VerkehrErziehung und routinierte Autofahrer, das bringt Missverständnisse mit sich
Wipperfürth – Liam steht am Straßenrand an der Verkehrsinsel in der Gartenstraße. Die Kita ist zu Ende und der Sechsjährige möchte auf die andere Straßenseite. Ein Auto kommt angefahren, der Fahrer verringert das Tempo deutlich, winkt Liam sogar zu, er möge passieren, doch der bleibt stehen. Schließlich wird es dem Fahrer zu bunt, genervt tritt er aufs Gas und braust an dem Jungen vorbei und ruft noch „ich bin doch langsamer geworden, dann geh doch“.
Diese Szene ist so passiert, berichten Liams Mutter Kerstin Holve und Andrea Buchholz vom Kindergarten Erna Schmitz der Arbeiterwohlfahrt an der Gartenstraße, um auf ein Kommunikationsproblem zwischen routinierten Autofahrern und Verkehrsneulingen hinzuweisen.
Zurück zum Straßenrand: Liam ist erschrocken und außerdem ist er verwirrt, denn eigentlich hat er alles richtig gemacht. „Kinder gehen, wenn Räder stehen“, so hat er es beim Verkehrserziehungs-Nachmittag gelernt, den seine Kita erst kürzlich zusammen mit der Polizei veranstaltet hat.
Kinder gehen, wenn Räder stehen
21 Kinder sind 2019 im Oberbergischen Kreis als Fußgänger verunglückt, berichtet die Kreispolizei.
Querungshilfen sollen gerade jungen Verkehrsteilnehmern, die zu Fuß unterwegs sind, helfen. Wie sich Kinder richtig verhalten, erklärt hier Leif Schulmeistrat von der Verkehrsunfallprävention
Bordsteinkante: Grundsätzlich heißt Bordsteinkante erstmal halt. Dann schauen nach beiden Seiten. Kommt kein Fahrzeug, darf man gehen, kommt eins, muss man abwarten, was der Fahrer macht.
Für Autofahrer heißt das: Wenn man an einer Querungshilfe ein Kind oder natürlich auch einen anderen Fußgänger stehen sieht, darf man es vorbeilassen, eine Verpflichtung dazu besteht nicht, im Gegensatz zum Zebrastreifen.
Fußgänger queren lassen: Wenn man es aber möchte, dann nicht schon weit vor der Insel das Tempo drosseln und denken, das Kind wird schon verstehen, was man meint und gehen, sondern ranfahren und anhalten.
Ganz wichtig hierbei: Das gilt nur für Kinder, die auf der eigenen Fahrbahnseite stehen, also in Fahrtrichtung rechts! Für Kinder auf der linken Seite ist erstmal der Gegenverkehr zuständig. „Kinder gehen, wenn Räder stehen.“ Wenn das alle Beteiligten wissen und beherzigen, kommt es auch nicht zu Missverständnissen.
Das Problem ist, dass die meisten Autofahrer das nicht wissen. Der Fahrer des Wagens hatte ja die besten Absichten, hat bis auf Schrittgeschwindigkeit abgebremst und Liam sogar per Geste zum Gehen aufgefordert. Aber solange das Auto sich bewegt, bleibt der Junge stehen, und das ist auch richtig so.
Leif Schulmeistrat kennt das Problem gut. Der Hauptkommissar arbeitet in der Abteilung Verkehrsunfallprävention und Opferschutz bei der Kreispolizei Oberberg. Er und seine Kollegen gehen zweimal im Jahr in die Kitas und erklären richtiges Verhalten im Straßenverkehr. Und zwar den Kindern und ihren Eltern, das ist Schulmeistrat ganz wichtig. „Die Vorbildfunktion der Eltern ist überhaupt nicht zu überschätzen“, sagt er.
„An 363 Tagen im Jahr sind wir ja nicht dabei und Kinder machen eben das, was ihre Eltern ihnen vorleben.“ Der Hauptkommissar erklärt, dass Kinder bis zu einem gewissen Alter entwicklungspsychologisch überhaupt nicht in der Lage sind, Geschwindigkeiten und Abstände richtig einzuschätzen oder Gesten richtig zu deuten. Deshalb die klare Regel, erst dann loszugehen, wenn das Fahrzeug komplett zum Stillstand gekommen ist.