.
Käme eine Abschaffung der Jahreshaltefrist für Krypto-Währungen und Edelmetalle nicht einer Bestrafung der braven langfristigen Sparer gleich – und könnte das Zocken befeuern?
Derzeit sehe ich die Besserstellung von Kryptoassets als falsches Signal an. Selbst dubiose Coins suggerieren Gewinne aufgrund fehlender Versteuerung, während zum Beispiel das Investieren in Aktien (und damit ja einer Investmentmöglichkeit auch für deutsche/europäische Unternehmen) schlechter gestellt würden. Steuern sind außerdem keine Strafe. Erst sie ermöglichen wichtige staatliche Investitionen, Förderungen, sind in einer sozialen Marktwirtschaft erwünschtes Instrument der Umverteilung und damit ein wichtiges Werkzeug für mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Sie müssen angemessen und ausgewogen sein. Die deutliche Besserstellung hier ist auch für viele Bürgerinnen und Bürger nicht nachvollziehbar.
Eine Besteuerung aller Krypto-Gewinne würde vermutlich das Aus für Bitcoin als Zahlungsmittel im Alltag bedeuten, weil fast jede einzelne Transaktion steuerwirksam wäre und die Finanzämter in der Folge in Daten ersticken würden. Würden Sie das in Kauf nehmen?
Durch die inzwischen doch deutlich gestiegenen Transaktionskosten, insbesondere bei Bitcoin-Transaktionen, ist dieser Effekt bereits eingetreten. Die durchschnittlichen Transaktionskosten liegen zwischen fünf und neun US-Dollar pro Transaktion. Damit ähnelt eine Bitcoin-Transaktion eher einem Gold-Verkauf als einer Barzahlung. Auch ein Privatanleger, der Aktien handelt, produziert je nach Handelsaktivität große Mengen an Daten durch Kauf und Verkauf verschiedener Werte. Hier bieten sowohl Handelsplattformen als auch Steuerberaterinnen und Steuerberater der Privatanleger schon heute an, die Handelsdaten für Steuererklärungen zu bündeln und gemeinsam auszuwerten. Funktionen dieser Art bieten Handelsplattformen, offline Wallets und sogar privat betriebene Full-Nodes im Bitcoin-Netzwerk.
Wieso hat sich das „BTC-Echo“ eigentlich gerade an Sie gewandt? Weil Sie im Finanz- und Digitalausschuss Mitglied sind? Oder ist das ganze Thema sozusagen Ihr Projekt?
Ich bearbeite vor allem Themen an der Schnittstelle Digitalisierung/Finanzen und beschäftige mich unter anderem mit Blockchain, digitalem Euro, Kryptoassets, digitalen Bezahlsystemen, aber auch Bekämpfung von Finanzkriminalität, außerdem wichtigen Projekten wie der Förderung von Open Source, die einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für unsere Wirtschaft leistet.