Nummernziehen an der ToiletteDer erste Tag für Waldbröler Schüler in der Corona-Krise
- Fast sechs Wochen lang hat das Coronavirus den Schulalltag lahmgelegt.
- Oberbergs Abschlussjahrgänge müssen jetzt wieder die Schulbank drücken.
- Nach einer solch langen Pause Abstand halten, die Kontaktregeln konsequent einhalten und auf die Hygienevorschriften achten: keine einfache Angelegenheit.
Waldbröl – Wer in ein grünes Klassenzimmer muss, der folgt bitte den grünen Pfeilen. Und wer blau hat, eben den blauen. Vier Farben, vier Treppenhäuser, vier Bereiche: In Waldbröls Gesamtschule sollen die Schüler nicht nur Abstand halten, sondern sich in den Gebäuden möglichst selten begegnen. Und am oberen Eingang steht Lehrer Sascha Stelzer mit brauner Kladde: Er kennt Wege und Farben, hat mitgearbeitet am Konzept für den Wiederbeginn des Unterrichts.
Denn Oberbergs Abschlussjahrgänge müssen jetzt wieder die Schulbank drücken. Mit etwa 200 Jugendlichen (von 970 Schülern insgesamt) kehren nach Kenntnis von Schulleiterin Kirsten Wallbaum-Buchholz an diesem Donnerstagmorgen in Waldbröl die meisten Schüler zurück in einen Schulalltag, den das Coronavirus für fast sechs Wochen lahmgelegt hat.
Auch das Ordnungsamt und die Polizei sind dabei
„Wäre das nicht passiert, dann wären wir bereits in den Prüfungen“, sagt Nick (18). Er finde es gut, dass es wieder losgeht. Für Abiturienten wie ihn gilt an der städtischen Gesamtschule übrigens Einbahnstraßenverkehr: Dieser Jahrgang erreicht und verlässt seine Räume im Untergeschoss auf eigenen, getrennten Routen, unterrichtet werden allein Prüfungsfächer. Doch bevor Nick und Kumpel Jona (18) da ankommen, müssen sie durch den unteren Zugang und erst mal an Oberstufenleiterin Ute Gick vorbei. Und die schreitet prompt lautstark ein, sinkt der Abstand unter anderthalb Meter.
„Diesen energischen Einsatz hätte ich mir auch von den Mitarbeitern des Ordnungsamts gewünscht“, kritisiert Schulleiterin Wallbaum-Buchholz das aus ihrer Sicht zu zögerliche Vorgehen der drei Kräfte. Die Frauen sollen darüber wachen, dass es sich auf der Strecke von den Bushaltestellen und den Parkplätzen an der Vennstraße über die Goethestraße hinauf zum Hollenberg-Gymnasium und zur Gesamtschule nicht knubbelt. Keine leichte Aufgabe: Nach so langer Pause freuen sich die jungen Leute aufs Wiedersehen, haben sich viel zu erzählen. Seine Kolleginnen wären sehr wohl auf Schüler zugegangen, entgegnet Eckhard Becker, der zuständige Fachbereichsleiter im Waldbröler Rathaus. „Leider zeigten die Schüler wenig bis kein Verständnis für die Aufforderungen, auf Abstände zu achten.“ Solche Anweisungen seien eher belächelt als befolgt worden.
Ringsherum ist das Gebrumme groß: Die meisten der Schüler werden von Angehörigen zum Schulzentrum gebracht, nur wenige kommen mit den Bussen. So erleben zwei Polizeibeamte, die sich an den Busplätzen postiert haben, einen ruhigen Morgen. „Keine Probleme“ bestätigt später Polizeisprecherin Monika Treutler auf Anfrage.
Diszipliniertes Verhalten
Ebenfalls von einem guten Ablauf spricht Frank Bohlscheid, Direktor des Gymnasiums. Dorthin sind 65 von insgesamt 71 Schülern des zwölften, des Abi-Jahrgangs, freiwillig gekommen. „Und die waren diszipliniert, hielten sich an die Regeln.“ Die sehen etwa vor, dass nie mehr als drei Jugendliche die Toilettenräume nutzen dürfen.
Wer muss, der nimmt eine Nummernkarte mit. Ist das Geschäft erledigt, wird diese Karte desinfiziert und zurückgelegt – der nächste darf. Derweil trotten etwas weniger als 80 Zehntklässler zur benachbarten Realschule. „Jetzt haben wir in dieser Jahrgangsstufe sogar sechs Klassen“, sagt Konrektor Jens John. Die bestehenden drei wurden halbiert, höchstens 14 Schüler zählt eine Klasse nun. Und die wechseln nie den Raum. „Auf jedem Tisch steht ein Namensschild“, sagt John. Unterrichtet werden an der Bohlenhagener Straße allein Deutsch, Mathe und Englisch.
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So auch an der Gesamtschule. Aber bevor es Lernstoff gibt, gehen Klassenlehrer wie Tarik Afonneh die Regeln durch. „Es gibt viel zu erklären“, sagt er. Nur im Klassenraum dürfen die Jugendlichen die Schutzmasken ablegen, 500 hat die Gesamtschule davon auf Vorrat. Am Eingang heißt es also stets: Hände desinfizieren, Mundschutz an. „Leider ist die Ansteckungsgefahr immer gegeben“, weiß Schülerin Karina (17). Trotzdem fühle sie sich in der Schule sicher. Für die Elternpflegschaft beobachtet Vorsitzender Paul W. Giebeler diesen ersten Schultag: „Mit 200 klappt alles, mit mehr Schülern aber nicht“, findet er und blickt sorgenvoll auf den 4. Mai: Dann könnten womöglich weitere Jahrgangsstufen kommen. „Daher werde ich an die Eltern appellieren, dass wir uns dagegen wehren.“