„Über Wirtschaft reden“Leiter der Biologischen Station Oberberg im Interview
- In unserer Reihe „Über Wirtschaft reden“ spricht Frank Klemmer mit dem Leiter der Biologischen Station Oberberg.
- Dr. Bernd Freymann setzt darauf im Verhältnis von Umwelt und Wirtschaft den Hebel umzulegen..
Oberberg – Sie sind promovierter Diplom-Biologe und leiten seit April die Biologischen Stationen Oberberg und Rhein-Berg. Was meinen Sie, warum sind Sie der richtige Mann für ein Gespräch über Wirtschaft?
(schmunzelt) Das könnte vielleicht an meiner Vita liegen. Ja, ich bin vor allem Biologe, aber nach meinem Abschluss habe ich auch die andere Seite kennengelernt. Ich habe vier Jahre für eine Unternehmensberatung gearbeitet, war in Berlin Leiter der Geschäftsstelle des Mittelstandsverbandes abfallbasierte Kraftstoffe. Wir haben Lobbyarbeit gemacht – im positiven Sinne. Ich nenne es lieber Verbandsarbeit, weil Lobbyismus in Deutschland einen schlechten Ruf hat. Wir haben für einen Biodiesel geworben, der nicht aus Palmöl besteht, sondern aus Abfall und Reststoffen wie Frittenfett. Ein nachhaltiger Biokraftstoff aus bisher ungenutzten Ressourcen.
Was lernt man dabei über Wirtschaft?
Man lernt eine ganze Menge über Märkte und wie sie funktionieren, selbst wenn sie stark reguliert sind. Ich bin Biologe durch und durch, grünes Denken begleitet mich seit meinen Jugendtagen. Aber durch eine solche Tätigkeit entwickelt man auch ein Verständnis für Wirtschaftsunternehmen und wie sie arbeiten. Das ist mit Sicherheit nicht jedem so geläufig.
In Berlin waren Sie zuletzt vier Jahre bei „atmosfair“ – eine Non-Profit-Organisation, die im Internet anbietet, Treibhausgasemissionen von Flugreisen auszugleichen, in dem man Klimaschutzprojekte unterstützt. Sie sind Experte: Klimaschutz und wirtschaftliches Handeln – geht das?
Ich spüre da gerade eine Aufbruchstimmung. Es ändert sich etwas in der Gesellschaft. Unsere Generation hat Anfang der 90er Jahre erlebt, wie Recycling und Mülltrennung zum Thema wurden. Danach aber – und da packe ich mich auch an die eigene Nase – hat sich die Gesellschaft darauf ausgeruht.
Was ist jetzt anders?
Das ist zwar nicht mein primäres Betätigungsfeld als Leiter der Biologischen Stationen, aber ich spüre ein Umdenken auch in der Wirtschaft. Bisher, so mein Eindruck, wurden Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit dort eher unter dem Gesichtspunkt der Öffentlichkeitsarbeit wahrgenommen – wenn zum Beispiel medienwirksam ein Baum gepflanzt wurde. Jetzt gibt es bei einigen erstmals wirklich einen Ansatz, ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu entwickeln, und die Einsicht, dass man damit auch Geld verdienen kann.
Zur Person
Dr. Bernd Freymann ist in Lohmar im Rhein-Sieg-Kreis aufgewachsen. Seit April ist der 42-Jährige Leiter der Biologischen Stationen Rhein-Berg und Oberberg. Bereits mit 14 Jahren engagierte er sich in Lohmar in der Naturschutzgruppe des örtlichen Heimat- und Geschichtsvereins. Gefördert von der Studienstiftung des Deutschen Volkes studierte er in Bonn und promovierte später in Groningen – über die Rolle von Termiten im Nährstoffkreislauf der Serengeti. Ein Jahr habe er dafür in der Savanne verbracht, erzählt er.
Auslandsaufenthalte in den USA und England folgten. In einer Unternehmensberatung war Freymann für Aufgaben im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit verantwortlich, bevor er für den Mittelstandsverband abfallbasierter Kraftstoffe und zuletzt für Klimaschutzorganisation Atmosfair arbeitete. (r)
Kann eine Institution, wie sie die Biologische Station in Oberberg ist, da auch Vorbild sein? Immerhin scheint hier Zusammenarbeit von Naturschützern und betriebswirtschaftlich denkenden Landwirten schon zu klappen.
Wie das hier funktioniert, ist tatsächlich nicht selbstverständlich. Vor allem was den Vertragsnaturschutz angeht, ist eine ganze Menge aufgebaut worden. Das ist das Verdienst aller Beteiligten und vor allem auch meines Vorgängers Frank Herhaus. Anderswo sind die Gräben zwischen Naturschutz und Landwirtschaft auch heute immer noch tief. Hier hingegen, wo die Biostationen paritätisch nicht nur mit Naturschützern, sondern auch mit Landwirten, Waldbauern oder Vertretern der Verwaltung besetzt sind, gibt es einen sehr konstruktiven Dialog. Das habe ich von Anfang an gespürt.
Wie funktioniert der Dialog?
Man entwickelt ein Verständnis füreinander. Ich bin Pragmatiker. Natürlich weiß ich, dass Landwirte betriebswirtschaftlich denken müssen. Wenn dann wie jetzt in der Debatte um die geplante Neufassung der Düngeverordnung der EU, die eigentlich den Grundwasserschutz verbessern soll, deutlich wird, dass eine Regulierung auch negative Auswirkungen haben kann, weil der Vertragsnaturschutz für unsere Landwirte vor Ort danach nicht mehr attraktiv ist, müssen wir intervenieren und uns auch als Biologische Stationen in die politische Debatte einschalten.
Könnte so auch ein Dialog zwischen Umweltschutz und Industrie funktionieren – gerade in einer Industrieregion wie im Oberbergischen?
Wie gesagt, das ist eher am Rande meines Fokusses. Das ist nicht der Job der Biologischen Station. Doch wenn Sie mich aber fragen als Biologe mit Erfahrungen und Verständnis für die Wirtschaft, dann halte ich im Augenblick ich gerade vieles für möglich. Die „Fridays for Future“-Bewegung hat vieles im individuellen und gesellschaftlichen Bewusstsein verändert. Die nächsten Monate werden entscheidend dafür sein, wie es weitergeht. Jetzt werden die Weichen gestellt. Im Moment habe ich den Eindruck, dass die Maximalforderungen der Bewegung erst dafür gesorgt haben, dass sich überhaupt etwas tut.
Wie entwickelt sich dieser Diskurs? Kann das nicht auch zu Enttäuschungen führen, die von der Politik entfremden?
Das ist für mich noch gar nicht abzusehen. Kommen wir weg von einer Marktwirtschaft zu einer Gemeinwohlwirtschaft? Ich weiß es nicht. Aber ich persönlich bin fest überzeugt davon, dass wir Kompromisse brauchen. Wichtig ist meines Erachtens nur, dass am Ende echter Wandel steht und nicht nur ein „Greenwashing“, das bloß den Eindruck einer Veränderung vermitteln soll.
Und was bedeutet das für die Arbeit der Biologischen Stationen?
Unsere Aufgabe bisher ist vor allem die Umweltbildung und der ganz praktische Naturschutz. Ich glaube, dass wir in Zukunft Umweltschutz, Naturschutz und Klimaschutz in einem Zusammenhang diskutieren müssen. Dazu gehört für mich gerade in einer Region wie dem Oberbergischen auch ein Thema wie nachhaltiger Tourismus. Hier sehe ich echte Chancen für eine weitere Entwicklung in der Region. Und auch das kann ein Wirtschaftsfaktor sein.