Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Vor 80 Jahren hier erfundenDas Mysterium „Eierkuchen“

Lesezeit 3 Minuten

Niederrengse – Er gehört zu den letzten kulinarischen Mysterien des 21. Jahrhunderts, dabei liegt seine Ersterwähnung mal locker 80 Jahre zurück: der Eierkuchen.

„Locker“ passt zu seiner Struktur, er ist zart wie ein Soufflé, hoch wie eine Sahnetorte und schneeweiß wie Baiser. Es gibt ihn in der süßen Variante mit Puderzucker, herzhaft mit durchwachsenem Speck und normalerweise reicht ein einziges Exemplar, vier oder fünf erwachsene Menschen rundum zu sättigen. Er ist bekannt als Lieberhäuser Eierkuchen, sollte aber eigentlich Rengser Eierkuchen heißen, denn dort, in der Rengser Mühle, wurde er unstreitig erfunden. Und ebenso unstreitig ist, dass es diese Art des Eierkuchens ausschließlich in zwei Restaurants gibt, der Rengser Mühle in Niederrengse und dem Landgasthof Reinhold in Lieberhausen. Und ausschließlich in diesen beiden Traditionsgaststätten weiß man um das „Mysterium Eierkuchen“, wird das Rezept von Generation zu Generation mündlich überliefert. „Selbst unsere ehemaligen Köche“, weiß Stefanie Vormstein, die mit ihrem Mann Maik die Rengser Mühle in mittlerweile fünfter Generation führt, „würden sich eher die Zunge abbeißen, als die Zubereitung des Eierkuchens preiszugeben.“

Das wissen auch Irmel und Horst Vormstein, Maiks Eltern, die zwischen 1966 und 2002 die Geschicke des beliebten Ausflugslokals federführend lenkten. Und gerne erzählt Irmel Vormstein den Gästen noch heute die Geschichte des Eierkuchens, der erst durch ihre Tante Martha zu den Reinholds nach Lieberhausen gelangte, aber bereits in den 1930er Jahren von Emma Lenz in Niederrengse erfunden wurde.

Und immer, und das passiert tatsächlich immer, entfährt ihr ein freundliches aber bestimmtes, kopfschüttelndes Lächeln, wenn die Gäste über viele Umschweife nach dem Rezept fragen. Und dann erzählt sie lieber die Geschichte des Hauses (siehe Infokasten) und die der Familie Lenz, der auch sie angehörte, ehe sie ihren Horst kennenlernte und fortan zur Vormstein wurde ...

„Nur mal gucken, wie der Koch den Eierkuchen macht“, insistiert der Gast, der sich auch von Irmels und Schwiegertochter Stefanie Vormsteins sympathischer Redegewandtheit nicht ablenken lässt. „Nein“, heißt es freundlich aber resolut. Selbst wenn der Eierkuchen keinen Patentschutz als eingetragenes Warenzeichen genießt, weil das nie beantragt wurde, ist es bisher noch niemandem gelungen, das Rezept durch eigenes Tüfteln herauszufinden, geschweige denn, ein derart fluffiges Gebäck selbst in der Pfanne zu fabrizieren.

Wie tief manche Hobbyköche im Dunkeln tappen, wenn es um Fragen nach dem „Lieberhäuser Eierkuchen“ geht, lässt sich in etlichen Online-Foren nachlesen. Eine Leserin will den „Lieberhäuser Pfannkuchen“ sogar schon mal im „Pfannkuchenhaus“ gegessen haben, ein anderer aus Remscheid vermutet dahinter ein über 100 Jahre altes, bergisches Rezept, hat es aber selbst in einem Lenneper Kochbuch nicht finden können. Dass es sich um ein gut gehütetes Familiengeheimnis handelt, ahnt das „World-Wide-Web“ nicht.

So wenig, wie viele Gäste auch nicht wissen, dass Niederrengse erst seit der kommunalen Neugliederung 1969 zu Bergneustadt gehört, früher aber Teil der Alt-Gemeinde Lieberhausen war. Da schließt sich der Kreis, ob es Lieberhäuser oder Rengser Eierkuchen heißen darf oder soll. Hauptsache, „es“ schmeckt.